«Berliner Morgenpost» zu Pflegeversicherung
Derzeit klafft in der Pflegeversicherung ein Milliardenloch, Prognosen für das kommende Jahr sehen sogar eine noch schlimmere Lage.
Ein Reförmchen, so wie bei der Rente, hilft jetzt nicht mehr weiter. Drückt sich die Bundesregierung auch bei der Pflegeversicherung um notwendige Strukturreformen, nagt das weiter an der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Das sollten wir uns nicht leisten. Experten halten es für möglich und nötig, die Pflegeversicherung so nachhaltig zu reformieren, dass nicht jedes Jahr neue Beitragserhöhungen drohen. Als Kurzfrist-Maßnahme sind sie aber wohl nahezu unumgänglich. Langfristig muss jedoch wieder Verlässlichkeit zurück ins System.
«Frankfurter Rundschau» zu Rücktritt von Kevin Kühnert
Dass Kevin Kühnert als SPD-Generalsekretär zurücktritt, ist eine faustdicke Überraschung.
Dies gilt umso mehr, als der 35-Jährige auch auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag verzichtet. Damit endet vorerst die Karriere eines Hochengagierten - und Hochbegabten. Das ist ein herber Verlust für die SPD und ein indirektes Symptom ihrer Krise. Sicher, Kühnert war nicht unumstritten, keine Politikerin und kein Politiker ist das. Das gilt für seine Zeit als Chef der Jungsozialisten wie für seine Zeit als Generalsekretär. Den einen war er anfangs zu aufmüpfig, den anderen schon bald zu angepasst. Der Rücktritt ist aber auch persönlich tragisch. Kühnert brennt für die Sozialdemokratie. So einer geht nicht, wenn er nicht muss - nicht in dem Alter und mit den Perspektiven. Zwar wissen wir nichts über die gesundheitlichen Ursachen. Das ist zu Recht Privatsache. Tatsächlich ist es zuletzt jedoch öfter vorgekommen, dass Politikerinnen oder Politiker nicht mehr konnten, wie sie wollten.
«Handelsblatt» zu 1000-Euro-Prämie beim Bürgergeld
Es ist bezeichnend, dass jetzt gegen die Prämie gehetzt wird, wo sie der Boulevard für sich entdeckt hat, obwohl der Plan schon seit Juli bekannt ist.
Die Notwendigkeit der Prämie zeigt aber auch, wie dringlich eine grundlegende Überarbeitung des deutschen Sozialsystems ist. Die Politik muss an die "Transferentzugsraten" ran: Wenn Beschäftigte Sozialhilfe wie Bürger- und Wohngeld erhalten, dann aber eine Arbeit aufnehmen, haben sie häufig nicht mehr Nettogehalt als vorher. Eine solche Reform ist jedoch nicht von jetzt auf gleich gemacht. Zudem ist ziemlich sicher, dass der Ampel die politische Kraft fehlt, das umzusetzen. Warum also nicht für den Übergang auf die Prämie setzen? Der Arbeitskräftemangel droht zum größten Wachstumshemmer für Deutschland zu werden. Wer gegen die Prämie ist, ist dann wohl auch gegen Wachstum.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Gedenken an den 7. Oktober
(...) Was jetzt blüht, ist ein "linker" Antisemitismus, der sich verbündet mit der Verachtung, die in einer arabisch-migrantischen Parallelgesellschaft herangewachsen ist.
Was gemeinhin als Integration bezeichnet wird, stößt an ihre Grenzen, wo im geschichtspolitischen Raum doch eigentlich Assimilierung vonnöten wäre. Dass allein dieses Wort in Deutschland fast schon geächtet ist, zeigt, wie weit wir davon entfernt sind. (.) Deutschland ist, das zeigten die Reden von Scholz und Steinmeier, noch weit davon entfernt, was in anderen westlichen Demokratien zu beobachten ist. Weil die Wählerschaft sich dort migrantisch ändert, relativiert sich auch das "Nie wieder". Das läuft nicht nur auf einen Ausnahmezustand für Juden hinaus, sondern für alle Demokraten.
