Doping-Sumpf und Loyalitätskonflikt

​Schweizer «Tatort»-Ermittler

Foto: Daniel Winkler/Ard Degeto/SRF/dpa
Foto: Daniel Winkler/Ard Degeto/SRF/dpa

LUZERN (dpa) - Die Fäuste fliegen schon in der ersten Krimi-Minute: Der Schweizer «Tatort» spielt im Box- und Dopingmilieu. Er zeigt auch, dass selbst Kommissare vor Erpressung nicht gefeit sind und Dummheiten machen.

Der Krimi als Psycho-Drama: Die Schweizer Kommissare ermitteln im nächsten «Tatort» aus Luzern vor einer Riesenleinwand in ihrem Büro, auf der sie einer jungen Frau beim Verdursten zusehen müssen. Die Frau sitzt in einem Verlies an unbekanntem Ort, und der, der sie eingesperrt hat, wurde erschossen. Den Videofeed aus dem Kerker haben die Ermittler auf dem Laptop des Toten gefunden. Die gut 88 Krimiminuten sind keine Verbrecherjagd, sondern ein Wettlauf gegen die Zeit, um die Frau zu retten.

Der Tatort «Ausgezählt», den das Erste als letzten vor der Sommerpause am Sonntag (16. Juni) um 20.15 Uhr zeigt, spielt im Boxer- und Dopingmilieu. Eine durch Doping kranke Boxerin stirbt im Ring an einem Herzinfarkt. Ihre Gegnerin, Martina Oberholzer (Tabea Buser), ist schockiert. Sie will Schluss machen mit dem Dopen und auspacken. Dabei hat sie die Rechnung aber ohne ihren Manager Sven Brügger (Urs Humbel) gemacht. Der will Kasse machen: «Was Besseres gibt's doch gar nicht: Tina the Killer», so will er Oberholzer nun vermarkten. Er will sie durch das Einsperren weichklopfen und zum Weitermachen zwingen.

Der Onkel der Boxerin, Heinz Oberholzer (Peter Jecklin), Ex-Polizist aus Zürich, bekommt Wind von der Sache, stellt den Manager und erschießt ihn im Affekt, wie er dem Ermittlerduo Liz Ritschard (Delia Meyer) und Reto Flückiger (Stefan Gubser) am Tatort sagt.

Die Suche nach der Boxerin kommt filmisch nicht so recht voran. Es tut sich wenig, kaum Action, viel Warten, und lange Einstellungen von Ritschard beim Joggen, Flückiger beim Nachdenken. So sieht man die Ermittler wenigstens noch einmal prominent. Es ist ihr vorletzter Fall: Die Schweizer «Tatort»-Fälle spielen ab Herbst 2020 in Zürich, mit den neuen Kommissarinnen Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler.

Die Spannung dieses Films liegt mehr in der mysteriösen Beziehung zwischen Ritschard und dem Onkel der Boxerin. Er war ihr Ausbilder. Flückiger spürt einen Loyalitätskonflikt bei der Kollegin, ahnt ein dunkles Geheimnis zwischen den beiden und lässt sich alte Akten kommen. Dass Oberholzer Ritschard «in der Hand hat», wie Flückiger feststellt, verleitet die Kollegin zu einer heiklen Dienstverletzung.

Flückiger wollte als Kommissar immer eher Sympathieträger, nie «Arschloch» sein, wie er der Zeitung «NZZ» kürzlich sagte. In dieser Folge erfüllen die Drehbuchschreiber seinen Wunsch voll und ganz: Er hilft der Kollegin aus der Patsche und bietet ihr auch noch eine Schulter zum Anlehnen an. Dass der Mörder am Ende ein ganz anderer war, dass es noch einen Toten und einen weiteren Täter gibt - es gerät in der Zweierkiste Ritschard-Flückiger fast zur Nebensache.

Dass Kommissar Flückiger der Gradlinige, der Solide ist, könnte zum Aus für das Ermittlerduo beigetragen haben, glaubt Schauspieler Gubser. «Das ist natürlich immer schwierig, denn eine solch normale Figur hat nichts, was die Leute sofort anspringt», meinte er.

Als Kommissar Flückiger 2010 antrat, präsentierte die ARD ihn nicht gerade als Charismatiker: «In seiner Freizeit ist er gerne in der Natur, bewegt sich, liebt die Berge.» Viel mehr erfuhr man nicht. «Delia Mayer und ich haben immer dafür gekämpft, dass unsere Rollen mehr Fleisch erhalten», sagte Gubser. «Das wurde uns irgendeinmal zugestanden, doch in meinen Augen zu wenig und zu spät.»

Der «Tatort» aus Luzern hat in Deutschland nie große Fangemeinden gehabt. Das liegt auch daran, dass der schweizerische Wortwitz nur in Schweizerdeutsch rüberkommt, so, wie die Krimis im Schweizer Fernsehen gezeigt werden. Für das deutsche Publikum gibt es aber die Hochdeutsch-Version, weil es die Mundart nur schwer verstehen würde - dabei geht so manches verloren.

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