Zeitungen zum Geschehen am Montag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Berliner Morgenpost» zu Corona

Noch ist die Erinnerung an die Corona-Pandemie frisch.

Sie hat viele Fehler im System aufgezeigt: Die Digitalisierung in Gesundheitssystem und Schulen lahmt. Es gibt zu wenige Reserven an medizinischen Produkten, der Datenaustausch in Forschung und Wissenschaft ist schlecht. Aktuelle Informationen über Krankheit X in Afrika oder die Vogelgrippe in den USA braucht es nicht, um zu wissen: Die nächste Pandemie kommt. Es wäre sinnvoll, den vielen Worten darüber, wie sehr wir aus Corona lernen wollten, nun auch Taten folgen zu lassen. Warum die Mahnung geboten ist, zeigt die Diskussion um den Aufbau von Pandemie-Vorräten. Diese als "Nationale Reserve Gesundheitsschutz" bezeichnete Bevorratung kommt nicht voran. Bund und Länder wollen dafür nicht verantwortlich sein. Ein Trauerspiel, das das Vertrauen in Staat und Politik schwächt. Vertrauen, das für einen wirksamen Schutz vor und während einer Pandemie unverzichtbar ist.


«Stuttgarter Zeitung» zu syrischen Geflüchteten

Der erste Schritt für Deutschland muss sein zu helfen, dass die Lage in Syrien sich möglichst stabilisiert.

Die Rückkehr der Geflüchteten kann erst der zweite Schritt sein - und auch hier sollte Deutschland überlegen, ob es nicht klug wäre, gut integrierte, arbeitende Menschen im Land zu behalten. Wer jedenfalls jetzt schon in Aussicht stellt, dass es zu einer schnellen und massenweisen Ausreise von Syrern aus Deutschland kommt, stärkt damit womöglich die Populisten. Denn sie werden Kapital daraus schlagen, wenn die Erwartung sich nicht erfüllen lassen sollte.


«Handelsblatt» zur Beliebtheit von Scholz und Merz

Scholz wärmt die Herzen der Sozialdemokraten, das zahlt sich für ihn bereits aus. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt er in der persönlichen Beliebtheit fast gleichauf mit Friedrich Merz. Der Wahlkampf wirkt wie ein Fußballspiel, in dem die Union 3:0 führt. Merz will den Vorsprung ruhig über die 90 Minuten bringen. Zieht Scholz in der Wählergunst bald an Merz vorbei, steht es 3:1. Fällt die CDU dann unter die 30-Prozent-Marke, ist der Anschlusstreffer zum 3:2 in greifbarer Nähe und die Nervosität im Merz-Lager dürfte wieder steigen.

Eigentlich müsste es umgekehrt sein. Merz sollte die Vertreter der Stahlindustrie zu einem Spitzengespräch einladen und sich zu den Streiks bei Volkswagen äußern. Die Menschen wollen hören, was der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler in einer solchen Situation zum notwendigen Umbau des Landes zu sagen hat. (.) Mit einem Schlafwagenwahlkampf läuft Merz Gefahr, das Land nicht zu erneuern. Vor allem könnte ihn Scholz noch einholen.


«Frankfurter Rundschau» zum Stahlgipfel

Namen wie Hoesch, Klöckner und Mannesmann sind verschwunden, weitere könnten folgen.

Vor allem die Zukunft von Thyssenkrupp ist ungewiss. Der Essener Konzern hat die Konsolidierung vorangetrieben, inzwischen aber ist er selbst ein Sanierungsfall. Der Mutterkonzern will das Stahlgeschäft loswerden, allein allerdings gilt die Sparte als kaum überlebensfähig. Stahl in Deutschland leidet an Überkapazitäten, hohen Energiepreisen und ausländischer Billigkonkurrenz. Eine weitere Konsolidierung der Branche ist unvermeidbar. Die technologische Disruption bei der Umstellung auf grüne Produktionsweisen hätte die Chance geboten, Kräfte zu vereinen. Stattdessen hat die Bundesregierung entschieden, vier Standorte zu fördern. Ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Die Politik sollte sich hüten, in den Konsolidierungsprozess einzugreifen. Gedankenspiele über einen staatlichen Einstieg bei Thyssenkrupp sind eine Schnapsidee. Der Staat kann den Niedergang verzögern, stoppen kann er ihn nicht.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Umgang mit Syrern

(.) Insbesondere Deutschland, zeitweilige Heimat von Hunderttausenden Syrern, muss die Lage genau beobachten und reagieren.

