Zeitungen zum Geschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Desperado Erdogan

Es sieht nicht gut aus für Kemal Kilicdaroglu.

Wenn dem Herausforderer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht noch ein Wunder gelingt, wird er die Stichwahl an diesem Sonntag verlieren. Die letzten Umfragen sehen den Amtsinhaber mit rund 53 zu 47 Prozent vorn. Es hat sich wieder einmal bewahrheitet, dass Erdogan ein mit allen Wassern gewaschener Wahlkämpfer ist. Er wird bei einem Sieg versuchen, seine Macht weiter zu zementieren. Was von der freien Presse übrig ist, wird weiter gegängelt werden. Die Justiz wird der Staatschef ebenfalls noch mehr an die Kandare nehmen. Nicht auszuschließen, dass Erdogan eine Verfassungsänderung anstrebt, die ihm die Herrschaft auf Lebenszeit sichert. Deutschland und die EU tun gut daran, sich auf eine neue Eiszeit einzustellen. Er bleibt für den Westen ein völlig unberechenbarer nationalistischer Desperado.


«WaPo»: Regulierung muss KI in weniger erschreckende Richtung bringen

WASHINGTON: Zum Einsatz Künstlicher Intelligenz und der in den USA noch ausstehenden Regulierung schreibt die «Washington Post»:

«Gespräche über künstliche Intelligenz tendieren dazu, in Panik über das mögliche Aussterben der Menschheit oder zumindest ihre Unterwerfung zu münden: Werden eines Tages Roboter die Welt regieren? Aber maschinelles Lernen ist mehr als nur eine Hypothese und wirft zahlreiche unmittelbare Probleme auf, die Aufmerksamkeit verdienen - von der Massenproduktion von Fehlinformationen über Diskriminierung bis hin zur Ausweitung des Überwachungsstaats. Diese Schäden - von denen uns viele schon seit Jahren begleiten - sollten im Mittelpunkt einer KI-Regulierung in heutigen Zeiten stehen. (...)

Der Nachteil einer strengen KI-Regulierung ist, dass diese Technologien unabhängig davon existieren werden, ob die USA sie zulassen. Stattdessen werden es Länder wie China sein, die sie entwickeln, ohne das Engagement für demokratische Werte, das unsere Nation gewährleisten könnte. Sicherlich ist es für die USA besser, sich zu engagieren und Einfluss zu nehmen, als sich zurückzuziehen und ihre Fähigkeit zu opfern, diese mächtige Technologie in eine weniger erschreckende Richtung zu lenken.»


«Nepszava»: Türkische Opposition sollte auf Hetzkampagnen verzichten

BUDAPEST: Zur Präsidenten-Stichwahl in der Türkei schreibt die linksliberale Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Samstag:

«Mit einer Hetzkampagne gegen syrische Flüchtlinge versucht Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu das Blatt zu wenden - in der Hoffnung, damit noch genügend nationalistische Stimmen einzusammeln. Die Chancen dafür sind aber gering, der verzweifelte Versuch in diese Richtung sogar schädlich. (...) In kompetitiven Autokratien sind die Wahlen ein Spiel, bei dem am Ende stets der Tyrann gewinnt, unabhängig davon, wer und wie viele sich gegen ihn zusammenschließen. Nach zwei oder drei Legislaturperioden hat jeder Autokrat, der etwas auf sich hält, seine Macht dermaßen einbetoniert, dass seine Abwahl nur durch ein Wunder erfolgen kann. Von der (türkischen) Opposition darf man sich keine Wunder erwarten. Nur so viel sei von ihr verlangt, dass sie das öffentliche Klima nicht noch mehr vergiftet - das besorgt nämlich schon der Tyrann.»


