China versichert: keine Waffen an Russland

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (L) und der chinesische Außenminister Qin Gang nehmen an einer gemeinsamen Pressekonferenz im Diaoyutai State Guesthouse in Peking teil. Foto: epa/Suo Takekuma / Pool
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (L) und der chinesische Außenminister Qin Gang nehmen an einer gemeinsamen Pressekonferenz im Diaoyutai State Guesthouse in Peking teil. Foto: epa/Suo Takekuma / Pool

Baerbock trifft obersten chinesischen Außenpolitiker in Peking

PEKING/SEOUL: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat mit einem Treffen mit dem obersten chinesischen Außenpolitiker Wang Yi ihren zweitägigen Antrittsbesuch in Peking fortgesetzt. Auch bei diesem Gespräch dürften die umstrittene Rückendeckung der chinesischen Regierung für den russischen Krieg in der Ukraine, die Lage um Taiwan sowie Menschenrechtsverstöße in China eine Rolle spielen. Am Freitag hatte sich Baerbock mit Außenminister Qin Gang und dem stellvertretenden Präsidenten Han Zheng getroffen.

Zum Abschluss ihrer Visite in Peking wollte sich Baerbock über die Arbeit im Forschungs- und Entwicklungszentrum von Volkswagen informieren. Dort werden seit 2013 Produkte für alle VW-Marken entwickelt. Im Mittelpunkt stehen neben Innenausstattung und Fahrzeugsicherheit E-Mobilität und Konnektivität. Die Ministerin sollte bei dem Besuch von VW-China-Vorstand Ralf Brandstätter begleitet werden.

Der Volkswagen-Konzern war wegen eines Werkes in der Region Xinjiang in die Kritik geraten. Brandstätter hatte nach einem Besuch dort Ende Februar erklärt, man wolle an dem Standort festhalten, nehme die kritischen Berichte aber sehr ernst. Chinas Zentralregierung wird seit langem eine systematische Unterdrückung der muslimischen Uiguren in der westlichen Provinz vorgeworfen. Brandstätter hatte betont, man habe keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in dem Werk. Ein Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte hatte 2022 schwerwiegende Repressionen in Xinjiang angeprangert und auf Umerziehungslager verwiesen, in denen Uiguren misshandelt würden.

Noch am Samstagvormittag wollte Baerbock nach Südkorea weiterreisen. Dort will sie sich beim Antrittsbesuch in der Hauptstadt Seoul mit Außenminister Park Jin zu Gesprächen treffen. Direkt nach ihrer Ankunft war ein Besuch der Demilitarisierten Zone (DMZ) an der Grenze zu Nordkorea geplant. Fast die Hälfte der knapp 52 Millionen Einwohner Südkoreas wohnt in der Metropolregion rund um Seoul, die nahe dieser Grenze liegt.

Südkorea ist die zehntgrößte Volkswirtschaft und die siebtgrößte Exportnation der Welt. Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel haben in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Nach einer beispiellosen Raketentestserie im vergangenen Jahr testete Nordkorea auch in diesem Jahr wieder mehrfach atomwaffenfähige Raketen.


Keine Waffen an Russland
Andreas Landwehr und Jörg Blank (dpa)

Außenministerin Baerbock gilt in Peking als besonders China-kritisch. Womöglich bekommt sie gerade deswegen einen großen Bahnhof. Doch in der Sache bleibt Außenminister Qin Gang knallhart.

China hat versichert, Russland im Krieg gegen die Ukraine aktuell und auch künftig nicht mit Waffen zu unterstützen. «Wir liefern und werden ja auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern», sagte Außenminister Qin Gang am Freitag nach einem fast zweistündigen Gespräch mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Peking. Zudem kontrolliere man den Export sogenannter Dual Use-Güter, die zivil und militärisch verwendet werden können, entsprechend der Gesetzeslage. Baerbock hatte die chinesische Regierung zuvor eindringlich aufgefordert, sich stärker als bisher in Moskau für ein Ende des Krieges einzusetzen.

