Zeltstadt in Paris für Migranten - Hilfsorganisationen schlagen Alarm

Migranten in Paris. Archivfoto: epa/Yoan Valat
Migranten in Paris. Archivfoto: epa/Yoan Valat

PARIS: In Frankreich leben viele Migranten auf der Straße - am Pariser Stadtrand gibt es Zeltcamps. Um das Problem sichtbar zu machen, haben Helfer Zelte nun mitten in der Stadt aufgestellt. Und ein Gericht fällt ein hartes Urteil über Frankreichs Umgang mit Migranten.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Frankreich wegen «erniedrigender Behandlung» von Migranten verurteilt. «Sie schliefen auf der Straße, hatten keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen, verfügten über keinerlei Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts und hatten ständig Angst, überfallen oder ausgeraubt zu werden», erklärte der Gerichtshof mit Sitz in Straßburg am Donnerstag. Die Behandlung der Kläger lasse einen «Mangel an Respekt vor ihrer Würde» erkennen.

Geklagt hatten ursprünglich fünf asylsuchende Männer, drei Klägern gab das Gericht schließlich recht. Es stellte fest, dass die Männer während des Asylverfahrens teils auf der Straße leben mussten - etwa in Zelten. Vor allem in Paris gibt es am Stadtrand riesige Lager, in denen Migranten an der Autobahn leben. Sie sind auf die Unterstützung von Helfern angewiesen. Die Lager, in denen oft mehr als 1000 Menschen leben, werden immer wieder von der Polizei geräumt.

Im Zentrum von Paris soll derzeit eine Aktion von Hilfsorganisationen auf die besonders schwierige Situation minderjähriger Migranten aufmerksam machen. Vor einigen Tagen haben Helfer mitten in der Innenstadt eine kleine Zeltstadt errichtet, in der nun mehr als 70 junge Männer leben. Sie werfen dem Staat vor, gegen die UN-Kinderrechtskonvention zu verstoßen.

«Das ist kein Feriencamp» steht am Tor des kleinen Parks wenige Schritte vom Place de la République entfernt. Darin stehen in Reih und Glied Dutzende rote und blaue Zelte, in der Mitte ein Pavillon. Die jungen Männer stammen größtenteils aus Westafrika - viele sind allein nach Frankreich gekommen. «Diese Menschen müssen sichtbar gemacht werden», sagt Agathe Nadimi von der Hilfsorganisation Midies du Mie.

In Frankreich kann die Prozedur, als minderjährig anerkannt zu werden, Monate dauern. In der Zwischenzeit werden die Geflüchteten anders als in Deutschland nicht als Minderjährige betrachtet und entsprechend nicht untergebracht und versorgt. Die Folge: Sie leben häufig auf der Straße. In Deutschland werden die jungen Menschen in staatliche Obhut genommen - auch wenn eine Prüfung noch aussteht.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) fordert, dass die jungen Menschen in Frankreich sofort ab der Ankunft geschützt werden. «Sie kommen, sie sind isoliert und wir isolieren sie noch mehr», moniert Corinne Torre von MSF. «Sie kommen mit einem Traum nach Frankreich, nämlich zur Schule zu gehen.» Das werde ihnen aber verwehrt, denn Frankreich mache ihnen die Anerkennung als Minderjährige so schwer wie möglich. Diese Anerkennung sei aber die Grundlage, um zur Schule gehen zu können.

Einer, der so einen Traum hat, ist André. Der junge Mann gibt an, 17 Jahre alt zu sein und aus der Elfenbeinküste zu kommen. Seit vergangenem Dezember ist er in Frankreich; er war mit dem Boot nach Europa gekommen. Zuerst war er in Italien, doch wegen der Sprache kam er nach Frankreich. Er hat sich dort registriert - wurde aber nicht als minderjährig anerkannt. André hat Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Nun wartet er. Sein Traum: Sport in Frankreich studieren. «Ich spiele gern Fußball», sagt André.

«Warum verweigern wir ihnen den Zugang zur Schulbildung?», fragt Torre von MSF. In vielen anderen Ländern gebe es diese Problematik nicht. «Frankreich ist das schwarze Schaf.» Nach Angaben von MSF besteht eine hohe Fehlerquote bei der Entscheidung darüber, ob jemand minderjährig ist oder nicht. Demnach wurden 56 Prozent der Jugendlichen, die 2018 von MSF begleitet wurden und gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt haben, schließlich als minderjährig anerkannt.

Die Stadt Paris ist überlastet. «Die Départements Seine-Saint-Denis und Paris machen zusammen fast die Hälfte der Beurteilungen von Jugendlichen aus, die sich in Frankreich als minderjährig und unbegleitet erklären», teilte die Stadt auf Anfrage mit. Seine-Saint-Denis umfasst die nordöstlichen Vororte von Paris. Man habe der Regierung immer wieder vorgeschlagen, mit den Départements im ganzen Land zusammenzuarbeiten. So könne man eine «würdige Aufnahme und angemessene Betreuung», aber auch eine «gerechte Verteilung» sicherstellen.

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