«Spielen Sie Gott, Mr. Feinberg?»

Geld für ein verlorenes Leben

Foto: epa/Erik S. Lesser
Foto: epa/Erik S. Lesser

BERLIN (dpa) - US-Amerikaner sind prozessfreudig. Oft geht es vor Gericht um sehr viel Geld. Ein ebenso mächtiger wie umstrittener Anwalt spielt dabei eine große Rolle - Arte zeigt eine Dokumentation über ihn.

Viele Menschen wollen keinen Anwalt, brauchen aber einen. Schließlich ist es nicht immer einfach, die eigenen Rechte durchzusetzen. Von einem ganz speziellen Staranwalt erzählt die Dokumentation «Spielen Sie Gott, Mr. Feinberg?» («Playing God») am Donnerstag (18. Juli, 22.50 Uhr) auf Arte. Das Erste zeigt sie ebenfalls - am Mittwoch danach (24. Juli, 22.45 Uhr).

Herr Feinberg sitzt nachts oft allein zu Hause im Sessel, umgeben von etlichen gerahmten Fotos, die ihn mit bekannten Politikern zeigen. Im Fernsehen läuft ein alter Film, während eine Opernarie zu hören ist. «Ich sehe gern fern und höre dazu Musik», sagt er. «Das ist wie eine Flucht, denn am Tag sehe ich das Schlimmste der Zivilisation: Tod, Zorn, Frustration, Tragödien». Die Wagneropern am Abend sind das Kontrastprogramm dazu.

Kenneth Roy Feinberg (73) ist Anwalt in Washington, D.C. und sagt im Film, dass es nicht sehr fair sei, den Menschen, die ihre Liebsten verloren haben, einfach Geld zu geben - aber so sei nun mal das amerikanische System. In den USA soll möglichst viel Geld erlittenes Unrecht lindern. Doch wie will er den «Wert» für einen getöteten Menschen bemessen? Feinberg schaut sich vergleichbare Situationen an und legt dann eine Summe fest. Er spricht von einer «vagen Gerechtigkeit». Wie vage sie ist, zeigt sich umso mehr, als es für einen verunglückten Banker ungleich mehr Geld gibt als für einen Kellner oder Polizisten.

Dass der Verlust eines Menschen nicht einfach finanziell zu kompensieren ist, machen im Film die Äußerungen von Hinterbliebenen deutlich, die das Geld keineswegs glücklicher gemacht hat. Das gilt besonders für die vielen Tausend Angehörigen der Menschen, die bei den New Yorker Terroranschlägen am 11. September 2001 umgekommen sind. Diese Fälle haben Feinberg lange beschäftigt.

Autorin Karin Jurschik (59, «Krieg und Spiele») gibt mit ihrem vielschichtigen Porträt erhellende Einblicke in das Wertesystem eines Mannes und damit der USA, ohne es zu kommentieren. Sie lässt in ihrem sachlichen, differenzierten und breit recherchierten Film Feinberg selbst zu Wort kommen, vielleicht etwas zu ausführlich.

Auf viele wirkt Feinberg als herzloser Mann der Zahlen, der sich benimmt, als wäre er Gott. Dabei habe er doch lediglich das ausgeführt, was die Industrie oder die Politik vorgegeben habe, etwa die Entschädigungsregeln durch Steuergelder - wie er erklärt.

Feinberg sagt im Film auch, er sei Richter und Geschworene in einer einzigen und damit mächtigen Person, und er versuche, die vielen kalt wirkenden Berechnungen möglichst unabhängig zu erstellen. Nicht alle nehmen ihm das ab.

Sein Verhalten in seiner Rolle als Sonderberater wird demnächst einmal mehr nachzuprüfen sein, wenn es um die Klagen gegen den Konzern Bayer/Monsanto geht - und um mögliche Krebsrisiken von Unkrautvernichtungsmitteln mit dem Inhaltsstoff Glyphosat. Feinberg soll angesichts der Klagewelle gegen das Unternehmen einen Vergleich aushandeln.

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