Zeitungen zum Geschehen am Samstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Washington Post»: Nawalnys Ideale können nicht getötet werden

WASHINGTON: Zum Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in einem sibirischen Strafgefangenenlager schreibt die «Washington Post»:

«Als Alexej Nawalny 2021 nach Russland zurückkehrte, nachdem er im Ausland wegen einer fast tödlichen Vergiftung seitens russischer Regierungsagenten behandelt worden war, wusste er, dass er wegen seiner Opposition gegen Präsident Wladimir Putin wahrscheinlich inhaftiert werden würde. Und er wusste, dass eine Gefängnisstrafe in Russland zu einem Todesurteil werden kann. Trotz der Risiken kehrte er zurück, um sich der zunehmenden Unterdrückung durch Putin entgegenzustellen und weigerte sich, zu schweigen.(...)

Der Kremlchef hat eine Vorliebe für die Vorzüge des Reichtums, aber nichts als Abneigung gegen echte politische Konkurrenz. Nach seiner Machtübernahme im Jahr 2000 schob er reiche Oligarchen einfach beiseite, brachte die unabhängigen Medien zum Schweigen und installierte seine eigenen Kumpane als neue Elite. Doch in späteren Jahren sah er sich mit Nawalny einem echten Rivalen gegenüber. (...) Nawalnys Tod ist ein enormer Verlust für seine Familie und Freunde sowie für das Ideal eines freien und demokratischen Russlands. Aber solche Ideale können nicht getötet werden. Nawalnys Vermächtnis wird ein nie endender Kampf für ihre Verwirklichung sein.»


«Wyborcza»: Putin schreckt vor nichts zurück

WARSCHAU: Zum Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny schreibt die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza»am Samstag:

«Als Gefangener einer Strafkolonie war Alexej Nawalny der Gnade und Ungnade des Putin-Regimes völlig ausgeliefert. Jeder seiner Schritte wurde überwacht, jedes seiner Gespräche aufgezeichnet und analysiert, sein Gesundheitszustand ständig überprüft. Selbst wenn man weiß, dass er sich von der Vergiftung durch Kreml-Agenten mit Nowitschok im Jahr 2020 nie wieder ganz erholt hat, ist es schwer zu glauben, dass er einfach Ausgang hatte und starb. Denn in Wladimir Putins Russland gibt es keine Zufälle.

In einem Monat wird Putin die russische Präsidentschaftswahl gewinnen - nichts und niemand kann diese Wahl stören. Wie groß muss seine Angst sein, wenn er jetzt beschlossen hat, Nawalny zu ermorden. Der Tod Nawalnys bestätigt, dass Putin vor nichts zurückschreckt, um an der Macht zu bleiben. Er ist bereit, Zehntausende von gesichtslosen Bürgern an der Front in den Tod zu schicken und den Mann, der die russische Opposition und die gesamte freie Welt inspiriert hat, töten zu lassen. Vor diesem Hintergrund sind die Drohungen russischer Persönlichkeiten, Russland werde die Nato-Länder angreifen und Warschau, Berlin und London «vom Angesicht der Erde tilgen», nicht mehr nur leere Propagandadrohungen.»


«The Telegraph»: Tod Nawalnys ist Erinnerung an Putins Brutalität

LONDON: Zum Tod von Alexej Nawalny schreibt der Londoner «Telegraph» am Samstag:

«Nur wenige Tage bevor sich der Beginn der russischen Invasion in der Ukraine zum zweiten Mal jährt, sollte der Tod Nawalnys eine wichtige Erinnerung an die Realität der Herrschaft Putins sein. Er sollte in den westlichen Hauptstädten die Sinne schärfen, wenn es darum geht, über die nächste Runde der wichtigen Militärhilfe für Kiew zu entscheiden. Manch einer mag hinter vorgehaltener Hand sagen, dass es an der Zeit sei, Verhandlungen aufzunehmen. Aber kann man einem derartig brutalen Regime jemals trauen?»


«De Standaard»: Bedeutung Nawalnys für Russen schwer einzuschätzen

BRÜSSEL: In der belgischen Zeitung «De Standaard» heißt es am Samstag zum Tod Alexej Nawalnys:

«Während sich auf X (vormals Twitter) die Reaktionen überschlagen, ist der Tod des wichtigsten Kreml-Kritikers in den russischen Medien keine besondere Nachricht. Die Zeitungen und Fernsehsender, die heute in Russland noch arbeiten dürfen, sind nicht in der Lage, größer über eine Person zu berichten, die vom Regime seit Jahren totgeschwiegen wird. (...)