«Keyhan»: Modernste Technologie konnte Israel nicht retten
TEHERAN: Die iranische Zeitung «Keyhan», Stimme der radikalen und religiösen Hardliner, kommentiert den Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel:
«Auch die modernste Technologie konnte Israel nicht retten. Das Epos vom 7. Oktober fand zu einer Zeit statt, als das zionistische Regime (Israel) über alle Arten moderner Technologien verfügte, die es ermöglichten, die Menschen in Gaza und die Hamas zu überwachen. Dennoch gelang es der Hamas, ohne Wissen der Geheimdienst- und Sicherheitsbehörden des Regimes diese große und historische Operation durchzuführen (...)
Das zionistische Regime spielte in der Weltöffentlichkeit dank der Unterstützung westlicher Medien stets die Rolle des Opfers und präsentierte sich in den Medien als demokratischer Staat. Doch die Operation der Al-Aksa-Flut und der darauffolgende Krieg entlarvten das hässliche Gesicht dieses Regimes.»
«WSJ»: Israel als vorderste Front des Westens muss halten
NEW YORK: Zum Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und den daraufhin eskalierten Konflikt in Nahost schreibt das «Wall Street Journal»:
«Israel hat trotz internationaler Kritiker weitergekämpft (...). Israel hat mehr politische Entschlossenheit und militärische Stärke gezeigt als seine Feinde erwartet haben. Die Antwort des respektablen Liberalismus hat darin bestanden, auf Deeskalation, Feuerpausen und eine Zweistaatenlösung zu drängen und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu die Schuld zu geben, wenn diese nicht zustande kommen. Es ist, als ob Hamas, Hisbollah und ihre Schutzmacht im Iran gar nicht existierten.
Die Hamas hat sich wochenlang geweigert, zu verhandeln, und ein palästinensischer Staat in Frieden mit Israel war weder ihr Ziel noch das des Iran. Sie wollen Israel zerstören und die Juden vertreiben oder ermorden (...). Solange der Westen Israel Handschellen anlegt, sich aber weigert, den Iran abzuschrecken, werden sich die Flammen im Nahen Osten ausbreiten. (...) Israel hat eine bessere Chance auf einen dauerhaften Waffenstillstand, wenn seine Feinde wissen, dass sie bei einem Angriff mehr leiden als Israel. (...)
Für die USA ist der 7. Oktober eine Erinnerung, dass sie sich nicht aus Nahost zurückziehen und annehmen können, einer Bedrohung durch den Nahen Osten zu entgehen. Der Iran ist ebenso auf die Zerstörung Amerikas wie auf die Israels aus. Der jüdische Staat ist die vorderste Front des Westens und wir können ihn nicht verlieren lassen.»
«Al-Dustur»: Israels Genozid geht weiter
AMMAN: Zum ersten Jahrestag des Terrorüberfalls der islamistischen Hamas auf Israel schreibt die in Jordanien erscheinende Zeitung «Al-Dustur» am Montag:
«Israel hat versagt darin, die Führung der Hamas oder ihre Gegenwart (in Gaza) zu beseitigen. (...) Statt die Palästinenserfrage zu beerdigen, ist diese wieder stark im Fokus und die Zahl der Länder, die den Palästinenserstaat anerkennen und die eine Zweistaatenlösung unterstützen, hat zugenommen. (...)
Was Israel im Laufe des Jahres erreicht hat, ist mehr Tötungen, Zerstörung, Folter, Vertreibung und Verhungern. (...)
Wenn die Welt sich nicht gegen Israels Ziele vereint, wird der Preis nicht von Ländern der Region allein bezahlt, besonders wenn der Krieg global wird - Gott bewahre.»
«Asharq Al-Awsat»: Extrem gefährliches Jahr im Nahen Osten
LONDON: Zum ersten Jahrestag des Terrorüberfalls der islamistischen Hamas auf Israel schreibt die in London erscheinende arabische Zeitung «Asharq Al-Awsat» am Montag:
«Dieses Jahr der Überraschungen war kostspielig und extrem gefährlich. Das Massaker in Gaza ist beispiellos. Das internationale Versagen offenkundig. Amerika ist schwach darin, Druck auf Israel auszuüben, und die Besuche ihres Außenministers Antony Blinken wecken keine Hoffnungen mehr. Russland feiert zurückgewonnene ukrainische Dörfer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gleicht einem Fernsehkommentator.
Der Winter ist da, wer wird also die vertriebenen Menschen in Gaza vor dem Regen schützen und vor der Bitterkeit, zwischen Trümmern zu leben? Wer wird die Wellen der im Libanon Vertriebenen vor der Härte des Winters schützen?
