Kemmerich tritt sofort zurück

Koalition für rasche Neuwahl

Thomas Kemmerich (FDP), Ministerpräsident von Thüringen, gibt ein Statement in der Saatskanzlei. Kemmerich (FDP) tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Foto: Bodo Schackow/Dpa
Thomas Kemmerich (FDP), Ministerpräsident von Thüringen, gibt ein Statement in der Saatskanzlei. Kemmerich (FDP) tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Foto: Bodo Schackow/Dpa

BERLIN/ERFURT (dpa) - Etwas Entspannung für die GroKo in Berlin nach dem Rücktritt von Kemmerich. Doch auch wenn Thüringen wieder in ruhigere Bahnen kommt - der «Flurschaden» wird noch lange nachwirken.

Der Rücktritt des Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) verschafft CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und der großen Koalition eine Verschnaufpause. Nun müsse nicht nur rasch ein neuer Ministerpräsident im Thüringer Landtag gewählt werden. Die Koalitionspartner seien im übrigen «davon überzeugt, dass unabhängig von der Wahl eines neuen Ministerpräsidenten baldige Neuwahlen in Thüringen erforderlich sind», hieß es in einer am Samstag nach einem Sondertreffen des Koalitionsausschusses in Berlin veröffentlichten Erklärung.

Kemmerich teilte nahezu zeitgleich mit: «Hiermit erkläre ich meinen Rücktritt als Ministerpräsident des Freistaates Thüringen mit sofortiger Wirkung.» Sämtliche Bezüge aus dem Amt des Ministerpräsidenten und des geschäftsführenden Ministerpräsidenten werde er an die Staatskasse zurückgeben. Kemmerich war am Mittwoch mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten in Thüringen gewählt worden - dies rief heftige Kritik hervor. Einen Tag später hatte er seinen Rücktritt angekündigt - aber bislang nicht vollzogen.

Kemmerich bleibt nach der Verfassung auch nach seinem Rückzug noch im Amt bis ein neuer Ministerpräsident gewählt ist - allerdings nur geschäftsführend. Ihm ist aber jetzt die Möglichkeit genommen, eine Vertrauensfrage im Landtag zu stellen. «Unbenommen ist dem Landtag aber die Möglichkeit, ganz regulär einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen», sagte der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner der Deutschen Presse-Agentur.

Die Spitzen der großen Koalition hatten vor dem Rücktritt Kemmerichs Kontakt mit FDP-Chef Christian Lindner. Das bestätigte der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans nach der Sitzung des Koalitionsausschusses. Die Situation in Thüringen sei durch das Verhalten der FDP ganz wesentlich beschleunigt worden, sagte Walter-Borjans mit Blick auf die Wahl Kemmerichs.

Lindner habe mittlerweile eingesehen, «dass das ein schwerwiegender Fehler war». Man habe gesagt, es müsse klar sein, «dass es jetzt diesen Rücktritt geben wird. Das können wir bestätigen», sagte er auf die Frage, ob es Kontakt mit Lindner gegeben habe. Es sei «richtig, dass die FDP ihrerseits diese Position auch so mitgetragen hat».

Walter-Borjans Co-Vorsitzende Saskia Esken sagte, die gemeinsame Stellungnahme der Koalition vom Samstag sei «in großer Einigkeit» mit CDU und CSU zustande gekommen. Es sei wichtig, dass sich «drei Parteien des demokratischen Spektrums auch nochmals darauf geeinigt haben, dass es unter gar keinen Umständen eine Zusammenarbeit mit der AfD geben kann». Die FDP sei als weitere Partei des demokratischen Spektrums gut beraten, sich in dieser Frage auch einer Klärung zuzuwenden.

«Regierungsbildung und politische Mehrheiten mit Stimmen der AfD schließen wir aus. Das ist und bleibt die Beschlusslage der die Koalition tragenden Parteien für alle Ebenen», heißt es in der Erklärung von CDU, CSU und SPD.

Nicht nur die Entwicklung in Thüringen dürfte etwas Spannung aus der großen Koalition im Bund von CDU, CSU und SPD genommen haben, auch der Rücktritt des erheblich in die Kritik geratenen Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), auf Betreiben von Kanzlerin Angela Merkel dürfte dazu beigetragen haben. Hirte, der Thüringer CDU-Vize ist, hatte ausdrücklich zur Wahl Kemmerichs gratuliert.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der einer Jamaika-Koalition von CDU, FDP und Grünen vorsteht, rät der CDU, eine Regierung mit Beteiligung der Linkspartei unter Umständen zu tolerieren. Bisher hat die CDU-Spitze dies unter Verweis auf einen Parteitagsbeschluss von 2018 ausgeschlossen.

Die CDU lehne eine Koalition mit der Linkspartei genauso ab wie mit der AfD, sagte das CDU-Präsidiumsmitglied in Kiel am Rande einer Klausurtagung der Spitze der Nord-CDU. «Aber klar ist auch: Wenn Linkspartei und AfD im Landtag eine Mehrheit haben, reicht das als Antwort nicht aus.»

Linkenchef Bernd Riexinger twitterte: «Der Kemmerich-Rücktritt ist folgerichtig. Der große politische Flurschaden bleibt. Unverantwortlich und erschreckend, was sich da manche Politiker der CDU und FDP geleistet haben. Danke an alle, die politisch wach waren und schnell reagiert haben.»

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte: «Drei lange Tage hat der Mann, der nur mit den Stimmen der rechtsextremen Höcke-AfD ins Amt kam, Thüringen unnötig ins Chaos gestürzt. Dieses miese Schauspiel hat dank klarer Kante nun ein Ende.»

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