«Kleine Germanen»

Wie Neonazis ihre Kinder erziehen

Die jugendliche Elsa steht in einer Gruppe von Menschen, die ihren rechten Arme zum Hitlergruß erhoben haben in einer Szene des Films «Kleine Germanen». Foto: SWR/Brave New Work/Little Dream/ARTE/dpa
Die jugendliche Elsa steht in einer Gruppe von Menschen, die ihren rechten Arme zum Hitlergruß erhoben haben in einer Szene des Films «Kleine Germanen». Foto: SWR/Brave New Work/Little Dream/ARTE/dpa

MÜNCHEN (dpa) - Kinder sind leicht zu beeinflussen. Die Werte im Elternhaus prägen sie oft ein Leben lang. Nachwuchsarbeit spielt deshalb im rechten Milieu eine wichtige Rolle. Wie Kinder dort auf Kurs gebracht werden, zeigt der Film «Kleine Germanen».

Sie werden in Ferienlagern getrimmt und in der Familie an rechtes Gedankengut herangeführt: Kindererziehung spielt in nationalistisch und rechtsextrem gesinnten Kreisen eine große Rolle. Ganz wichtig: Zucht und Ordnung - und bloß nicht weinerlich sein. Der Film «Kleine Germanen» - erst kürzlich im Kino - erzählt von so einer Kindheit. Roter Faden ist Elsas Geschichte, nach wahren Begebenheiten. Auch ihre eigenen Kinder erzieht Elsa in diesem Sinne, bis sie an einem dramatischen Wendepunkt aus der Neonazi-Szene aussteigen will. Verwoben ist Elsas Schicksal mit dokumentarischen Szenen, in denen Rechte ebenso zu Wort kommen wie Aussteiger und Experten. Arte zeigt «Kleine Germanen» am Dienstag (19. November) um 20.15 Uhr.

Der Film gibt interessante Einblicke, könnte aber mehr Profil vertragen. Das gilt vor allem für Passagen, in denen Leute wie der neurechte Verleger Götz Kubitschek, die frühere NPD-Funktionärin Sigrid Schüßler oder Martin Sellner von der Identitären Bewegung Österreich reden. Ihre Äußerungen vor der Kamera sind wohlbedacht. Keine markigen Sprüche, stattdessen schwärmen sie von ihrer idyllischen Kindheit und trauten Familienzusammenhalt und beklagen den Verlust fester Werte. Alles ganz harmlos, so scheint es. Nur kurze Einspieler zeigen, dass sie auf Kundgebungen keinen Hehl aus ihrer rechten Gesinnung machen. Dass genau dieses Spannungsfeld zwischen Familienidylle und extremer Weltsicht gefährlich sein kann, das wird im Film nicht deutlich.

Auch Experten von Beratungsstellen oder Universitäten kommen zu Wort. Doch anders als die Rechten sind sie nicht zu sehen - sie sprechen aus dem Hintergrund. Stattdessen werden spielende, blonde Kinder eingeblendet, die nichts mit der rechten Szene zu tun haben. Das irritiert und schwächt die Äußerungen der Fachleute ab. Dabei haben sie interessantes zu berichten, etwa die Erziehungswissenschaftlerin Alice Blum von der Universität Gießen. Sie hat in vielen rechten Familien eine ständige Katastrophenstimmung beobachtet: «Dieses Gefühl bekommen die Kinder im Grunde jeden Tag vermittelt, zu sagen, es kann sein, dass wir dich aus dem Bett holen werden. Und dann müssen wir los, weil dieses Deutschland hier zusammenbricht.»

Auch Elsa hat ähnliches erfahren. «Als Kind mussten wir immer stark sein», erzählt sie. «Wir durften nicht weinen und uns an nichts zu sehr binden.» Was darunter zu verstehen ist, macht ihr der Großvater deutlich, mit dem sie Krieg gegen die Russen spielt und der ihr ein Ehrenzeichen der SS verleiht. Elsa antwortet: «Für Führer, Volk und Vaterland!».

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