Kulturschock auf Arte: «Nordkorea

Kunst im Schatten der Bombe»

"Nordkorea - Kunst im Schatten der Bombe" - "War of Art" zeigt den Künstler Morten Traavik (M) und seine Kollegen, die den Austausch mit Künstlern aus Nordkorea suchen. Foto: Tor Jørund F. Pedersen/Zdf/dpa

BERLIN (dpa) - Wer war schon einmal in Nordkorea? Kaum jemand. Eine kleine Gruppe Künstler bereiste das Land im Jahr 2017. Aber Kulturaustausch im Zeichen strikter Zensur ist eine schwierige Mission.

Das Kunstverständnis der westlichen Welt ist auf ein streng abgeschottetes Land wie Nordkorea schwer übertragbar. Dort herrscht strikte Zensur. Die diversen Strömungen der vergangenen über 100 Jahre werden in der Kunstakademie der Hauptstadt nicht vermittelt. Wer in der bildenden Kunst an der Hochschule in Pjöngjang aktiv ist, kopiert meist Gute-Laune-Fotomotive mit dem «obersten Führer» Kim Jong-un im Mittelpunkt oder fotografisch genau Anmut aus der Tierwelt - ohne einen Hauch von Abstraktion und individueller Note.

Umso komplizierter, ja fast aussichtslos ist die Mission, die sich der norwegische Künstler Morten Traavik in den Kopf setzte: Zusammen mit einer Handvoll anderer Kreativer aus der westlichen Hemisphäre plante er einen Kulturaustausch, bei dem ihm sein Landsmann Tommy Gulliksen, filmisch begleitete. Der jetzt 39-jährige Gulliksen lieferte mit «War of Art» sein Langfilmdebüt ab, von dem der deutsch-französische Kultursender Arte unter dem Titel «Nordkorea - Kunst im Schatten der Bombe» am Mittwoch (14. August) um 21.45 Uhr eine auf gut 50 Minuten gekürzte Fassung zeigt.

Unter den Kunstschaffenden der freien Welt, die nach längeren Verhandlungen im Spätsommer 2017 nach Nordkorea reisen durfte, war auch der Berliner Klangkünstler Nik Nowak, der sich gleich zu Beginn der einen Aufenthaltswoche eine kleine Eskapade erlaubte: Er überquerte ohne Aufpasser eine Straße und wurde zügig zurückgeholt und zurechtgewiesen: Das dürfe nicht noch einmal passieren. Später gestattete sich Nowak noch einen Alleingang, als sein Aufpasser nicht zum verabredeten Treffpunkt erschien - hinterher gab es wieder ein Donnerwetter, und der Deutsche gab klein bei, wohl auch im Interesse der gesamten Gruppe.

Die Kunst, die die Deutschen aus nordkoreanischer Hand zur Ansicht bekamen, war überschaubar: klassische Klaviermusik und Copy-and-Paste-Produktionen. Was die Europäer ablieferten, stieß nicht immer auf Interesse: Der Franzose Jean-Emmanuel Simoulin, der mit Blut druckt und Tinte aus Knochen herstellt, wurde von den Nordkoreanern nur belächelt, und Nik Nowaks Sounds aus der Hochfrequenz-Welt der Insekten fanden überhaupt kein Ohr beim für diesen Fall zuständigen Dozenten in Pjöngjang. Der legte den Kopfhörer sofort beiseite.

Einen starken Eindruck hinterlässt das Gespräch zwischen dem verbal geschickt operierenden Chinesen Quentin Shih und seinem jungen Aufpasser. Shih berichtete von zwei Männern Hand in Hand, die er gesehen habe. Homosexualität in Nordkorea? So etwas gebe es nicht, meinte Aufpasser Ham Chol-Hak. «Schwule und Lesben sind ein Produkt des Kapitalismus. Wir erziehen Menschen nur zu guten Dingen.»

Während die Schar Künstler in Pjöngjang weilte, testete Nordkorea eine Wasserstoffbombe - das Beben mit der Stärke 6,3 erreichte auch das Hotel. Wenig später schlug US-Präsident Donald Trump versöhnliche Töne an, und es kam zum ersten Treffen zwischen ihm und Kim Jong-un.

Was bleibt vom Unterfangen, Kunst nach Nordkorea zu bringen? Inhaltlich gab es für die Mission unter dem Lächeln der Gastgeber eine Klatsche. Bemerkenswert ist der Film aber wegen der kleinen Ereignisse am Rande und der verbalen Scharmützel.

Ob er noch einmal bei solch einem Experiment mitmachen würde, fragte das «Arte Magazin» den Berliner Nik Nowak. «Trotz der Einschränkungen konnten wir im Verhältnis zu Touristen etwas ausprobieren», sagte er. Viele Situationen dort hätte man ohne die Künstler aus dem Westen als Spiegel außerdem dokumentarisch nicht abbilden können.

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