Wenn der Grund für eine Aufnahme in Deutschland entfällt, müssen die Flüchtlinge zurückkehren. Daran führt kein Weg vorbei. (.) Auch auf die neue Lage muss auf humane Weise reagiert werden. Im Interesse Deutschlands. Wie auch im Interesse Syriens. Hilfe zum Wiederaufbau des versehrten Landes gehört dazu. Wiederaufbauen müssen ihr Land freilich die Syrer. Wer sonst? Sie sind das Volk. Sie müssen sich neu organisieren. Und es liegt in ihrem ureigenen Interesse, dass sich kein neues Gewaltregime etabliert, das neue Fluchtursachen liefert. Deutschland muss jetzt wieder ein Zeichen setzen. Das Zeichen, das schon 2015 bitter nötig gewesen wäre: Wir können nicht alle aufnehmen. (.).


«Münchner Merkur» zu Syrien/Scholz

Assads Sturz begann in Wahrheit schon mit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7.

Oktober 2023. Israel reagierte, zum Unmut Berlins, unterstützt von den USA mit vernichtenden Schlägen gegen die Terrorbrigaden Hamas und Hisbollah, bis deren Pate, das iranische Regime, zu wanken begann und ebenso wie der Ukraine-Krieger Putin den bedrängten Freund Assad nicht mehr schützen konnte. Die Lehre daraus ist klar: Die westlichen Demokratien können sich behaupten, wenn sie dem Kriegsfuror von Autokraten stark und geeint entgegentreten. Deshalb war es auch ein weiterer katastrophaler Fehler des Kanzlers, dem Treffen von Trump, Macron und Selenskyj in Paris fernzubleiben. Olaf Scholz fürchtete wohl, von den Dreien für einen Plan vereinnahmt zu werden, der auch Taurus-Lieferungen und, nach Kriegsende, die Entsendung deutscher Friedenstruppen vorsieht. Das hätte dem "Friedenskanzler" aber den Wahlkampf verhagelt.


«Pravda»: Assads Sturz ist noch keine Garantie für Frieden

BRATISLAVA: Die slowakische Tageszeitung «Pravda» schreibt am Montag zum Sturz des Assad-Regimes in Syrien:

«Die ersten Nachrichten beschreiben vor allem die Euphorie der Aufständischen. Sie verweisen darauf, dass die Wende auch deshalb so schnell erfolgte, weil sich die Assad-Familie nach 13 Jahren Bürgerkrieg (...) nicht einmal mehr auf die eigenen Soldaten verlassen konnte. Abgesehen davon, dass sein größter Verbündeter Russland viel mehr Energie für die Ukraine aufwenden muss und die iranische Militärunterstützung durch den Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah umgelenkt wurde.

Auf den ersten Blick scheint es so, dass Syrien seinen Arabischen Frühling doch noch gewonnen hätte. Wie wir aber in Ägypten, Libyen, Tunesien, im Jemen oder Sudan beobachten können, mag die Freude über den Sturz eines Diktators zwar groß sein, hält aber meist nur kurz an und bedeutet keinerlei Garantie für Frieden und Freiheit. Und auch nicht für das Ende der mehr oder weniger augenscheinlichen Stellvertreterkriege auf dem Gebiet des Landes. (...) Wie immer kurz nach einem Umsturz sind alle Szenarien möglich. Es wäre aber eine weitere Verblendung, dabei die immer gleichen großen Player zu ignorieren: Russland, die USA und den Iran.»


«Lidove noviny»: Syrien vor ungewisser Zukunft

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt in ihrer Onlineausgabe zum Sturz von Präsident Baschar al-Assad in Syrien:

«Wer würde sich nicht das Ende eines Diktators wünschen, dessen mächtiger Familienclan mehr als ein halbes Jahrhundert lang in Syrien geherrscht hat? Doch wer weiß schon, was nun kommen wird? Man muss sich daran erinnern, wie es in Libyen 13 Jahre nach dem Ende des Diktators Muammar al-Gaddafi aussieht. Das nordafrikanische Land ist heute ein zerfallener Staat, in dem verschiedene Rebellengruppen gegeneinander kämpfen, und ein Paradies für Menschenschleuser. Damit ist nicht gesagt, dass es in Syrien auch so ausgehen muss. Doch man muss sich schon fragen, ob der Umsturz in Syrien vielleicht nur für diejenigen Freiheit bedeutet, die sich die Rückkehr zum Hidschab wünschen.»