War Nawalny wirklich eine Gefahr für die autokratische Herrschaft Putins oder war die rücksichtslose Verfolgung des Oppositionellen eine Folge der Paranoia des Präsidenten? Es ist bekannt, dass Putin inzwischen nur noch wenige Leute neben sich duldet und Berichten zufolge mehrere Doppelgänger hat, weil er einen Anschlag fürchtet.

In einem Land, in dem die Medien Weisungen des Kremls gehorchen, die Opposition mundtot gemacht wurde und niemand weiß, was die Bevölkerung wirklich denkt, lässt sich schwer einschätzen, was Nawalny den Russen tatsächlich bedeutete.»


«Corriere della Sera»: Nawalnys Tod darf nicht umsonst gewesen sein

MAILAND: Zum Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Samstag:

«Alexej Nawalny ist ein Held. Als Held hat er gelebt, und als Held ist er gestorben. So viele sagen, sie seien bereit, für das Vaterland zu sterben. Und bis dahin ist es Rhetorik. Aber wenn man wirklich stirbt, in den sibirischen Gefängnissen des Tyrannen, dann ist das keine Rhetorik. (...) Viele halten ihre Gegner im Gefängnis - es gibt mehr Diktaturen als Demokratien auf der Welt. Aber nur wenige Diktatoren führen Angriffskriege wie die, die Putin in Georgien und auf der Krim entfesselt hat, nur wenige haben ganze Völker massakriert, wie Putin es mit den Tschetschenen getan hat. Dann griff Putin die Ukraine an, an der Grenze zu Europa, und eskalierte einen bereits bestehenden Konflikt dramatisch. (...)

Diktaturen stürzen in der Regel, wenn sie Kriege verlieren. Russland zu besiegen ist sehr schwierig, wahrscheinlich unmöglich. Es müssen Verhandlungen aufgenommen werden, es muss ein Kompromiss gefunden werden. Aber dieser Krieg kann nicht beendet werden, ohne eine dauerhafte Lösung zu finden, die die Sicherheit der Ostgrenzen Europas garantiert. Es ist ein fataler Fehler, nicht zu verstehen, dass wir alle verlieren, wenn Putin gewinnt; wenn der Diktator freie Bahn hat, sind alle in Gefahr. Wenn wir das verstehen, wird Nawalnys Opfer nicht umsonst gewesen sein, für sein Volk und für die Welt.»


«The Guardian»: Putin-Regime im Innersten verrottet

LONDON: Der Londoner «Guardian» meint am Samstag zum Tod Alexej Nawalnys:

«In der Vergangenheit hat der Tod von Kreml-Kritikern im Ausland für Empörung gesorgt, aber nur begrenzte Maßnahmen nach sich gezogen. Diesmal ist die Herausforderung eine andere: Der russische Präsident ist bereits bis zum Äußersten sanktioniert und vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen der Ukraine angeklagt. Immerhin könnte nun die Diskussion über die Aushändigung eingefrorener russischer Vermögenswerte an Kiew intensiver werden. Staaten, die sich wegen der Invasion in der Ukraine nicht gegen Russland gestellt haben, werden ihre Haltung durch den Tod von Nawalny allerdings kaum ändern.

Während die Trauer und der Schmerz natürlich in erster Linie bei seiner Familie und seinen Freunden zu spüren sind, ist dies auch ein düsterer Moment für sein Land. Sein Tod unterstreicht, dass es kaum möglich ist, den Status quo infrage zu stellen. Er macht aber auch deutlich, wie verrottet das Regime im Innersten ist.»


«de Volkskrant»: Kreml hat die Opposition zerschlagen

AMSTERDAM: Zum Tod von Alexej Nawalny heißt es am Samstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Es ist zu bezweifeln, dass Putin sich überhaupt um die Welle der Kritik aus dem Ausland kümmert. In den letzten Jahren hat der Kreml fast mit der gesamten Opposition gegen seine Herrschaft kurzen Prozess gemacht (...). Vor allem seit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine wurde hart gegen sie vorgegangen. Ein Gegner des Putin-Regimes nach dem anderen wurde zu langen Haftstrafen verurteilt, weil er den Krieg kritisiert und damit angeblich die Streitkräfte in Misskredit gebracht hatte. (...)

Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im März scheint der Aufschrei über den Tod Nawalnys auf den ersten Blick ungünstig für Putin zu sein, aber in der Praxis dürfte er nichts zu befürchten haben. Die wichtigsten Herausforderer sind inzwischen von der Wahlliste gestrichen worden. Wahrscheinlich ist der Effekt genau das Gegenteil. Wenn Putins bekanntester Gegner nicht einmal im Straflager sicher ist, werden sich wohl nur noch wenige Russen trauen, ihre Stimme zu erheben.»

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