Zeitungen zum Geschehen am Montag
«Frankfurter Rundschau» zu Bidens Vorstoß für die Zwei-Staaten-Lösung in Nahost
Im öffentlichen Vorstoß von Joe Biden für eine Zwei-Staaten-Lösung schwingt Verzweiflung mit.
Denn neu dürfte dem US-Präsidenten das verklausulierte Nein des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu kaum gewesen sein. Dessen Skepsis, die geplante militärische Verantwortung Israels im Gazastreifen und die mangelnde Akzeptanz der palästinensischen Autonomiebehörde als möglichen Partner lassen nichts Gutes vermuten. Vielmehr nährt es die Befürchtungen, dass sich nach dem Verteidigungskrieg gegen die Hamas in Israel jene Kräfte durchsetzen, die seit langem durch die Siedlungspolitik im Westjordanland Palästinenserinnen und Palästinensern nicht nur immer mehr Land abnehmen wollen, sondern ein Israel vom Jordan bis zum Meer anstreben. Gegen diese Ein-Staaten-Lösung stemmt sich Biden zu Recht. Sie würde den Widerstand in den Nachbarstaaten wachsen lassen und die Gefahr eines Flächenbrandes vergrößern. Schon deshalb sollten Deutschland und die anderen EU-Staaten Biden unterstützen.
«Stuttgarter Zeitung» zu Landesparteitag der baden-württembergischen CDU
Die gute Stimmung in der Landes-CDU ist ein Wechsel auf die Zukunft.
Die Aussichten auf Wahlerfolge in Bund und Land fördern das verträgliche Miteinander in der Partei ungemein. Zudem scheint es so, als ob sich alte Feindschaften allmählich biologisch verflüchtigten. Bei alledem gilt es zu vermerken, dass sich die Christdemokraten auf ihrem Parteitag recht anständig präsentierten. Man muss sich ja nur umschauen: In Frankreich suchen die Konservativen in Gestalt der LesRépublicaines ihr Heil in einem scharfen Rechtskurs. In Spanien sind sie bereit zur Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen. Die britischen Konservativen bewiesen auf ihrem jüngsten Parteitag ein hohes Querdenker-Potenzial. In Italien regieren Neofaschisten. Wenn Hagel daher die CDU als die «große Volkspartei der Mitte» erhalten will, kann man dies zwar als Leerformel abtun. Das wäre indes fatal. Die CDU hat einen Auftrag zu erfüllen: die demokratische Stabilisierung Deutschlands und damit Europas. Sie darf nicht nach rechts kippen.
«Handelsblatt» zu Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Die Folgen des historischen Urteils reichen bis in die Zeit der Großen Koalition zurück.
Und sie sind immer mit einem Namen verbunden: Olaf Scholz. Der heutige Kanzler hatte im Jahr 2020 als Finanzminister ungenutzte Corona-Notkredite in Höhe von 26 Milliarden Euro in den Klimafonds verschoben. Das Finanzministerium lässt nun prüfen, ob auch diese Milliarden dem Klimafonds entzogen werden müssen. Auch war es Scholz' Idee, in der Ampelregierung den Trick noch mal im größeren Umfang anzuwenden. Dazu gab es eine zweite Panne: Auf Drängen von Finanzminister Christian Lindner beging die Ampel bei Gründung des WSF im Herbst 2022 den wohl folgenschweren Fehler, nicht auch für 2023 eine Notlage auszurufen. Zur kurzfristigen Heilung dieses Problems bleibt der Ampel eigentlich nur, die Schuldenbremse nun nachträglich für 2023 auszusetzen. Dieses Manöver würde jedoch neue rechtliche Zweifel aufwerfen. Und neue Klagen.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Austausch israelischer Hamas-Geiseln
(...) Die Wahl, vor der Israels Regierung (...) in künftigen Verhandlungen über die Geiseln stehen wird, könnte bitterer kaum sein.
Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, das Leben zumindest einiger dieser unschuldigen Menschen zu retten, auf der anderen Seite die Gefahr, dass die Hamas nicht nur durch den Austausch selbst gestärkt wird, sondern eine Waffenruhe Israels Armee das Momentum nimmt und die Terroristen sich neu aufstellen können, was das Leben vieler Soldaten kosten könnte. Es ist eine Entscheidung, bei der es kein Richtig oder Falsch gibt, die aber dennoch getroffen werden muss. Am Ende steht diese Wahl auch für die vielen Entscheidungen, die Israels Regierung treffen müsste, um eine friedliche Lösung im Nahen Osten möglich erscheinen zu lassen. (...).
«The Observer»: Sunak verfolgt eine populistische Strategie
LONDON: Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak will seinen Asyl-Pakt mit Ruanda nach der Niederlage vor dem Obersten Gericht per «Notfall-Gesetzgebung» durchsetzen. Dazu meint die Londoner Sonntagszeitung «The Observer»:
«Unklar ist dabei auch, wie die Gesetzgebung eine weitere Anfechtung neu formulierter Regelungen vor den Gerichten Großbritanniens verhindern oder wie die Regierung so ein Gesetz im nächsten Jahr durch das Oberhaus des Parlaments bringen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung noch vor den Parlamentswahlen mit Abschiebungen nach Ruanda beginnen könnte, ist verschwindend gering. (...)
Es entsteht der Eindruck, dass die wahre Absicht des Premierministers nicht darin besteht, die kleinen Boote mit Flüchtlingen zu stoppen, sondern einen Streit mit den Richtern anzuzetteln - in der verzweifelten Hoffnung, dass die Wähler dann anderen die Schuld für das Versagen der Regierung in der Asylpolitik geben werden. Das ist eine populistische Strategie mit Anklängen an den Brexit: jemand anderem die Schuld an der Misere eines Landes geben. Eine Lösung vorschlagen, von der man behauptet, sie sei die Antwort auf alles, die es aber gar nicht gibt, und die Wähler davon überzeugen, dass man die einzige Person ist, die sie umsetzen kann. Doch die schlechten Umfragewerte der Konservativen sollten als Warnung dienen, dass eine solche Strategie mittelfristig nicht funktioniert.»
«NZZ am Sonntag»: Briten verlieren Glauben an die Politik
ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert die Ernennung von Ex-Premierminister David Cameron zum neuen Außenminister Großbritanniens:
«Was wie ein schlechter Witz klingt, ist ernst. Mit der Ernennung des ehemaligen Regierungschefs will Sunak offenbar die traditionellen Tory-Wähler im Süden bei der Stange halten. Tatsächlich schadet er aber der konservativen Sache, und noch schlimmer: der Politik an sich. David Cameron hat als Premierminister mit seinem unüberlegten und schlecht vorbereiteten Brexit-Referendum Großbritannien in eine tiefe Krise gestürzt, aus der es bis heute nicht herausgefunden hat. Nach der verlorenen Abstimmung verabschiedete sich Cameron von der Politik.
Gute Verlierer machen Platz für neue Köpfe. Doch nun, sieben Jahre später - nachdem er weder als Autor noch als Financier noch als Lobbyist reüssierte -, kommt er zurück nach Whitehall, als sei nichts gewesen. Was ist das bloß für eine Botschaft an die britischen Wähler? Für Fehler und Niederlagen müssen die normalen Leute zahlen, nicht aber die Politiker. Kein Wunder, verlieren die Britinnen und Briten den Glauben an die Politik. Und wählen dann gar nicht mehr - oder echte Clowns wie Boris Johnson.»