Als Zeichen für die engen Bande zwischen Chinas und Russlands Militär reist der neue chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu an diesem Sonntag nach Moskau. Der General, gegen den die USA Sanktionen verhängt hatten, wird seinen russischen Amtskollegen Sergej Schoigu treffen, berichteten beide Seiten. Seit der Invasion in der Ukraine vor mehr als einem Jahr gibt China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Rückendeckung. Chinas Außenminister ließ auch nach den Gesprächen mit Baerbock keinerlei Entgegenkommen erkennen, sondern stand Russland weiter zur Seite.

Bei ihrem Antrittsbesuch hatten Baerbock und Qin Gang etwa zwei Stunden und damit fast doppelt so lange wie geplant im Format des deutsch-chinesischen strategischen Dialogs miteinander beraten. Öffentlich traten sie anschließend höflich, aber kompromisslos in der Sache miteinander auf. Auch bei den gegensätzlichen Positionen etwa in der Frage der Menschenrechte oder in der Haltung gegenüber Taiwan gab es keine erkennbare Annäherung. Mehrfach ging Qin Gang vor Journalisten ausführlich direkt auf Äußerungen von Baerbock ein, um die chinesische Haltung zu rechtfertigen.

Baerbock fordert von Peking mehr Einsatz für Kriegsende

Qin Gang betonte, die chinesische Rolle in der Ukraine-Frage bestehe darin, Versöhnung zu fördern und Friedensverhandlungen voranzubringen. «Wir werden nicht weiter Öl ins Feuer gießen», erklärte er nach der offiziellen Übersetzung. Er betonte aber auch die russischen Sicherheitsinteressen, die berücksichtigt werden müssten, was als Kritik an der Nato verstanden werden kann.

Baerbock sagte, der Besuch von Präsident Xi Jinping in Moskau habe gezeigt, dass kein anderes Land mehr Einfluss auf Russland habe als China. «Die Entscheidung, wie es diesen Einfluss nutzt, berührt Europas Kerninteressen ganz unmittelbar.» Mit den Rechten als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat gehe für China auch eine besondere Verantwortung einher, appellierte sie an Peking.

Mit Blick auf das im Westen kritisierte Positionspapier Pekings zum Ukraine-Krieg sagte Baerbock: «Aber ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen. Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu.»

Baerbock: Eskalation um Taiwan «Horrorszenario»

Baerbock nannte eine militärische Eskalation um die demokratische und von China beanspruchte Inselrepublik Taiwan ein «Horrorszenario» für die Welt. 50 Prozent des globalen Handelsverkehrs gingen durch die Meerenge der Taiwanstraße. Die «Schockwelle dieser Wirtschaftskrise» würde auch China treffen. «Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden.» Baerbock bekräftigte die deutsche Ein-China-Politik, wonach Peking als einzig legitime Regierung Chinas anerkannt wird und keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten werden. Eine gewaltsame Veränderung des Status quo sei aber nicht zu akzeptieren.

Qin Gang verwahrte sich gegen jede ausländische Einmischung. Wenn andere Staaten den Ein-China-Grundsatz «wirklich respektieren», sollten sie die separatistischen Aktivitäten in Taiwan ablehnen. Die «Wurzel der Probleme» seien die Unabhängigkeitsbestrebungen. China werde «keinen Zoll Territoriums preisgeben». China betrachtet das 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die Insel hat seit mehr als 70 Jahren eine unabhängige Regierung.

Qin Gang über Menschenrechte: Brauchen keine Lehrmeister

Nachdem Baerbock ihre Sorge darüber geäußert hatte, dass die Freiräume für die Zivilgesellschaft und die Menschenrechte in China beschnitten würden, wehrte sich Qin Gang in einem längeren Vortrag gegen Kritik. «Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.» Jeder Staat habe seine eigene Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe. Bei den Menschenrechten gebe es «keine einheitlichen Standards in der Welt».

