«Die Presse»: Orban als Klebstoff zwischen den Blöcken
WIEN: Trotz aller Alleingänge des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban sollte die EU die Beziehungen zu dem unbequemen Partner nicht einfrieren, meint die österreichische Tageszeitung «Die Presse»:
«Ungarns Ministerpräsident hofiert Autokraten aus aller Welt, während er der EU auch wirtschaftspolitisch auf der Nase herumtanzt. Die EU kann sich Orbans doppeltes Spiel aber auch zunutze machen. (...)
Trotz all der berechtigten Kritik sollte man anerkennen, dass er der demokratisch gewählte Regierungschef eines europäischen Landes ist. Wir sollten uns also weiterhin bemühen, Ungarn in der Einflusssphäre eines demokratischen Europas zu halten. Der Gedanke mag naiv erscheinen, aber vielleicht kann Europa ein gezähmter Viktor Orban noch irgendwann nützlich werden. Etwa als Bremser beim Hochfahren von handelsbeschränkenden Wirtschaftsbarrieren. Oder als Klebstoff zwischen den auseinanderdriftenden Blöcken.»
«The Irish Times»: Harris muss eine attraktive Vision bieten
DUBLIN: Zum Präsidentschaftswahlkampf von Kamala Harris meint die in Dublin erscheinende «Irish Times» am Samstag:
«Kamala Harris surft jetzt auf einer riesigen Welle der Erleichterung und der neuen Begeisterung, die in ihrer Partei seit dem Rückzug von Joe Biden herrschen. Das Geld der Spender fließt in rekordverdächtiger Höhe, "Kamalamentum"-Memes werden im Internet verbreitet, und die Anti-Trump-Medien haben sich mit einer Inbrunst hinter sie gestellt, wie es die einstige Senatorin aus Kalifornien noch nie erlebt hat.
Noch ist es zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen, aber Umfragen deuten darauf hin, dass Harris bereits den Boden gutgemacht hat, den Biden seit seinem desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte mit Donald Trump im Juni verloren hatte. Damit liegt sie zwar immer noch knapp hinter Trump - sowohl in den nationalen Umfragen als auch in den Swing States -, aber es bedeutet, dass die Demokraten wieder konkurrenzfähig sind in einer Wahl, die für sie bereits aussichtslos zu sein schien. (...)
Um am 5. November zu gewinnen, muss Harris allerdings etwas bieten, was Biden offenkundig nicht konnte: eine Zukunftsvision, die in den Swing States attraktiv ist, ohne dabei die demokratische Basis zu verprellen. Das ist nicht unmöglich, aber es wird ein Maß an politischem Geschick erfordern, das alles übertrifft, was Harris bisher in ihrer Karriere geboten hat.»
«de Volkskrant»: Harris wird hart arbeiten müssen
AMSTERDAM: Zum Präsidentschaftswahlkampf in den USA meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Samstag:
«Kamala Harris, die 2019 keine Unterstützung für ihre Präsidentschaftsambitionen erhielt und noch vor den Vorwahlen das Handtuch warf, ist heute die Verkörperung von allem, was Donald Trump nicht ist. Eine farbige, selbstständige Frau, eine Verfechterin der Bürgerrechte, eine Kämpferin gegen sexuellen Missbrauch und Kriminalität. Vor allem in der letztgenannten Rolle steht sie dem verurteilten Ex-Präsidenten diametral gegenüber. (...)
Harris wird nach den «Flitterwochen» ihrer Kandidatur hart arbeiten müssen, um ihre Chancen auf die Präsidentschaft zu wahren. Denn sie wird von vielen Seiten angegriffen werden. (...) Sie wird sich gegen Kritik an ihrer Grenz- und Einwanderungspolitik, ihren Steuerplänen, ihrer Klimapolitik und ihrer Sympathie für die Palästinenser verteidigen müssen. Harris ist progressiver als Biden, und es stellt sich die Frage, ob genügend Amerikaner dazu bereit sind.
Auf der anderen Seite vertritt Trump, insbesondere mit seinem Vizekandidaten J.D. Vance, einen reaktionären nationalistischen Konservatismus, der nie zuvor derart explizit propagiert wurde. Auch hier ist die Frage, ob genügend Amerikaner dafür bereit sind.»
«NZZ»: In der Außenpolitik sind sich Harris und Trump ähnlich
ZÜRICH: Zur Präsidentschaftswahl in den USA heißt es am Samstag im Leitartikel der «Neuen Zürcher Zeitung»:
«Harris hat keinen transatlantischen Hintergrund. Bidens starker emotionaler Bezug zu diesem Kernelement der amerikanischen Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg geht ihr ab. Darin ist sie dem durchschnittlichen Amerikaner vergleichbar und Trump durchaus ähnlich. Wie dieser blickt sie eher in Richtung Pazifik. Asien in seiner Vielfalt, mit der Bedrohung China und seinen unermesslichen wirtschaftlichen Chancen, liegt der Kalifornierin nahe. Dass sie Außenpolitik und Streitkräfte stärker auf den Pazifik und weniger auf den Atlantik ausrichten würde, ist jedenfalls eine plausible Annahme. Sie würde weniger poltern als Trump. Der Effekt für Europa wäre der gleiche. (.)
Beide Kandidaten haben Nachteile. Beide lassen eine Phase der Ungewissheiten erwarten. Die einseitige europäische Fokussierung auf die Demokraten war jedenfalls ein Fehler. Etwas mehr Unvoreingenommenheit gegenüber Trump wäre realpolitisch klug. Wem selbst das zu viel ist: Wenigstens sollte man beide Kandidaten mit gleich viel Skepsis betrachten. Denn am Ende zählt in der Außenpolitik das Eigeninteresse und nicht die geschmäcklerische Frage, wer einem sympathischer ist.»
«El Mundo»: Olympische Spiele für Frankreich und Europa
MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Samstag die Olympischen Sommerspiele in Frankreich:
«Die Olympischen Spiele wurden mit einer beeindruckenden Zeremonie an der Seine eröffnet, und die Spannung auf das größte Sportspektakel der Welt, das in den nächsten Wochen von mehr als 4 Milliarden Zuschauern verfolgt werden soll, steigt. (...) Der Austragungsort dieser Veranstaltung ist ein Symbol der Weltoffenheit, der Modernität und der europäischen Werte schlechthin, und Frankreich und ganz Europa müssen sich in einem sehr heiklen internationalen Umfeld beweisen, in dem die Sicherheit das Hauptanliegen ist.
Die Anschläge auf die Hochgeschwindigkeitszüge, von denen etwa 800.000 Reisende betroffen waren, ist ein Beispiel für die Risiken (...) in einem der am stärksten vom islamischen Terrorismus betroffenen europäischen Länder. (...) Es ist nicht zu übersehen, dass der geopolitische Kontext, in dem die XXXIII. Olympischen Spiele stattfinden, sehr heikel ist, mit einem Krieg vor den Toren Europas und einem weiteren im Gazastreifen.(...) Russland und Weißrussland (...) nehmen offiziell nicht an den Spielen teil - ihre Athleten werden unter neutraler Flagge antreten. (...) Letztendlich werden das Talent, die Anstrengungen, die Hingabe und das Glück der Athleten die Olympischen Spiele prägen, die der Welt eine Stadt zeigen, die wie Europa selbst vor der Herausforderung steht, aus einer glanzvollen Vergangenheit in die Zukunft zu blicken.»