«Dagens Nyheter»: Der Henker von Damaskus ist endlich gestürzt

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad:

«Eine überwältigende Woche - mit einem historischen Ende. Der Henker von Damaskus schien noch vor zehn Tagen sicher im Amt zu sein. Jetzt ist er endlich weg. Was nach Assad nun in Syrien passieren wird, ist höchst ungewiss. Wir wissen aus Libyen, dem Irak und aus Afghanistan, dass es alles andere als selbstverständlich ist, dass Freiheit folgt, wenn autoritäre Regime fallen. Aber gleichzeitig ist es eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass der Diktator in Damaskus weg musste - dass dies eine Voraussetzung dafür ist, damit die Syrer Frieden finden und über ihr eigenes Schicksal entscheiden können. Wir in Europa müssen alles dafür tun, dass es auch so kommt.»


«El País»: Schnell dialogbereite Rebellenführer in Syrien finden

MADRID: Zum Sturz des syrischen Diktators Baschar Al-Assad und einem möglichen Weg zu einer friedlichen Zukunft des Landes schreibt die spanische Zeitung «El País»:

«Die westlichen Regierungen waren schnell dabei, den Sturz des Diktators zu feiern, aber in Wirklichkeit ist sich niemand sicher, dass das, was als Nächstes kommt, ein geordneter oder sogar friedlicher Prozess sein wird. Wir werden in den kommenden Tagen sehen, wie weitreichend - wenn überhaupt - es ist, dass der syrische Ministerpräsident gestern den Rebellen die Hand zur Bildung einer neuen Regierung gereicht hat.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Welt den Sturz eines arabischen Despoten feiert, ohne dass ein Plan vorliegt, der den Frieden sichert und dem Volk eine echte Stimme gibt. Die Unklarheit, die Libyen oder den Irak ins Chaos gestürzt hat, darf sich nicht wiederholen. Wenn es unter den Rebellen Führungspersönlichkeiten gibt, die zu einem konstruktiven Dialog bereit sind, um ein Machtvakuum zu vermeiden, müssen sie umgehend ausfindig gemacht werden. Und wer auch immer über die Fähigkeit zum Dialog verfügt, vor allem die Türkei und Katar, muss sie bald entsprechend nutzen, damit das Ende von Assads Diktatur wirklich der Beginn des Wiederaufbaus Syriens ist.»


«The Telegraph»: Kämpfe in Syrien könnten weitergehen

LONDON: Zum Sturz des Assad-Regimes in Syrien meint die britische Zeitung «The Telegraph» am Montag:

«Die HTS-Rebellen gelten vielen Analysten heute nicht mehr als die Hardliner-Islamisten, als die sie anfänglich auftraten. Aber es gibt immer noch viele Gruppen in der syrischen Opposition, die kein vernünftiger westlicher Politiker als Teil einer nationalen Regierung sehen möchte. Es ist auch nicht klar, ob die verschiedenen Gruppierungen in der Lage sein werden, sich zu etwas zusammenzuschließen, was tatsächlich einer Regierung ähnlich sieht: Kriegführung und Zersplitterung könnten sich also fortsetzen, während sie in den kommenden Monaten und Jahren ihre Differenzen austragen.

Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Türkei ihre Hand im Spiel hat: Präsident Erdogan hat die Rebellion öffentlich unterstützt. Ihm geht es wohl vor allem darum, die Kurden, die von Ankara als Terroristen betrachtet werden, in Schach zu halten. Allerdings will die Türkei auch, dass die Millionen von syrischen Flüchtlingen, die sie derzeit beherbergt, in ihre Heimat zurückkehren. Daher ist sie an echter Stabilität in Syrien interessiert. Der Sturz von Assad ist zu begrüßen, aber die Zukunft Syriens und der gesamten Region ist ungewiss, denn bösartige Kräfte stehen bereit, die Situation für sich auszunutzen.»


«Kommersant»: Moskau verliert wichtigsten Nahost-Verbündeten

MOSKAU: Zur Entmachtung von Baschar al-Assad schreibt die Moskauer Tageszeitung «Kommersant» am Montag:

«Russland hat seinen wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten verloren. Die syrische Regierung stürzte unter dem Ansturm der feindlichen Kräfte wie ein Kartenhaus ein und beendete die mehr als ein halbes Jahrhundert währende Herrschaft der Familie Assad. Präsident Baschar al-Assad floh aus Damaskus, nachdem die Regierung zusammengebrochen war und die Armee sich weigerte, der Offensive der Kämpfer entgegenzutreten.

Am Abend wurde bekannt, dass er in Moskau angekommen ist. Während die Sieger im ganzen Land die Macht übernehmen, sind die Weltmächte in einen neuen Kampf um die Kontrolle einer strategischen Region verwickelt.