Gerede über eine Waffenruhe ist nicht ernsthaft. Die Verluste der Konfliktparteien sind enorm, weshalb sie die Gräuel einer Fortsetzung des Kriegs bevorzugen, anstatt den Preis dafür zu bezahlen, diesen zu verlassen. Eine verrückte Region, der noch mehr Blut, Angriffe und Überraschungen zugesichert sind. Die Kapitel des iranisch-israelischen Kriegs haben beängstigende Überraschungen hervorgebracht.»
«Hammihan»: Kein Frieden in Nahost ohne Zweistaatenlösung
TEHERAN: Die moderate iranische Zeitung «Hammihan» kommentiert den Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel:
«Der Vorfall vom 7. Oktober hat die Weltmächte zu der Erkenntnis gebracht, dass ohne eine Lösung der Palästina-Frage der Nahe Osten keine Ruhe finden wird. Dieses Problem wird sich auch nicht durch die Unterdrückung der Palästinenser lösen lassen, so wie es bisher nicht gelöst wurde. Deshalb haben die Amerikaner im Gegensatz zur Vergangenheit den Vorschlag einer Zweistaaten-Lösung auf den Tisch gelegt. Gaza ist de facto zerstört, aber seine Bevölkerung hält weiter stand, und auch die Hamas ist in der Lage, weiterzubestehen (...)
«Der Westen hat dieses Mal die Schuld auf andere abgewälzt, und die Kosten tragen die Menschen dieser Region und die Palästinenser. Israel versuchte zu Beginn dieses Krieges, die moralische Last des Krieges den Palästinensern zuzuschieben.»
«El Mundo»: Israel muss bei Angriffen angemessen vorgehen
MADRID: Zum ersten Jahrestag des Terrorüberfalls der islamistischen Hamas auf Israel und dem daraus folgenden Vorgehen der israelischen Regierung in der Region schreibt die spanische Zeitung «El Mundo»:
«Die Reaktion Israels im Gazastreifen, die im Einklang mit dem Recht auf Selbstverteidigung völlig gerechtfertigt war und das Verständnis der internationalen Gemeinschaft fand, hat anschließend zu Exzessen geführt, die die weltweite Unterstützung schmälerten und eine humanitäre Tragödie im Gazastreifen auslösten. Darüber hinaus stockt die Offensive in Gaza ein Jahr nach dem 7. Oktober trotz der enormen Zerstörung weiterhin, und die Hamas ist zwar schwer angeschlagen, aber noch nicht vollständig besiegt.(...)
Das Vorgehen von (Ministerpräsident) Benjamin Netanjahu (...) hat Israel eine Reihe wichtiger Siege eingebracht, um die existenzielle Bedrohung des jüdischen Staates zu stoppen. Das Risiko besteht jetzt darin, dass die Unverhältnismäßigkeit der Angriffe diese taktischen Erfolge in strategische Niederlagen umwandelt, wie es bei den US-Invasionen im Irak und in Afghanistan nach dem 11. September der Fall war. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, aber seine moralische Autorität ergibt sich aus der Achtung des Völkerrechts.»
«Jediot Achronot»: Israelische Gesellschaft muss sich vereinen
TEL AVIV: Ein Jahr nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 schreibt die israelische Zeitung «Jediot Achronot» am Montag:
«Wir sind die erste Generation des 7. Oktobers. Wir sind diejenigen, die mit eigenen Augen Gräueltaten gesehen haben, die wir uns nicht vorstellen konnten. Unser ganzes Leben lang werden wir diesen Tag als Narbe tragen. Vor unserer Haustür standen Terroristen, die unsere Angehörigen, unsere Soldaten ermordeten und manche in die grausame Gefangenschaft in Gaza verschleppten. Es wird Generationen brauchen, um dieses Trauma zu verarbeiten.
Wir, die erste Generation des 7. Oktobers, müssen daher schwören, dass das, was war, nicht mehr sein wird. Wir müssen hier im Namen der Toten und der Überlebenden eine neue israelische Ordnung errichten. Innere Spaltungen und Kämpfe haben uns bis zum 6. Oktober an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht. Am Tag darauf geschah die größte Sicherheits- und Existenzkatastrophe unserer Geschichte. Dies hängt miteinander zusammen. (...)
