Zum 19. März, ARD: Seefahrt in Not

​«Schiffe versenken»

Foto: epa/Carsten Koall
Foto: epa/Carsten Koall

BERLIN (dpa) - Die Frachtschifffahrt befindet sich im Umbruch. Eine TV-Dokumentation berichtet nun, wie es zu dieser Krise kam und was sie für die Reedereien bedeutet.

Hamburg ist für viele Touristen eine Attraktion. Gerne bewundern sie an den Landungsbrücken den Museums-Frachtsegler «Rickmer Rickmers», der 1896 vom Stapel lief. Doch die Hamburger Traditions-Reederei Rickmers ging vor zwei Jahren pleite und wurde von einem Investor übernommen. Wie es um die Frachtschifffahrt weltweit bestellt ist, davon berichtet die Dokumentation «Schiffe versenken», die an diesem Montag (22.45 Uhr) im Ersten zu sehen ist.

Viele Jahre lang haben Reeder trotz minimalen Eigenkapitals ein Vermögen mit Schiffen verdient. Schiffsfonds schienen das perfekte Geschäft zu sein: Der Steuerspareffekt und die Aussicht auf durchschnittlich fast zehn Prozent Rendite im Jahr war für viele Anleger verlockend. Mit Hilfe dieser Fonds - und der Politik - wurde die deutsche Flotte zu einer der weltgrößten aufgebläht. Nach der Finanzkrise 2008 platzte die Blase in der Schifffahrt: Der Markt brach ein, die Frachtraten fielen auf ein Rekordtief. Gleichzeitig drängten die zu Boomzeiten - vor allem bei asiatischen Werften - georderten Schiffe auf den Markt und führten so zu seiner Übersättigung.

Viele Reeder sind also pleite oder kämpfen ums Überleben. Der Hamburger Reeder Heinrich Schoeller hat seinen Firmensitz auf Zypern und betreibt eine Flotte mit 43 eigenen Containerschiffen, Tankern und Schwergutfrachtern. Seiner Holding hat die HSH Nordbank vor knapp zwei Jahren 680 Millionen Euro Schulden erlassen, um so eine Insolvenz zu vermeiden.

«Die Krise hat uns alle überrascht. Darlehen in Schiffe waren lange besser bewertet als Darlehen für Immobilien», sagt Schoeller (72) im Film. Die HSH Nordbank geriet durch die Schifffahrtskrise und andere Fehler unter die Räder. Für Verluste von mehr als zehn Milliarden Euro haftet der Steuerzahler, da die HSH bislang ein öffentliches Unternehmen der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein gewesen ist. Anfang März 2018 ist diese nunmehr gut aufgeräumte Bank für eine Milliarde Euro an US-Investoren verkauft worden.

Autorin des Films ist Nadja Kölling («Das Geiseldrama von Gladbeck - Danach war alles anders» lief kürzlich im Ersten). «Unfassbar scheint mir vor allem, dass so viele unterschiedliche Akteure die Realität ausblenden und gemeinsam ein solches Milliardendesaster verursachen konnten», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. «Das betrifft Reeder, Banken, private Anleger und die Politik gleichermaßen, denn sie alle haben Warnsignale ausgeblendet oder zu spät erkannt.» Sie ist der Ansicht, dass sich die Branche durch den ruinösen Wettbewerb in der Schifffahrt und den Kampf um Marktanteile immer weiter selbst kaputt macht. «Für die einzelnen Reeder ist das logisch, denn so lassen sich die Kosten weiter senken - für die Branche im Ganzen verschärft das jedoch die Schwierigkeiten», sagte Kölling.

Sie hat einen sorgfältig recherchierten Film gedreht, in dem mehrere Reeder, Kapitäne, Anleger und weitere mit dem Thema beschäftigten Menschen, auch Politiker und Studenten, zu Wort kommen. Die meisten von ihnen zeigen kein fröhliches Gesicht. Das verwundert nicht, denn irgendwie scheint die ganze Malaise auch nach zehn Jahren noch immer ein Teufelskreis zu sein. Ob immer größere Reedereien und noch größere Schiffe - die wiederum so manchen Hafen vor logistische Probleme stellen - die Lösung sein könnten? Am vergangenen Donnerstag hat eines der weltgrößten Containerschiffe, die «CMA CGM Antoine de Saint Exupéry» (400 Meter lang, 59 Meter breit) erstmals den Hamburger Hafen besucht. Eine Attraktion war das schon.

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