Inmitten des Ukraine-Konflikts droht der Sturz Assads eine neue Front zu eröffnen gegen Russland, dem es lange gelang, das herrschende Regime und die territoriale Integrität des Landes zu erhalten. Dennoch bleibt die russische Militärpräsenz sowohl ein Grund zur Sorge für Moskau als auch ein Instrument für künftige Verhandlungen mit der bewaffneten Opposition.»


«De Standaard»: Zukunft Syriens ist noch ungewiss

BRÜSSEL: Zum Sturz des Assad-Regimes in Syrien meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Montag:

«Assad wurde zu einem der größten Massenmörder des 21. Jahrhunderts. Unter moralischen Gesichtspunkten ist sein Sturz die positivste Nachricht des Jahres - wobei wir bislang nicht wissen, was nun in Syrien folgen wird. (...)

Wenn man an den Irak, an Afghanistan oder Libyen denkt, gibt es viele Gründe, hinsichtlich der künftigen Entwicklung in Syrien nicht optimistisch zu sein. Nach 50 Jahren Diktatur und 14 Jahren Blutvergießen wächst in einem Land, das ein konfessioneller Flickenteppich ist, nicht von selbst eine liberale Demokratie heran. Vor allem bleibt abzuwarten, wie repressiv die islamische Herrschaft des neuen Machthabers Abu Mohammed al-Dschulani ausfallen wird. (...)

Europa hatte jegliches Engagement in Syrien längst aufgegeben. Auch die USA haben das Land sich selbst überlassen. Dies ist jetzt ein Moment, den der Westen nicht verpassen sollte. Die harten Lektionen aus Irak, Afghanistan und Libyen haben gezeigt, was nicht funktioniert. Es wäre jedoch falsch, weiter im Abseits zu bleiben, während die totalitären Kräfte schwächer werden und die Bevölkerung die Hoffnung auf Freiheit hegt.»


«Komsomolskaja Prawda» Der syrische Kessel ist explodiert

MOSKAU: Die kremlnahe Boulevardzeitung «Komsomolskaja Prawda» kommentiert den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und spielt dabei Moskaus Bedeutung als dessen langjährige Stütze herunter.

«Der bis zum Äußersten überhitzte syrische Kessel hat schlussendlich dem ständig steigenden Innendruck nicht standgehalten und ist explodiert. Die am 27. November von der nicht von Damaskus kontrollierten Provinz Idlib aus gestartete Offensive verschiedenster Gruppierungen der bewaffneten syrischen Opposition hat sich zu einem für die Regierungskräfte katastrophalen Blitzkrieg entwickelt.

Ja, Russland hat unter anderem mit Hilfe seiner Luftwaffe der Regierung von Assad geholfen, gegen die extremen terroristischen Kräfte im Land zu kämpfen. Aber wir haben niemals geplant, die regulären syrischen Kräfte auf dem Schlachtfeld zu ersetzen. Das ist ihr Land und sie müssen ihr Schicksal selbst entscheiden. Präsident Wladimir Putin hat seinerzeit dazu direkt gesagt: «Wir wollen keine größeren Syrer sein als die Syrer selbst.» Aber wofür Moskau von Anfang an immer eingetreten ist - das ist die Schaffung eines Dialogs und die Wiederaufnahme von Verhandlungen der Syrer untereinander unter Ägide der UN.»


«Corriere della Sera»: Putin hat Syrien fallengelassen

MAILAND: Zum Sturz des bisherigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad und Russlands Rolle schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Montag:

«Vor die Wahl zwischen Syrien und der Ukraine gestellt, hat sich Wladimir Putin für die Ukraine entschieden. Ein Dilemma, das die extreme Schwäche des russischen Präsidenten offenbart: Er strebt danach, sein Land wieder zur Supermacht zu machen, die auf Augenhöhe mit den USA und China konkurrieren kann, ist aber nicht einmal in der Lage, an zwei Fronten gleichzeitig zu kämpfen. Kiew nimmt die Nachricht mit Genugtuung auf. (...)

Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille, denn ein in die Enge getriebener Diktator riskiert, noch gefährlicher zu werden als zuvor. Zuletzt hatte Putin keine Männer und Mittel, um sie Assad zu Hilfe zu schicken. Und er ist in einer so schlechten Verfassung, dass er nun sogar nordkoreanische Soldaten für die Kämpfe um Kursk braucht. Und dennoch wird dies ein weiterer Grund für Moskau sein, das Gaspedal im Krieg gegen die Ukraine durchzudrücken.»


