Nordkorea nimmt möglicherweise zweiten Reaktor in Betrieb

Start einer Interkontinentalrakete (ICBM) vom Typ Hwasong-18 mit festem Treibstoff an einem nicht genannten Ort in Nordkorea. Foto: epa/Kcna
Start einer Interkontinentalrakete (ICBM) vom Typ Hwasong-18 mit festem Treibstoff an einem nicht genannten Ort in Nordkorea. Foto: epa/Kcna

SEOUL/WIEN: Nordkorea baut seit Jahren an einem weiteren Atomreaktor, der Plutonium zur Herstellung von Atombomben liefern kann. Der Reaktor ist laut Experten jetzt mutmaßlich in Betrieb.

Nordkorea hat laut Rüstungskontrollexperten an seinem umstrittenen Atomkomplex Yongbyon möglicherweise einen weiteren Reaktor erstmals zum Laufen gebracht. Das könnte dem Land ermöglichen, «10, 20 Kilogramm oder sogar mehr Plutonium im Jahr für die Nuklearwaffen Nordkoreas hinzuzufügen», schrieb der Experte Jeffrey Lewis auf X, vormals Twitter. Der «experimentelle Leichtwasserreaktor» sei möglicherweise jetzt in Betrieb. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) kam mit Blick auf die Entwicklungen in Nordkorea zu einem ähnlichen Ergebnis. IAEA-Chef Rafael Grossi zeigte sich am Donnerstagabend sehr besorgt.

Das Ablassen von Wasser am Reaktor lässt Lewis' Angaben zufolge darauf schließen, dass die Anlage seit Anfang Oktober läuft. Lewis und seine Kollegen vom James Martin Center for Nonproliferation Studies (CNS) beriefen sich dabei auf Satellitenbilder. CNS forscht auf dem Gebiet der Nicht-Verbreitung von Kernwaffen.

Schon im vergangenen Jahr hatten die Experten ihre Einschätzung mitgeteilt, Nordkoreas Interesse an mehr Plutonium könnte seine Absicht widerspiegeln, neue taktische Atomwaffen zu entwickeln. Demnach könnte der neue Reaktor nach der Inbetriebnahme bis zu 55 Kilogramm waffenfähiges Spaltmaterial im Jahr produzieren und damit etwa zehnmal so viel wie der ältere 5-Megawatt-Reaktor in Yongbyon.

Die Beobachtungen deuteten an, dass das Wasser am Leichtwasserreaktor (LWR) warm sei, hieß es in einer Erklärung Grossis, die die IAEA am Donnerstag veröffentlichte. «Die Freisetzung warmen Wassers weist darauf hin, dass der Reaktor Kritikalität erreicht hat.» Der kritische Zustand ist der normale Betriebszustand eines Kernreaktors, in dem eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion abläuft.

Grossi schränkte ein, dass es ohne Zugang zum Reaktor schwierig sei, den Betriebsstatus präzise zu bestimmen. «Ich wiederhole, die weitere Entwicklung des Nuklearprogramms der Volksrepublik (Nordkorea) einschließlich des Baus und des Betriebs des LWR ist ein Verstoß von Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, und das ist sehr bedauerlich.»

Nordkorea liegt seit vielen Jahren wegen seines Atomwaffenprogramms im Streit mit der internationalen Gemeinschaft. Das Land unterliegt harten Sanktionen der UN. Derzeit erhöhen sich die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel wieder. Zuletzt hatte Nordkorea erneut eine Interkontinentalrakete (ICBM) getestet, die nach Angaben aus Pjöngjang theoretisch auch die USA erreichen kann. Den USA wirft Nordkorea eine feindselige Politik vor. Pjöngjang hat seit dem vergangenen Jahr trotz UN-Verboten mehrfach atomwaffenfähige Raketen getestet.

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