«Die Hälfte der Welt gehört uns»

das zähe Ringen der Frauen

Esther Schweins (l), in der Rolle von Emmeline Pankhurst, und Anke Retzlaff, als ihre Tochter Christabel, kämpfen mit Regenschirmen in einer Szene des Dokufilms «Die Hälfte der Welt gehört uns». Foto: Gebrüder Beetz Filmproduktion/Ndr/WDR/Arte/dpa
Esther Schweins (l), in der Rolle von Emmeline Pankhurst, und Anke Retzlaff, als ihre Tochter Christabel, kämpfen mit Regenschirmen in einer Szene des Dokufilms «Die Hälfte der Welt gehört uns». Foto: Gebrüder Beetz Filmproduktion/Ndr/WDR/Arte/dpa

BERLIN (dpa) - Vor 100 Jahren wurde in Deutschland das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Eine Dokumentation erzählt von vier mutigen Frauen.

Frauen stellen zwar nahezu überall auf der Welt die Hälfte der Bevölkerung, durften aber noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts praktisch nirgendwo zur Wahl gehen. Wie sehr sich einige von ihnen gegen diese Ungerechtigkeit und für das geheime, direkte und allgemeine Wahlrecht der Frauen - und auch für gleiche Löhne oder einen Studienplatz - eingesetzt haben, zeigt das zweiteilige Dokudrama «Die Hälfte der Welt gehört uns». Er ist an diesem Dienstag (20.15 Uhr) auf Arte und am 26. November (23.30 Uhr) im Ersten zu sehen.

Die französische Schauspielerin Marguerite Durand, gespielt von Jeanette Hain, stammte aus dem Pariser Bürgertum, jedenfalls auf dem Papier - ihre Mutter hatte sie allein großgezogen, was sie später mit ihrem Sohn ebenfalls machen sollte. 1897 gründete sie die nur von Frauen gemachte Zeitung «La Fronde» («Die Schleuder») und setzte sich für die Rechte der Frauen ein, genauso wie Emmeline Pankhurst (Esther Schweins) in England, die vier Kinder hatte, früh Witwe wurde und sich als Standesbeamtin durchschlug. Anita Augspurg (Johanna Gastdorf) galt als homosexuelle, streitbare Frauenrechtlerin und lebte vierzig Jahre mit ihrer Freundin Lida Gustava Heymann zusammen.

1908 trat die Arbeiterin und Sozialdemokratin Marie Juchacz (Paula Hans) in die SPD ein und gründete 1919 die Arbeiterwohlfahrt. Durch das Reichswahlgesetz vom 30. November 1918 wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt; im Februar 1919 zogen 41 Frauen in die Weimarer Nationalversammlung ein, und hier durfte Marie Juchacz als erste Frau überhaupt vor einem deutschen Parlament sprechen. Bis dahin waren Frauen dazu da, Kinder zu bekommen, den Haushalt zu machen und das Essen pünktlich auf den Tisch zu bringen. Rechte hatten sie keine, eine ebenso bornierte wie tradierte Männergesellschaft bestimmte über ihr Leben - erst recht über das von Hausangestellten, die oft von ihren Dienstherren geschwängert wurden und dann völlig recht- und mittellos dastanden.

Alle vier Frauen waren gebildet und prominent, kämpften energisch und redegewandt für das allgemeine Frauenwahlrecht - viele andere Unbekannte waren ähnlich mutig und opferten ihre Familie, ihr Geld, sogar ihr Leben. Die meisten wurden belächelt und verspottet, wie im Film gezeigt, als «Lesbierinnen, Amazonen, alte Jungfern und hysterische Weiber» verunglimpft, geschlagen, verhaftet und eingesperrt. Journalisten und Politikern waren sie ebenso verhasst wie dem sogenannten höheren Bildungsbürgertum. Die Revolution der Frauen konnten sie allesamt wohl etwas verschieben, aber letztlich nicht verhindern. Die Emanzipation nahm ihren Anfang, Mitbestimmung und Menschenrechte sollten nun endlich auch für die Frauen gelten.

Autorin und Regisseurin Annette Baumeister («Stasi auf dem Schulhof», «Erich Kästner - Das andere Ich») zeigt anhand der parallel erzählten und inszenierten Lebensgeschichten von vier unbeirrbaren Frauen, dass es ihnen vor allem um Ansehen und Respekt für ihr Dasein und ihre Arbeit und ein selbstbestimmtes Leben ging. Sie blendet dazu historische Fotos und Filmszenen ein. Die Dialoge im Film sind messerscharf («Was kümmert mich Bildung, wenn wir nicht wählen dürfen?») und transportieren nebenbei Wissen («Frauen wurden mit der Ehe praktisch entmündigt.»).

Es bleibt noch viel zu tun: Im derzeitigen Deutschen Bundestag machen weibliche Abgeordnete weniger als ein Drittel aus. Das Frauenwahlrecht wurde in Italien erst 1946, in der Schweiz 1971 und in Liechtenstein sogar erst 1984 eingeführt, und in vielen anderen Ländern der Welt wird Frauen das Wahlrecht bis heute verwehrt.

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