Absurderweise kämpften wir monatelang auf der Straße gegeneinander, anstatt einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die bestehende Politik fördert ein Szenario, in dem Israel aufhört, ein jüdischer Staat zu sein, und zu einem Staat wird, der nur einzelnen Gruppen dient, die keinen Dialog mehr führen. (...) Wir müssen gemeinsam den wahren Geist des Zionismus wiederbeleben. Nur gemeinsam können wir unsere Existenz sichern.»
«Der Standard»: Absurdes Theater zweier gefährlicher Männer
WIEN: Die Wiener Zeitung «Der Standard» bezeichnet den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und den Tech-Unternehmer Elon Musk als «zwei der opportunistischsten, egozentrischsten und machtbesessensten Menschen der USA». Zu ihrem gemeinsamen Wahlkampfauftritt schreibt die Zeitung:
«Trumps MAGA-Kampagne führt seit Jahren einen offenen Desinformationskrieg gegen die eigene Bevölkerung. Eine kritische Öffentlichkeit, wie sie auf Twitter einst herrschte, wo Hatespeech und das Verbreiten von Lügen mit Sperren sanktioniert wurden, stand diesen Kriegszielen im Weg. Ende 2022 kaufte sich der reichste Mann der Welt (Elon Musk) ...den Kommunikationsriesen mit dem deklarierten Ziel, Twitter politisch «neutral» führen zu wollen. Zwei Jahre später bezeichnete er sich auf der Trump-Rally am Attentatsort Butler als die «dunkle Seite» von MAGA.
Die Reinstallation des verbannten Twitter-Kanals von Trump belohnte dieser mit der Aussicht auf fette Steuersenkungen für Superreiche und Kabinettsposten. Musk dankt es offenbar mit Algorithmen, die alles mit rechtem Trump-Content überfluten. Die dahergestammelte Wahlkampfrede vom Samstag, in der Musk die Lüge verbreitete, dass die Demokraten US-Bürgern das Wahlrecht wegnähmen, während sie es in Wahrheit ausweiten, ist der Gipfel eines absurden Theaters zweier gefährlicher Männer. »
.
«Dagens Nyheter»: So viele Tote, so viel Leid - wofür?
STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert den Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel:
«Am Samstag, dem 7. Oktober 2023, sind wir zu Berichten aufgewacht, dass die Hamas Israel angegriffen habe. Es dauerte fast einen Tag, bis klar wurde, was da eigentlich passiert ist: Nicht Soldaten und Stellungen wurden attackiert, sondern unbewaffnete, zivile Israelis. Es war der schlimmste Angriff auf Juden seit dem Holocaust. Eine der grausamsten, großangelegten Gewalttaten dieses Jahrtausends. Der Sadismus ist schwer zu fassen.
Es war eine Tragödie - aber schnell wurde deutlich, dass wir erst an ihrem Anfang stehen. Israel führt seitdem einen Krieg gegen die Hamas, der geprägt ist von weniger Unterscheidungen als vorher und von begrenzteren Möglichkeiten für Nothilfe und sichere Zonen für zivile Palästinenser. Auch dieser Tod, dieses Leid, ist schwer zu fassen. Israel ist der Sicherheit nicht nähergekommen, die das Land verdient. Den Palästinensern mangelt es an Sicherheit, zu der auch sie ein Recht haben. Und selbst der Libanon blutet nun. So viele Menschen sind tot, so groß ist das Leid. Zu welchem Nutzen?»
«Haaretz»: Ein Jahr danach müssen wir in den Spiegel schauen
TEL AVIV: Ein Jahr nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 schreibt die israelische Zeitung «Haaretz» am Montag:
«Heute ist kein gewöhnlicher Gedenktag. Wir entfliehen nicht der Gegenwart und erinnern uns an ein Ereignis, das in der Vergangenheit stattgefunden hat. Es scheint so, dass alles, was vor dem 7. Oktober passiert ist, nicht real ist, und wir ein Jahr lang nur einen Tag gelebt haben. An diesem Gedenktag bedarf es keiner Sirene, die sonst an Gedenktagen ertönt. Die Sirene ist in uns eingebrannt. In Israel sind Gedenktage Teil eines Mechanismus, bei dem das bitterliche Weinen um unsere vielen Toten ein Vorspiel zur Trunkenheit des Sieges ist. (...)
