Zur Premiere ein «Tischchen mit Champagner»

Siegemunds Coup

Ihre Trophäe halten die Teamkolleginnen Vera Zvonareva (L) aus Russland und Laura Siegemund aus Deutschland. Foto: epa/Justin Lane
Ihre Trophäe halten die Teamkolleginnen Vera Zvonareva (L) aus Russland und Laura Siegemund aus Deutschland. Foto: epa/Justin Lane

NEW YORK: Als erste deutsche Tennisspielerin seit 35 Jahren gewinnt Laura Siegemund bei den US Open den Titel im Doppel. Den Turniersieg widmet sie ihrer Tante - und kündigt den nächsten gemeinsamen Grand-Slam-Auftritt mit ihrer russischen Partnerin an.

Laura Siegemund kämpfte mit den Tränen. Nach dem überraschenden US-Open-Triumph im Doppel stockte der so eloquenten deutschen Tennisspielerin die Stimme. Kurz blickte die 32-Jährige aus dem schwäbischen Metzingen zum Himmel über dem menschenleeren Arthur-Ashe-Stadium in New York. Dann widmete sie den Titel ihrer an Krebs gestorbenen Tante Helga, der Zwillingsschwester ihrer Mutter.

Wegen der Beerdigung verpassten Siegemunds Eltern den Auftakt des Doppel-Endspiels am Freitag, das die Fed-Cup-Spielerin gemeinsam mit ihrer russischen Partnerin Vera Swonarewa nach einem bemerkenswerten Auftritt 6:4, 6:4 gegen Nicole Melichar/Xu Yifan aus den USA und China gewann. «Vor fast drei Wochen ist sie gestorben. Mir sind heute viele Dinge im Kopf rumgegangen. Sie war 65, das ist ja kein Alter. Meine Cousine ist so alt wie ich, ich habe versucht, sie so gut es geht zu unterstützen. Manche Dinge sind wichtiger als die Karriere», sagte Siegemund später bei der digital übertragenen Pressekonferenz.

Dass sie die Beerdigung verpasst habe, sei hart, aber dies sei nun einmal eines der Opfer, das ihr Sport mit sich bringe, erzählte Siegemund. «Du funktionierst, du machst deinen Job, wir haben ihn heute gut gemacht, aber natürlich war da was in meinem Kopf.»

Siegemund und die vier Jahre ältere Swonarewa machten ihren Job bei diesen außergewöhnlichen US Open ohne Zuschauer so gut, dass sie ihre gemeinsame Premiere mit dem Titel und einem Siegerscheck über 400.000 US-Dollar krönten. Und so gut, dass sie es bei den French Open in Paris Ende des Monats erneut gemeinsam bei einem Grand Slam versuchen. «Wir ergänzen uns sehr gut», sagte Siegemund, die 2016 mit dem Kroaten Mate Pavic im Mixed in New York gewonnen hatte.

Als 1985 Claudia Kohde-Kilsch mit Helena Sukova aus der damaligen Tschechoslowakei als bis dato letzte deutsche Spielerin den Doppel-Titel in Flushing Meadows holte, war Siegemund noch nicht geboren. Wie das Duo mit Swonarewa jetzt zustande kam, wusste sie gar nicht mehr. Irgendwo hatte Siegemund den Namen gelesen und gedacht, das könnte passen. Sie taten sich zusammen, harmonierten prächtig und warfen unter anderen im Viertelfinale die Titelverteidigerinnen Elise Mertens und Aryna Sabalenka (Belgien/Ukraine) aus dem Turnier.

Kurioserweise verbindet Siegemund und Swonarewa auch noch eine Gemeinsamkeit der Vergangenheit: Beide hatten ihre Karrieren zwischenzeitlich beendet. Nach ihrem Coup gegen die an Nummer drei gesetzten Melichar/Yifan gönnten sie sich als Zuschauerinnen beim Halbfinal-Erfolg von Alexander Zverev erst mal einen Burger. Und auch für die Flüssigkeitszufuhr wollten sie später sorgen. Da in Corona-Zeiten eine rauschende Titelsause nicht drin war, kündigte Siegemund an: «Irgendwo gibt es ein Tischchen mit Champagner.»

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