Baerbock hielt dem entgegen, es gebe durchaus gemeinsame Standards für die Menschenrechte in der Welt und erinnerte an die UN-Charta und die UN-Menschenrechtskonvention. Darin stünden universelle Menschenrechte, an die alle UN-Mitglieder gebunden seien.

Während des Besuches wurden der bekannte Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng und seine Frau Xu Yan festgenommen. Beide waren «auf dem Weg zur EU-Delegation» in der chinesischen Hauptstadt, die direkt neben der deutschen Botschaft liegt, wo sich Baerbock am Freitagabend (Ortszeit) aufhielt. Wie die EU-Delegation mitteilte, seien zudem der Bürgerrechtsanwalt Wang Quanzhang, seine Kollegin Wang Yu und der Rechtsaktivist Bao Longjun unter Hausarrest gestellt worden. «Wir fordern ihre sofortige, bedingungslose Freilassung.» In Brüssel äußerte eine EU-Sprecherin ihre «große Besorgnis».

Großer Bahnhof für Baerbock in China

Die chinesische Führung bereitete Baerbock, die in Peking als besonders China-kritisch innerhalb der deutschen Bundesregierung gilt, insgesamt einen freundlichen Empfang. Bei der ersten Station ihres Besuches in der Hafenstadt Tianjin traf sie den Parteichef Chen Min'er, der als Politbüromitglied ein Schwergewicht in der Führung ist. Auch wurde die Außenministerin in Peking von Vizepräsident Han Zheng empfangen.

Außenminister Qin Gang war zudem eigens nach Tianjin - 120 Kilometer von der Hauptstadt - gefahren, um mit Baerbock am Freitagmorgen ein deutsches Unternehmen für Elektromobilität zu besuchen. Der Minister stammt selbst aus der Wirtschaftsmetropole. Anschließend fuhren Baerbock und ihr Amtskollege gemeinsam im Hochgeschwindigkeitszug mit einem Tempo von bis zu 350 Kilometern in der Stunde nach Peking.


EU protestiert gegen Festnahmen während Baerbock-Besuch

PEKING: Die Europäische Union hat gegen die Festnahme des bekannten Bürgerrechtsanwalts Yu Wensheng und seiner Frau Xu Yan während des Besuchs von Außenministerin Annalena Baerbock in China protestiert. Beide waren demnach «auf dem Weg zur EU-Delegation» in der chinesischen Hauptstadt gewesen, die direkt neben der deutschen Botschaft liegt, wo sich Baerbock am Freitagabend (Ortszeit) aufhielt.

Zudem seien der chinesische Bürgerrechtsanwalt Wang Quanzhang, seine Kollegin Wang Yu und der Rechtsaktivist Bao Longjun unter Hausarrest gestellt worden. «Wir fordern ihre sofortige, bedingungslose Freilassung», hieß es am Freitag in einer Mitteilung der EU-Delegation auf Twitter. Beim Außenministerium sei ein Protest wegen der «inakzeptablen Behandlung» eingereicht worden.

In Brüssel äußerte eine Sprecherin des Auswärtigen Dienstes der EU ihre «große Besorgnis». Die Festnahmen seien kurz vor einem Treffen auf Einladung von EU-Diplomaten in der Delegation erfolgt. «Was wir sagen können, ist, dass erwartet wurde, dass sie hohe EU-Beamte und den Botschafter treffen sollten - aber ich will nicht mehr als das sagen», sagte die Sprecherin weiter.

«Diese Festnahmen fanden statt, als diese Leute auf dem Weg zu unserer Delegation waren», sagte ein Sprecher der EU-Kommission. «Das würde darauf hindeuten, dass die chinesischen Behörden von dem Treffen wussten.»

Der Anwalt Yu Wensheng war 2018 festgenommen worden. Er hatte unter anderem politisch heikle Fälle angenommen und stand der Kommunistischen Partei kritisch gegenüber. 2019 wurde er wegen «Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt» zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Mai 2022 kam er wieder frei.

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