Zyperns Präsident rechtfertigt Vergabe «Goldener Pässe»

Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis spricht während einer Pressekonferenz. Foto: epa/Yannis Kolesidis
Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis spricht während einer Pressekonferenz. Foto: epa/Yannis Kolesidis

NIKOSIA: Der Skandal um die Vergabe zyprischer Staatsbürgerschaften an Nicht-EU-Bürger nimmt ungeahnte Ausmaße an. Beamte, Politiker, hohe Kirchenvertreter und selbst der Präsident der Inselrepublik sollen in das Milliardengeschäft verwickelt gewesen sein.

Wenn das Land in einer Krise steckt, macht man alles, was möglich ist - mit dieser Aussage hat Zyperns Präsident Nikos Anastasiades am Dienstag die Praxis der Vergabe zyprischer Staatsbürgerschaften an Nicht-EU-Bürger gerechtfertigt. Das Staatsoberhaupt steht im Verdacht, selbst davon profitiert zu haben. Der 74-Jährige muss deshalb vor einem eigens gegründeten Ausschuss aus Parlamentariern und Juristen aussagen. Anastasiades soll zwei Mal mit seiner Familie auf Kosten eines saudi-arabischen Prinzen in dessen Privatjet auf die Seychellen geflogen sein. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Rund 3500 zyprische Pässe sollen in den vergangenen zehn Jahren vornehmlich an Chinesen und Russen vergeben worden sein. Voraussetzung für das «goldene Dokument»: Der Antragssteller investiert auf Zypern mindestens 2,5 Millionen Euro. Laut Anastasiades summierten sich die Investitionen in dieser Zeit auf 9,7 Milliarden Euro - Geld, das vor allem wegen der schweren Finanzkrise des Landes im Jahr 2013 dringend nötig gewesen sei.

Illegal ist die Vergabe an sich nicht. Doch im vergangenen Jahr dokumentierte der TV-Sener Al-Dschasira die kriminelle Energie, mit der hohe Staatsfunktionäre dabei unterwegs waren. Mit versteckter Kamera brachte der Sender den Fall ins Rollen. Der Parlamentspräsident trat daraufhin zurück - er war in Aufnahmen als einer der Beteiligten zu sehen, wie er einem Anwärter versprach, sein Anliegen «zu regeln».

Anschließend kamen immer mehr Verstrickungen und Fälle von Vetternwirtschaft ans Licht. So soll beispielsweise Anastasiades' frühere Rechtsanwaltskanzlei die Anträge der Anwärter bearbeitet haben. Sie gehört Anastasiades zwar schon seit Jahren nicht mehr selbst, wird aber von seinen Töchtern geleitet. Ebenfalls pikant: Eine Nichte von Anastasiades war von 2013 bis 2019 im Innenministerium für die Passvergabe zuständig.

Vor dem Ausschuss standen am Dienstag jedoch zunächst die zwei mutmaßlichen Reisen des Staatschefs und seiner Familie auf die Seychellen im Mittelpunkt. Ein saudischer Prinz sei dafür aufgekommen, mutmaßen zyprische Medien und berichten, der Prinz sowie 41 seiner Familienmitglieder hätten nur Monate davor allesamt die zyprische Staatsbürgerschaft erhalten. Auf entsprechende Fragen gab Anastasiades an, die Reisen selbst bezahlt zu haben.

Selbst die Kirche ist in den Skandal verwickelt. Für Zündstoff sorgte vergangene Woche eine Aussage des Geistlichen Chrysostomos, dem Erzbischof von Zypern. Er gab an, einem malaysischen Staatsbürger zu einem zyprischen Pass verholfen zu haben - für die Vermittlung habe die Kirche 300.000 Euro erhalten. Später habe sich herausgestellt, dass der Mann mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde. Chrisostomos selbst habe deshalb jüngst bei einem Treffen zu Anastasiades gesagt: «Wir müssen aufhören zu klauen!»

Schon längst geht die EU gegen die umstrittene Praxis vor, wegen der auch Malta in der Kritik steht. Gegen beide Länder läuft seit Oktober ein Vertragsverletzungsverfahren. Denn mit einem zyprischen oder maltesischen «Goldenen Pass» haben die Betreffenden alle Rechte eines EU-Bürgers. Die Kommission sieht dabei insbesondere in den Bereichen Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption Risiken.

Auf Zypern wurde die Vergabepraxis im November gestoppt. Nun wird in jedem einzelnen der 3500 Fälle untersucht, ob die Vergabe des «Goldenen Passes» mit rechten Dingen zugegangen ist.

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