«Público»: Türkei zwischen Europa und Sehnsucht nach «Auferstehung»

LISSABON: Die portugiesische Zeitung «Público» kommentiert am Samstag die Lage vor der Stichwahl um das türkische Präsidentenamt:

«Netflix ist ein guter Gradmesser, um die Denkweise einer bestimmten Kultur einzuschätzen. Die Produktionen richten sich nach dem Publikum und deren Vorlieben. In der Türkei war die Serie «Auferstehung: Ertugrul» um die historische Figur und Vater des Gründers des Osmanischen Reiches im 13. Jahrhundert äußerst erfolgreich. Diese Serie ist Spiegel einer Türkei, die sich von einem Jahrhundert der Säkularisierung ab- und ihrem glorreichen osmanischen und islamischen Erbe zuwendet. Der Abschied von dieser modernen Türkei ist Folge einer tiefen Enttäuschung über den Nichtbeitritt zur EU an der Wende von 20. zum 21. Jahrhundert.

Das war für viele Türken eine große Ernüchterung, die als Verlassenheit erfahren wurde, als Verrat an dem Bemühen, eine ganze Bevölkerung zu verwestlichen. Das Europa, dem sie seit dem Atatürk-Regime gefolgt waren, wandte sich ab und verweigerte den Zugang zu einem Club, der in der Praxis für Europa und Fortschritt stand. Vor 20 Jahren hat Europa die Gelegenheit verpasst, einen Akteur an sich zu binden, der einen Großteil der dramatischen Geopolitik, die wir heute erleben, beeinflusst hat.»


«The Telegraph»: DeSantis kann im Wahlkampf auf Erfolge verweisen

LONDON: Zur Bewerbung von Ron DeSantis um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner heißt es am Samstag in der britischen Zeitung «The Telegraph»:

«Als Gouverneur von Florida hat DeSantis für ein massives Wachstum in seinem Staat gesorgt. Florida ist in Amerika zum Ziel Nummer eins für Menschen geworden, die aus den von Demokraten regierten von Kriminalität geprägten Städten fliehen. Während der Covid-Pandemie entschied sich DeSantis kühn dafür, Lockdowns zu vermeiden, was sich als richtig erwies. Darüber hinaus hat er Kulturkämpfe nicht nur gesucht, sondern auch gewonnen.

Als DeSantis zu Trumps jüngsten Attacken auf ihn befragt wurde, konnte er darauf hinweisen, dass es seltsam ist, durch Trump von links angegriffen zu werden. In einer offenen Debatte zwischen Trump und DeSantis könnte ersterer auf seine Rüpel-Taktik zurückgreifen, aber letzterer kann auf echte Erfolge verweisen. In jedem Fall bedeutet all dies, dass die Vorwahlen der Republikaner interessant geworden sind. Die Partei hat nun die Möglichkeit, sinnvolle politische und richtungsweisende Diskussionen zu führen - nicht zuletzt über die Frage, ob die Partei weiterhin auf die Wahl 2020 zurückblicken will (die Trump immer noch für sich beansprucht) oder nach vorn, um die nächste Wahl tatsächlich zu gewinnen.»


«NZZ»: Lufthansa bekommt ein Drehkreuz südlich der Alpen

ZÜRICH: Zum Einstieg der Lufthansa bei ITA Airways meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Samstag:

«Deutschland ist der Lufthansa schon seit Jahrzehnten zu klein, wie die Zukäufe von Swiss, Austrian Airlines und Brussels Airlines gezeigt haben. Dennoch ist die Abhängigkeit vom regulierten und streikanfälligen Heimmarkt sowie vom ungeliebten Heimatflughafen Fraport immer noch hoch. Deshalb will das Management Internationalisierung und Diversifizierung vorantreiben, auch um weitere Synergien im umkämpften Luftfahrtmarkt zu erzielen. (...)

In der Luftfahrtbranche erwirbt man durch Übernahmen letztlich keine Fluggesellschaften, sondern neue Märkte. Doch für den Kauf neuer Märkte gibt es nicht oft Gelegenheiten, deswegen muss man sich bietende Chancen ergreifen. Beides macht ITA besonders interessant. Abseits der Heimmärkte Deutschland, Österreich, Schweiz und Belgien ist Italien bereits heute der zweitwichtigste Auslandsmarkt für den Lufthansa-Konzern. Zudem fliegen beispielsweise aus den USA mehr Menschen nach Italien als nach Deutschland, und Rom ist eine der beliebtesten Destinationen in Europa. Mit der italienischen Kapitale wird die Lufthansa nun ein weiteres großes Drehkreuz bekommen, das einzige südlich der Alpen.»

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