Film im Ersten «Eine Klasse für sich»

Bildung mit Hindernissen

Plötzlich wieder zur Schule gehen: Für den Lehrer Fabian Sorge (Hans Löw) wird das zur Wirklichkeit in dieser Szene des TV-Films
Plötzlich wieder zur Schule gehen: Für den Lehrer Fabian Sorge (Hans Löw) wird das zur Wirklichkeit in dieser Szene des TV-Films "Eine Klasse für sich", der am Mittwoch 13.11.2019 im Ersten ausgestrahlt wird. Foto: Thomas Kost/Wdr/dpa

BERLIN (dpa) - Schon blöd, wenn der früher gehänselte Klassenkamerad plötzlich dein Chef wird und genau weiß, dass dein Abi gefälscht ist. Für Lehrer Fabian Sorge wird das zur Chance. Der Film «Eine Klasse für sich» fragt, was Bildung heißt und was man von anderen lernen sollte.

Eben war noch sein Unterrichtsfach Geschichte. Nun ist es sein Job. Vor Fabian Sorge, 42, der es als ostdeutsches Arbeiterkind zum Kölner Gymnasiallehrer gebracht hat, sitzt sein alter Schulrivale «Pummel» – jetzt als Herr Pumm vom Schulamt – und legt ihm sein angebliches Abizeugnis unter die Nase. «Sie sind durchs Abitur gefallen.» «Und was ist das?», fragt Sorge nervös lachend. «Eine Fälschung.»

Dank Lehrermangels bekommt er trotzdem eine Chance: Wenn er in einem Jahr sein Abitur nachholt, hat er seine Stelle zurück. Und so entspinnt sich der Fernsehfilm «Eine Klasse für sich». Das Erste zeigt ihn am Mittwoch (20.15 Uhr) als Teil der Themenwoche «Zukunft Bildung».

Wiedervereinigung, Migration, Aufstiegschancen, Existenzängste, Mietenwucher – der Film von Regisseurin Christine Hartmann lässt kaum ein sozialpolitisches Thema aus, das in Deutschland derzeit eine Rolle spielt. Als Vehikel dafür dient der zweite Bildungsweg, auf den der Film seinen Protagonisten schickt, um nebenher auch fürs Leben zu lernen.

Denn Sorge (Hans Löw, zuletzt mit Lars Eidinger in «All My Loving») muss nicht etwa mit Teenies die Schulbank drücken. «Das Abitur nachmachen? Was soll das denn sein? Feuerzangenbowle Teil zwei oder was?», fragt er empört. Stattdessen landet der Hüne im braunen Cordjackett an einem Erwachsenenkolleg – ob zufällig oder nicht als einziger Mann ohne Migrationshintergrund in einer Gruppe von Menschen, die in der gymnasialen Oberstufe keinen Platz für sich fanden.

Neben Sorge, der sich aus Gewohnheit erst wie selbstverständlich an den Lehrertisch stellt, sitzen da die junge Programmiererin Bingül (Yeliz Simsek), die gegen den Willen ihres Bruders Informatik studieren möchte, sowie Hellen (Johanna Gastdorf), eine Mutter in Existenznöten, die bei der Arbeit als Putzkraft Goethe liest. Ex-Fußballprofi Yusuf («4 Blocks»-Co-Star Sami Nasser) musste mit kaputtem Knie vom Platz als Klempner zum Bau («Scheißhäuser bauen») und will Ingenieur werden.

Außerdem ist da Alwara Höfels («Fack ju Göhte», «Tatort») als schlagfertige Idealistin Cora. «Du denkst auch, du bist der Einzige, der Probleme hat, oder?» wirft sie Sorge entgegen. Tatsächlich hat der vor allem Mitleid mit sich selbst: Statt vor der Klasse steht er nun im Burgerladen, die Ex hat einen Neuen, der Teenager-Sohn rebelliert, und das Schulgeld kann er auch nicht zahlen, woraufhin ihm eine weitere Lüge aus der Patsche hilft.

Aber dann macht ein stadtbekannter Immobilienmagnat das Kolleg dicht - eine Katastrophe für alle, die ihre Ersparnisse in die Ausbildung gesteckt hatten. Widerwillig begibt sich Sorge zu jedem einzelnen, um eine Lerngruppe auf die Beine zu stellen, und lernt dabei, hinter die Kulissen zu blicken. Auch bei Cora, die mehr mit dem Miethai zu tun hat, als es scheint.

Der Versuch, alle Themen ein bisschen anzuschneiden, führt dazu, dass kaum etwas vertieft wird. Interessante Gedanken verlieren sich schnell wieder, so etwa, dass Sorge aus Scham für seine DDR-Herkunft seinen Vornamen geändert hat, um nicht als «Ossi» zu gelten. Die Geschichte ist in weiten Strecken vorhersehbar – bis auf die Wendung auf den letzten Metern, die dafür umso filmreif abstruser ausfällt.

Doch die Bildungsreise des Protagonisten hat trotz mancher Schwächen eine spannende Dynamik. Der Film ist auch eine Art Schaukasten einer Gesellschaft, in der Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund sich oft nicht gehört oder benachteiligt fühlen. Ihnen gegenüber stehen diejenigen, die nicht wissen, wie es ist, weiblich zu sein oder kulturell hervorzustechen, deren Sorgen aber dennoch kleinreden und sich auch ohne böse Absicht vor allem selbst als Opfer wahrnehmen.

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