Zeitungen zum Geschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
Foto: Adobe Stock/©elis Lasop

«Stuttgarter Zeitung» zu Krawallen bei einer Eritrea-Veranstaltung

Wie konnte eine solche Situation überhaupt entstehen? Agierte die Stadt zu blauäugig? War die Polizei nicht ausreichend vor dem Gewaltpotenzial gewarnt, das sich erst vor wenigen Wochen bei einer Eritrea-Veranstaltung im hessischen Gießen in ähnlicher Weise entladen hatte? Und was heißt das alles für die Integrationspolitik der Landeshauptstadt, auch wenn man berücksichtigt, dass offensichtlich etliche der Täter eigens für die Randale angereist sind? Mit solchen Angriffen wird gewaltsam Hand an das gelegt, was hier über Jahre hinweg aufgebaut wurde: das friedliche Zusammenleben vieler Nationalitäten.

Dieses hohe Gut gilt es zu verteidigen und immer wieder neu sicherzustellen. Die Ereignisse vom Samstag sind ein Alarmsignal für die Stadt und das Land.


«Münchner Merkur» zu Söder/Aiwanger/Asyl

Buße tun, Reue zeigen.

Das sei es, was er jetzt von seinem Stellvertreter Aiwanger erwarte, sagte Bayerns Ministerpräsident Söder bei der Verkündung von dessen Weiterbeschäftigung. Doch die Rolle des demütigen Sünders kommt in Aiwangers Drehbuch nicht vor. Stattdessen geht er Söder und seiner CSU jetzt auch in der Asylpolitik an die Gurgel. Sie trügen eine «ganz klare Mitschuld» am Ausmaß der illegalen Migration, giftet der Freie-Wähler-Chef Richtung Koalitionspartner. Der gerissene Volkstribun bringt die CSU in eine prekäre, ja existenzbedrohende Lage. Schon kursiert bei den Strauß-Erben ein Schreckensszenario: Es ist möglich, dass Aiwanger der CSU so viele Stimmen abjagt, dass diese wegen des neuen Wahlrechts 2025 den Einzug in den Bundestag verfehlt, wohingegen die bundesweit antretenden Freien Wähler auf der Woge von Aiwangers neuer Popularität den Sprung ins Parlament schaffen könnten. Das wäre ein Desaster nicht nur für die CSU, sondern auch für die Stabilität der politischen Mitte Deutschlands.


«Frankfurter Rundschau» zu Jahrestag des Todes von Jina Mahsa Amini in Iran

Ein Regime, das Angst vor seiner eigenen Bevölkerung hat, ist ein schwaches Regime, selbst wenn es sich demonstrativ stark gibt.

Die Mullah-Herrscher in Iran haben am Wochenende erneut gezeigt, dass sie Angst vor Frauen haben, die auf die Straßen gehen. Sie haben die öffentliche Erinnerung an den Tod von Jina MahsaAmini in ihrem Land durch massive Präsenz von Einsatzkräften kleingehalten. Doch die junge Frau, die angeblich ihr Kopftuch nicht richtig getragen hatte und im Polizeigewahrsam ihr Leben verlor, bleibt eine Symbolfigur für Frauen, Leben und Freiheit weltweit. Der Mut der Iranerinnen ist inspirierend - und er muss auch politische Folgen haben. Doch leider hat das Regime in Teheran gerade erst wieder eine Aufwertung erfahren, durch seine Aufnahme in die Gruppe der Brics-Staaten um Russland und China. Autoritäre Regime stützen sich gegenseitig und breiten sich in der Weltpolitik aus. Doch die Entwicklung im Iran zeigt auch: Wo es Unterdrückung gibt, wird der Ruf nach Freiheit nicht aufhören.


«La Vanguardia»: Fehlende europäische Solidarität mit Italien

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Sonntag die Migrantenkrise auf Lampedusa:

«In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden 519.000 Asylanträge für die EU gestellt. Die kleine, völlig überforderte italienische Insel Lampedusa ist ein Paradebeispiel für die Folgen. Italiens rechtsextreme Ministerpräsidentin Georgia Meloni wollte ihre Anti-Einwanderungspolitik umsetzen, aber die Realität machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Die verzweifelte Forderung Lampedusas nach sofortigem Handeln des italienischen Staates und der EU ist mehr als berechtigt.

Aber es geht um ein globales Problem, das kein Land allein bewältigen kann. Meloni betont, dass Migration «eine gemeinsame Herausforderung» für die EU sei. Doch die Antwort, die sie vorerst bekommen hat, ist die Entscheidung Deutschlands, vorübergehend Asylbewerber aus Italien abzulehnen, während Macron zwar «eine Pflicht zur europäischen Solidarität» mit Italien betont, aber die nationalistischen Positionen der Meloni-Regierung kritisiert. Diese «europäische Solidarität» bleibt damit angesichts nationaler Interessen auf der Strecke.»


«NZZ am Sonntag»: Tunesiens Staatschef pokert

ZÜRICH: Zur EU-Asylpolitik meint die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag»:

«Die EU hat ihre Asylpolitik nach Jahren des Stillstands verschärft. Ungarn und Polen mögen die Reform nicht mittragen, weil sie ihnen nicht weit genug geht, doch die Pflöcke sind eingeschlagen. Asylverfahren noch an den Außengrenzen der EU und rasche Abschiebungen sind das Ziel.

Wege für eine legale Immigration von Arbeitskräften sind dafür geöffnet worden. Selbst das rechts regierte Italien hat Quoten von jährlich über 270.000 Einwanderern festgelegt. Und Brüssel schloss einen Pakt mit dem autokratisch regierten Tunesien. Schlepper sollen verfolgt, Migranten an der Überfahrt gehindert, Abgeschobene zurückgenommen werden.

Die EU und Tunesien müssen den Vertrag noch aushandeln, von den versprochenen Hunderten Millionen von Euro ist nichts geflossen. Der Staatschef Kais Saied pokert. Er will bessere Bedingungen, weniger Einspruch gegen die Verletzung von Menschenrechten in seinem Land. Er ist der Profiteur dieser neuen Krise. Das ist der Preis einer regulierten Migration.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.