Was wird aus Erzbischof Gänswein?

​Zwei Jahrzehnte an Benedikts Seite

Papst Benedikt XVI. (L) mit seinem Sekretär Georg Ganswein nach einer Audienz in seiner Privatbibliothek im Vatikan. Foto: epa/Christophe Simon / Pool
Papst Benedikt XVI. (L) mit seinem Sekretär Georg Ganswein nach einer Audienz in seiner Privatbibliothek im Vatikan. Foto: epa/Christophe Simon / Pool

ROM: Zwei Jahrzehnte lang war Georg Gänswein der engste Mitarbeiter und Vertraute von Benedikt XVI. Wie es nun mit dem Schwarzwälder weitergeht, das ist offen. Gerüchte gibt es einige.

Mit dem Tod von Benedikt XVI. endet eine Ära in der katholischen Kirche. Und auch für den Mann an der Seite des emeritierten Papstes beginnt ein neues Leben. Zwei Jahrzehnte hatte Georg Gänswein sich Benedikt gewidmet: Schon vor der Wahl zum Papst wurde er Privatsekretär, während des Pontifikats und auch danach blieb er bei Benedikt. Was wird nun aus dem gebürtigen Schwarzwälder, wenn der emeritierte Papst am Donnerstag nach einer großen Trauerfeier auf dem Petersplatz im Petersdom beigesetzt wird?

Niemand stand Benedikt all die Jahre näher als Gänswein. Er war 2012 von seinem Mentor zum Kurienerzbischof - also einem Bischof mit einer Funktion im Vatikan, aber ohne Diözese - gemacht worden, nachdem er bereits knapp zehn Jahre Assistent und Sekretär von Benedikt war. Die beiden arbeiteten schon zusammen, als Benedikt noch unter seinem Geburtsnamen Joseph Ratzinger Präfekt der Glaubenskongregation war.

Als der 66-Jährige am Montag vor dem Leichnam des Papa Emeritus im Petersdom stand, kamen ihm Tränen. In all den Jahren war er Benedikt bei Terminen, Reisen, Auftritten kaum von der Seite gewichen.

Dass Gänswein in den Jahren, als Benedikt körperlich immer schwächer wurde, bereits die Fühler nach neuen Aufgaben ausgestreckt hatte, das glaubt Peter Seewald nicht. Der Benedikt-Biograf sagte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag: «Das war ja ein Allround-Job. Und Gänswein ist ja kein Karrieretyp, der versucht, etwas abzufangen.»

Gänswein war bis Februar 2020 noch Präfekt des Päpstlichen Hauses, bis ihn Franziskus beurlaubte. Die Beurlaubung gilt nach wie vor, die Stelle wurde aber nicht nachbesetzt. Fragt man Vatikan-Kenner, hört man, dass dieser Job, in dem man sehr nah am Papst ist und zum engsten Kreis gehört, für Gänswein nicht mehr in Frage kommen dürfte.

Benedikt XVI. gab ihm diesen Posten noch kurz vor seinem Rücktritt 2013. Gänswein wurde Franziskus damit «ins Nest gelegt», sagt ein Kenner, und er habe nicht mitbestimmen können. Der amtierende Pontifex übernahm Gänswein in den Jahren danach. Dann aber folgte die Beurlaubung - die den Deutschen hart traf. Er habe den Schritt «irgendwie als Bestrafung» empfunden, sagte er 2020 der Zeitschrift «Bunte». ««Was habe ich nur angestellt?», fragte ich mich.»

Nun brodelt die Gerüchteküche: Kommt Gänswein vielleicht zurück nach Deutschland? In Bamberg und Paderborn werden derzeit noch Bischöfe gesucht. Wegen des bayerischen Konkordats - einem Vertrag zwischen dem Freistaat und dem Heiligen Stuhl - könnte Papst Franziskus ihn dort leichter einsetzen als in Paderborn. Denn in dem ostwestfälischen Bistum regelt das Preußenkonkordat die Bischofsernennung anders, nämlich über eine Liste mit vorgeschlagenen Kandidaten, aus der der Papst wählen würde. Ob Gänswein in Bamberg so eine ideale Besetzung wäre, bezweifeln manche Kirchenkenner, die ihn eher als Theologe denn als Seelsorger charakterisieren.

Andere Stimmen aus dem Vatikan halten es dagegen für möglich, dass der studierte Kirchenrechtler in Rom bleiben und an der Kurie eine andere Stelle bekommen könnte. In den Augen mancher wäre das eine bessere Besetzung für den theologieaffinen Kurienerzbischof als ein Bischofsamt in Deutschland.

Die Theorie, Franziskus könnte Gänswein wegen der Spannungen der Vergangenheit aus Rom loswerden wollen, teilt Benedikt-Biograf Peter Seewald nicht. «Es gab zwar Differenzen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Gänswein ist niemand, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Aber die Differenzen sind ausgeräumt.» Dass er mit 66 Jahren in den frühen Ruhestand geht, gilt als sehr unwahrscheinlich.

Gänswein muss also hoffen, dass Franziskus in seinem Sinne über ihn entscheidet. Im Moment dürfte der Argentinier aber mehr mit dem Trauergottesdienst am Donnerstag zu tun haben, zu dem Zehntausende Gläubige kommen dürften.

Der Papst müsse auch noch für die Erbfrage Benedikts eine Antwort finden, erinnern Insider im Vatikan. Direkte Nachfahren hat der gebürtige Bayer nicht. Franziskus handelt oft aus seinem Empfinden heraus. Als spontaner Mensch könnte er vielleicht deshalb auch eine spontane Entscheidung zu Gänswein treffen.

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