Zukunftsangst oder Zuversicht?

Zukunftsangst oder Zuversicht?

Angst lähmt und ist ein schlechter Berater in allen Lebenslagen.  Sie steckt den Menschen von Anfang an im Blut, um ihn vor lebensgefährlichen Risiken zu warnen und zu bewahren. Unseren Urahnen drohten viele Gefahren. Fast schutzlos waren sie wilden Tieren, fremden Stämmen und den Naturgewalten ausgesetzt.

Angst ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Gefühlsregungen, die als depressive, zwanghafte, hysterische oder schizoide Grundformen unverkennbar auf Tendenzen zu Krankheiten hinweisen. Das ist ein weltweites Phänomen, das sich auch an der Zahl der alljährlichen Suizide ablesen lässt.

Umfragen in Deutschland haben ergeben, dass ein Drittel der Bevölkerung – zumindest teilweise – in Angst lebt. Veränderungen in verschiedenen Bereichen sind dafür die Auslöser: Ein Wandel der Lebensumstände, Berufsverlust, Preissteigerungen, Versagensphobien, die Vielzahl der Migranten oder Kriegsangst.

Es gibt Menschen, die sich bewusst in höchst riskante Situationen begeben, um ihre Angststörungen zu beheben. Sie erleben den Thrill beim Surfen vor Monsterwellen, den Kick beim Gleitschirmfliegen im Gebirge oder beim Sprung von hohen Klippen ins Wasser. Turbulenzen, unerwartete Hindernisse oder Kollisionen kosten manchem übermütigen „Helden“ dabei das Leben. Aber diese Erfahrung überstanden und bewältigt zu haben, kann zur Steigerung des Lebensgefühls und zur Überwindung von Angstphasen führen.

Angst hat im Überlebenskampf der Menschen eine wichtige Funktion, indem sie uns hilft, auf vermeintliche oder tatsächliche Gefahrenmomente angemessen zu reagieren. Ich hatte als Kleinkind eine Heidenangst vor der Dunkelheit. Bis ich eingeschlafen war, durfte meine Mutter die Tür zum anschließenden Wohnzimmer nicht schließen, damit ein Lichtstrahl in meinen Schlafraum fiel. Meine jüngere Schwester hatte eine unüberwindliche Angst vor Spinnen. Ich gebe zu, dies manchmal ausgenutzt zu haben, um mir Vorteile zu verschaffen.

Viele junge Menschen machen sich Sorgen um ihre Zukunft und fragen sich, schon bevor sie ins Berufsleben einsteigen, ob ihre Rente später ausreichen wird, um ihre Exis­tenz im Alter zu sichern. Junge Erwachsene stellen sich oft die lebenswichtige Frage, ob sie angesichts der aktuellen Weltlage das Risiko eingehen sollen, Kinder zu zeugen. Dürfen sie diesen Kindern eine Zukunft zumuten, die von allen Seiten bedroht ist? Menschen im Rentenalter fürchten sich vor dem Alleinsein nach dem Tod des Ehepartners, vor den Kosten eines Seniorenheims oder vor Obdachlosigkeit, vor einem Ende auf der Straße. Bei allem Verständnis für diese Ängste und Sorgen frage ich mich, ob es keine Möglichkeiten gibt, selbst etwas dagegen zu tun.

Ich denke dabei nicht an Selbstüberwindungen durch Fallschirmspringen, Apnoetauchen oder Seiltanzen über Marktplätzen. Ich denke an einen Waldspaziergang, an einen Zoobesuch oder an ein Treffen mit Behinderten – alles Mittel und Wege, um seine eigene Angst und Verzagtheit zu vergessen.

Ich habe Menschen kennengelernt, die es ganz offensichtlich genießen, in negativen Denkmustern zu verharren und die sich die Zukunft schlimmer ausmalen als sie jemals sein wird. Ich vermisse die Fröhlichkeit und Hoffnungsfreude eines Martin Luther, der sagte: „Selbst wenn ich wüsste, dass die Welt morgen in Stücke zerfällt, würde ich immer noch meinen Apfelbaum einpflanzen.“

Wenn ein Drittel der Befragten Deutschen manchmal in Angst lebt, so sind doch zwei Drittel vermutlich froh und munter, zumindest mit ihrem Leben zufrieden. Warum zeigen sie ihre Zuversicht nicht, indem sie wie die Thais lächeln? Lächeln macht schön.

Die Frage, die ich in der Überschrift dieser Kolumne gestellt habe, beantworte ich mit einem Zitat von Erich Kästner:

„Wird's besser?
Wird's schlimmer?
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich:
Leben ist immer
lebensgefährlich.“

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