Zeitungen zum Geschehen am Samstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
Foto: Pixabay/Gerd Altmann

«Corriere della Sera»: FDP plant Kanzlersturz mit Powerpoint

MAILAND: Die italienische Zeitung «Corriere della Sera» meint zum Zustand der FDP:

«Acht Seiten Powerpoint-Präsentation: nur Text, im klassischsten Kanon deutscher Strenge und des Formalismus. So sah der Plan aus, die Ampel-Regierung des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Olaf Scholz abzusetzen. Die FDP-Liberalen nannten es «D-Day».

Das Ziel, Scholz zu stürzen, ist nun erreicht. Jetzt geht es darum, mehr als fünf Prozent zu erreichen und im Bundestag zu bleiben. Dieser jüngste Skandal hat eine Welle der Kritik ausgelöst und auch Heiterkeit (vor allem wegen der Tatsache, dass die FDP so technokratisch ist, dass alles von oben herab geregelt werden muss) sowie zum Rücktritt von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai geführt.»


«The Times»: Ermöglichung von Suizid macht den Staat zum Mörder

LONDON: In einer ersten Abstimmung über die Legalisierung von Sterbehilfe hat im Unterhaus des britischen Parlaments eine Mehrheit dafür votiert. Die Londoner «Times» lehnt das Vorhaben am Samstag entschieden ab:

«Der Rubikon ist überschritten. Der Grundsatz der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, die zentrale moralische Prämisse dieser Gesellschaft, existiert nicht mehr. Er wurde nach wenigen Stunden Debatte und einer freien Abstimmung im Unterhaus über einen Gesetzentwurf abgeschafft, der falsch konzipiert ist und dem es an wesentlichen Details mangelt. Ein Staat, der sich seit der Abschaffung der Todesstrafe im Jahr 1965 selbst das Recht verweigert hat, Leben zu nehmen, ist dabei, diese Macht wiederherzustellen. Diesmal wird sie nicht von Henkern, sondern von Ärzten ausgeübt, die in tödlichen Medikamenten geschult sind.

Da die Befürworter des Gesetzes über das Lebensende unheilbar kranker Erwachsener die Zweifler überzeugen müssen, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Ärzte das Gift (und nichts anderes ist es, denn ein Medikament ist eine heilende Substanz) nicht direkt verabreichen. Stattdessen muss sich die Person, die Suizid begehen will (und genau darum geht es hier), die tödliche Dosis selbst verabreichen. Doch das ist eine reine Formsache: Durch die Ermöglichung eines Suizids wird der Staat wieder zum Mörder.»


«The Guardian»: Historisches Votum nach respektvoller Debatte

LONDON: Zur ersten Abstimmen im britischen Unterhaus über eine Legalisierung von Sterbehilfe meint der Londoner «Guardian» am Samstag:

«Dies ist eine tiefgreifende, historische Entscheidung, die eine sorgfältige weitere Prüfung erfordert. Das Parlament hat sich mit der Weiterleitung der Vorschläge in die nächste Phase der Beratungen von seiner besten Seite gezeigt. Die Debatte war von Nüchternheit und der willkommenen Abwesenheit von parteipolitischem Gezänk gekennzeichnet. Die Abgeordneten gingen mit Demut an das Thema heran und zeigten Respekt für jeden Beitrag, unabhängig von der jeweiligen Haltung.

Das zentrale Spannungsfeld zwischen individueller Autonomie und gesellschaftlicher Verantwortung wurde in der Diskussion deutlich herausgestellt. Die Abgeordneten haben zu Recht weitere eingehende Prüfungen, Debatten und mögliche Änderungen zugelassen, um sicherzustellen, dass das Gesetz über die Sterbehilfe sowohl ethische Bedenken als auch praktische Sicherheitsvorkehrungen effektiv berücksichtigt. Der Wunsch, Leiden zu lindern, ist zutiefst überzeugend. (...) Die Debatte unterstrich die Notwendigkeit von Einigkeit und Anstrengungen, um sicherzustellen, dass jede Gesetzgebung ethisch und fair ist und die Schwächsten der Gesellschaft schützt.»


«de Volkskrant»: Europäer müssen mehr für die Verteidigung tun

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» plädiert am Samstag für größere Verteidigungsanstrengungen der europäischen Nato-Staaten:

«Sicher ist, dass die Europäer eine viel größere Rolle spielen müssen. Die gute Nachricht ist, dass diese Einsicht - außer in Südeuropa - weithin vorhanden zu sein scheint. Zwar bildet Deutschland unter (Bundeskanzler Olaf) Scholz und mit der bevorstehenden Bundestagswahl vorerst ein politisches Vakuum im Herzen Europas, aber andere große Länder - Polen, Frankreich und Großbritannien - versuchen, voranzugehen, ebenso wie die nordischen Länder, die baltischen Staaten und die Niederlande.

Das Engagement der USA ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung, aber es wird sich in seinem Charakter wesentlich ändern. Die Europäer werden anfangen müssen, viel mehr in ihre eigene Verteidigung und die der Ukraine zu investieren. (...)

Die europäischen Staaten stehen vor großen politischen, finanziellen und moralischen Entscheidungen, die sich aus Versäumnissen der letzten 30 Jahre im Bereich der Sicherheit ergeben. Die Gefahr ist groß, es steht viel auf dem Spiel. Aber wenn die Ukraine aus diesem Krieg nicht souverän, frei und sicher für den Wiederaufbau hervorgeht, stehen auch für Millionen und Abermillionen andere Europäer dunkle Zeiten bevor.»


«NZZ»: Wirtschaftslage im Mittelpunkt der Bundestagswahl

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» blickt am Samstag voraus auf die vorgezogene Bundestagswahl:

«Die Wirtschaftslage steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung, und sie ist nicht gut. Das Bruttoinlandsprodukt stagniert, Vorzeigebranchen wie die Autoindustrie, die Chemie und der Maschinenbau verzeichnen Produktionsrückgänge. Der Export schwächelt, und die Binnennachfrage stockt. (.)

Scholz spekuliert auf ein Winterwunder und auf eine Aufholjagd wie vor der letzten Bundestagswahl. Damals hatte er die Nase vorn. Wahrscheinlich ist das diesmal nicht. Dafür ist die Lage zu schlecht und der Ruf des Kanzlers zu ramponiert. SPD, Grüne und FDP werden deutlich Stimmen verlieren und in der Niederlage ein letztes Mal vereint sein. Aber ein Beben bleibt in Berlin aus. Die Amerikaner entschieden sich für Trump und damit für die Disruption. Die Deutschen sind milder. Disruption liegt ihnen nicht.

Das spürt auch der künftige Kanzler Friedrich Merz. Weil ihm das Etikett des fiesen Blackrock-Kapitalisten anhängt, legt er ein wachsweiches Wirtschaftsprogramm vor. (.) Das ist taktisch klug, wird ihn aber nach den Wahlen in die Bredouille bringen. Der voraussichtliche Koalitionspartner SPD wird Merz auf alle Zugeständnisse und Kompromisse festnageln, die er bereits gemacht hat. Für eine zeitgemäße Reformpolitik ist die Ausgangslage denkbar schlecht.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.