«De Telegraaf»: Kurs der HTS-Rebellen ist noch unklar

AMSTERDAM: Zum Sturz des Assad-Regimes in Syrien meint die niederländische Zeitung «De Telegraaf» am Montag:

«Die Flucht von Assad war gerade erst bekanntgeworden, da begrüßten europäische Regierungen schon den Sturz des Tyrannen, der sogar Giftgas gegen sein eigenes Volk eingesetzt hatte. Deutschland bezeichnete den Fall des Regimes als große Erleichterung für Millionen von Syrern, während die Franzosen auf eine friedliche Machtübergabe drängten.

Allerdings ist bei aller Euphorie über den Umbruch in Syrien eine gewisse Zurückhaltung geboten. Nach dem Sturz des Schahs von Persien (Iran) und Jahre später des irakischen Despoten Saddam Hussein war der Jubel ebenfalls groß. Im Iran terrorisieren heute die Ajatollahs die Bürger und finanzieren den Kampf gegen Israel. Und im Irak hat sich die Lage der Bevölkerung auch nicht verbessert.

Abgesehen von einem Flüchtlingsstrom, der bereits im Gange ist, ist noch unklar, was der Kurs der dschihadistischen HTS-Rebellen für das syrische Volk bedeutet. Allein die Tatsache, dass diese Gruppierung einst aus der Terrorbewegung Al-Kaida hervorgegangen ist, sollte allzu viel Optimismus dämpfen.»


«NZZ»: Eine Zeitenwende im Nahen Osten

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Montag den Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad:

«Der Untergang des Hauses Assad ist nicht nur für Millionen von Syrern eine Erleichterung, die unter den Schergen des Diktators unermesslich gelitten haben. Auch viele Libanesen, die sich für ihr Land eine andere Zukunft wünschen als ein ewiges Schattendasein im Orbit Irans, schöpfen Hoffnung. Nicht zuletzt sind die Nachrichten aus Syrien eine frohe Kunde für all jene, die Putins Russland geschwächt sehen wollen. Moskau war ebenfalls ein Verbündeter des gestürzten Assad.

Der Fall von Damaskus bedeutet eine Zeitenwende im Nahen Osten. Das kann eine Chance sein. Doch dazu muss in Syrien jetzt ein neuer Staat entstehen, der seinen Bürgern nicht nur Freiheit, sondern auch wirtschaftliche Stabilität bietet. Nicht nur die Rebellen, sondern auch die oft zerstrittenen regionalen Mächte am Golf und am Bosporus sind gefragt. Der Westen muss sie dabei unterstützen, ohne in missionarische Hybris oder Gleichgültigkeit zu verfallen.

Ob das gelingt, ist fraglich. Denn der Rebellenführer Abu Mohammed al-Dschulani, der neue starke Mann Syriens, ist nicht nur ein strammer Islamist. Er regierte in Idlib auch wie ein Autokrat. Und er ist nicht allein. In dem kaputten Land streben weitere Milizen nach einem Platz an der Sonne: Kurden, die türkischen Vasallen von der Syrischen Nationalen Armee und die Überreste des Islamischen Staats. Sie drohen schon jetzt aufeinander loszugehen.»


«Washington Post»: Vorsicht vor Euphorie in Syrien

WASHINGTON: Zum Machtwechsel in Syrien und dem Sturz des Machthabers Baschar al-Assad schreibt die «Washington Post»:

«Wenn das Leben voller Überraschungen ist, so ist das Leben im Nahen Osten voller Schocks. Selbst nach diesem Maßstab übertrifft der Fall von Damaskus alles. Bis vor zwei Wochen schien nichts in der Region dauerhafter als das verhasste Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Und doch, am Sonntag krönten regierungsfeindliche Milizen eine Blitzoffensive durch das Land, indem sie Syriens Hauptstadt einnahmen, während Assads Armee dahinschmolz. Assad floh aus dem Land und beendete so die brutale, ein halbes Jahrhundert lange Dynastie seiner Familie.

Zu Assad sagen wir: Gott sei Dank. Die Geschwindigkeit seines Sturzes bezeugt die Illegitimität seiner fürchterlichen Herrschaft, die durch Massenexekutionen, Folter und Unterstützung von Terrorismus gekennzeichnet war (...) Für die Syrer ist der Alptraum der schlechten Regierung Assads endlich vorbei. Aber die Euphorie über seinen Sturz sollte gezügelt werden angesichts der Fragen, was als Nächstes kommt.»

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