Der Countdown für die Emirate läuft

Erster Astronaut fliegt ins All

ABU DHABI/BAIKONUR (dpa) - Zum ersten Mal schicken die Vereinigten Arabischen Emirate einen Astronauten ins Weltall. Es geht um mehr als um Prestige. Die kleinen, aber reichen Emirate blicken noch viel weiter.

Als Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betritt, gibt es die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) noch nicht. Erst kurz vorher werden große Ölfelder in der Region gefunden, und innerhalb von wenigen Jahrzehnten wachsen Städte wie Dubai und Abu Dhabi mit ihren glitzernden Hochhausfassaden in den Himmel. Jetzt soll es noch weiter gehen. Zum ersten Mal wollen die VAE am Mittwoch (25. September) einen eigenen Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS schicken.

Als «astro_hazza» twittert Hassa al-Mansuri schon von den Vorbereitungen in Russland, posiert in seinem Raumfahrtanzug. Die Parallelen zum deutschen «Astro_Alex» (Alexander Gerst) sind unverkennbar. Nur folgen dem Deutschen auf Twitter momentan rund 1,3 Millionen Menschen, Hassa al-Mansuri hat bislang knapp über 5.000 Follower.

Dabei verkünden die Emirate seit Monaten stolz, dass Al-Mansuri der erste Astronaut sein wird, der auf Arabisch eine Videotour durch die ISS führen und Experimente auf Arabisch erklären wird. Im neuen «Race to Space» geht es auch um Superlative. Wenngleich der erste Araber schon 1985 mit den USA in den Weltall geflogen ist. Er kam aus Saudi-Arabien.

Trotzdem: «So ein relativ junges Programm wie bei den Emiraten: Das ist kein PR-Gag, da steht ein ganzer Wirtschaftszweig hinter», sagt der Generaldirektor der Europäischen Weltraumagentur Esa, Jan Wörner. Erst vor zwei Jahren haben die Emirate ihr Astronautenprogramm offiziell gestartet. Mit Hilfe internationaler Partner aber schnell aufgeholt.

In Vorbereitung auf den Flug zur ISS hat die Esa die Emirate bei der Mission unterstützt, etwa was die Auswahl und Durchführung der wissenschaftlichen Experimente an Bord betrifft. Die Ausbildung fand größtenteils in Russland statt, eine Sojus-Rakete wird Al-Mansuri in den Weltall bringen, wo er acht Tage lang bleiben soll.

Und: Die Rakete wird die vorerst letzte sein, die von der historischen Startrampe des Weltraumbahnhofs Baikonur in Kasachstan abhebt. Von dort aus startete Juri Gagarin am 12. April 1961 als erster Mensch ins All. Dieser Startplatz soll nach Angaben der russischen Weltraumbehörde Roskosmos nun von Grund auf modernisiert werden, damit sie auch für neuere Sojus-Raketen genutzt werden kann.

Erst 2023 soll die Startrampe wieder in Betrieb gehen. Starts sollen in dieser Zeit von einer anderen, bereits modernisierten Rampe aus abgewickelt werden. Roskosmos gab die Kosten mit 87 Millionen US-Dollar an (79 Millionen Euro) an. Diese Summe teilen sich Russland, die Ex-Sowjetrepublik Kasachstan und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Vertrag dazu ist schon unterschrieben.

Russland will damit seine Raumfahrt wettbewerbsfähiger machen - und neue Einnahmen generieren. Andere Länder könnten etwa von Baikonur aus ins Weltall starten. Die Türkei zum Beispiel. Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin bot Ankara jüngst an, dass russische Raketen türkische Raumschiffe ins All bringen könnten. Die Türkei könne zusammen mit Russland und Kasachstan Partner in Baikonur werden. «Ich halte dies für eine gute Perspektive», sagte Rogosin der Agentur Tass zufolge.

Die Türkei will sich stärker im All engagieren. Erst im vergangenen Jahr wurde eine eigene Raumfahrtbehörde gegründet. Anfang September versammelte sich das Gremium erstmals. Die Türkei sei stolz darauf, meinte jüngst Industrie- und Technologieminister Mustafa Varank.

Russland sucht Verbündete, damit das Land im zunehmenden Wettbewerb um Weltraumtechnologien Schritt halten kann. In den vergangenen Jahren hat Roskosmos allein Raumfahrer zur Internationalen Raumstation ISS geflogen. Die Amerikaner hatten 2011 die Flüge mit dem Space Shuttle eingestellt. Mittlerweile fliegen zwar private amerikanische Raumschiffe zur ISS, aber bislang noch unbemannt.

«Früher war es Du oder Ich, Russland gegen die USA», sagt Esa-Generaldirektor Wörner. «Heute ist es ein gesunder Wettbewerb und es gibt sehr viel Kooperation. Das ist das Wunderbare: Das Weltall gehört allen.»

Das Astronautenprogramm der VAE ist jedoch nur ein Teil einer umfassenden «Weltraum-Strategie», wie die Weltraumagentur der Emirate selbst beschreibt: Es sei Teil der Strategie, unabhängiger vom Öl zu werden und den Übergang in eine «wissensbasierte und innovationsgetriebene Wirtschaft» zu schaffen.

Mit KhalifaSat haben die Emirate im vergangenen Jahr ihren dritten Erdbeobachtungssatelliten ins All geschossen. Im kommenden Jahr soll der erste Satellit zum Mars starten und dort umfassend die dünne Atmosphäre und die Jahreszeiten untersuchen. Die Marsmission solle eine «wissenschaftliche und technische Renaissance» in den Emiraten und der weiteren arabischen Welt anstoßen, heißt es in einem Magazin des Mohammed-bin-Rasched-Weltraumzentrums (MBRSC). Und die Emirate blicken schon weiter. Innerhalb der nächsten rund hundert Jahre wollen sie eine bewohnbare Siedlung auf dem Roten Planeten errichten.

Immer mehr Nationen und private Anbieter mischen im Weltraum mit. In diesem Jahr führten Indien und Israel bereits Mondmissionen durch, die aber zumindest teilweise scheiterten. Auch die USA wollen wieder zurück auf den Mond.

Was nach Science-Fiction klingt, sei ein riesiger Wirtschaftszweig, sagt Wörner: «Raumfahrt ist Innovationstreiber, dafür muss man Raumfahrt aber als komplette Infrastruktur verstehen, das ist mehr als reine Neugier.» Es gehe um mehr als nur um Prestige. «So aktiv wie heute war Raumfahrt noch nie.»

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