Ein Blick auf die andere Seite des Gazastreifens sollte uns zum Nachdenken bringen. Da sind die zahlreichen Videos von israelischen Soldaten bei Social Media, die palästinensisches Eigentum plündern und zerstören, Häftlinge misshandeln und die Explosionen von Gebäuden feiern, deren Zerstörung keinen anderen militärischen Zweck als Rache hat. Oder Influencer, die sich über den Mangel an Wasser, Nahrung sowie Strom in Gaza lustig machen. (...)
Ein Jahr nach dem Massaker ist es an der Zeit, dass auch wir in den Spiegel schauen. Wir sind eine Gesellschaft von Heldinnen und Helden, in der es auch Solidarität und guten Willen gibt. Wir sind aber auch eine Gesellschaft, die die Geiseln aufgegeben hat, die von der Gier nach Rache geblendet war, die das unbeschreibliche Leid, das sie anderen zufügte, feierte oder Gleichgültigkeit gegenüber diesem zeigte. Auch daran müssen wir uns heute erinnern.»
«De Standaard»: Absolute Sicherheit mit Gewalt kaum erreichbar
BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Montag die Lage im Nahen Osten ein Jahr nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023:
«Selbst progressive Israelis sind inzwischen überzeugt, dass ihr Land niemals sicher sein wird, wenn nicht jede militante palästinensische Bewegung ausgerottet wird. Gleichzeitig hat Israel der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Westjordanland so viel Tod und Zerstörung zugefügt, dass der Hass auf die Unterdrücker noch für Generationen weiterleben wird.
Durch Israels Angriff auf die libanesische Hisbollah-Miliz hat sich der Konflikt noch verschärft. Die Motivation ist dieselbe wie bei der Zerstörung des Gazastreifens: die Beseitigung jeder Organisation, die Israels Sicherheit bedroht. Wieder sind viele Zivilisten die Opfer, und der ohnehin schon schwer angeschlagene Libanon wird einer weiteren Zerreißprobe ausgesetzt. Die langfristigen Folgen sind schwer vorhersehbar. Dass Israel damit sein Ziel - absolute Sicherheit - erreichen wird, ist jedoch unwahrscheinlich. (.)
Der Krieg, der vor einem Jahr begann, hat auch geopolitische Auswirkungen. Die engen Bande zwischen dem Westen und Israel und deren moralische Dimension trüben das Ansehen Europas und der USA in der nicht westlichen Welt. Welche Folgen der 7. Oktober 2023 wirklich haben wird, dürfte erst nach Jahren vollständig zu erkennen sein.»
«Pravo»: Jahr der Instabilität im Nahen Osten
PRAG: Zum ersten Jahrestag des Terrorüberfalls der islamistischen Hamas auf Israel schreibt die linksgerichtete Zeitung «Pravo» aus Tschechien am Montag:
«Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verbringt den ersten Jahrestag des Hamas-Angriffs in einer Atmosphäre, die das Sicherheitsdebakel vor einem Jahr in Vergessenheit geraten lässt. Dabei hilft ihm sein Feldzug gegen die terroristische Hisbollah-Miliz im Libanon, die ein Verbündeter des Irans und der Hamas ist. Für Netanjahu war die Tötung des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah ein «historischer Wendepunkt» im Kampf gegen Israels Feinde. Die Öffentlichkeit unterstützt den Regierungschef wieder. Umfragen deuten an, dass er bei Wahlen gewinnen könnte. Doch zugleich steigt das Risiko eines regionalen Kriegs und einer direkten Konfrontation mit dem Iran. Das Jahr nach dem Massaker der Hamas ist voller Gegensätze. Im Rückblick erscheint der 7. Oktober 2023 als Auslöser für eine Welle der sicherheitspolitischen Instabilität, die den ganzen Nahen Osten zu verschlingen droht.»
«de Volkskrant»: Netanjahu glaubt nicht an Versöhnung
AMSTERDAM: Zur Lage im Nahen Osten ein Jahr nach dem Hamas-Überfall auf Israel meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Montag:
«Israel hat schon viele Kriege und militärische Auseinandersetzungen gewonnen. Doch die Gewalt kehrte immer wieder zurück, weil das zugrunde liegende Problem, die palästinensische Frage, nicht gelöst wurde. Das wird sich nun wiederholen. Vielleicht wird nach dem jetzigen Krieg eine Phase relativer Ruhe eintreten, da Israels Feinde geschwächt sind. Aber der Krieg hat so viel neuen Hass geschaffen, dass sie sich zweifellos wieder erheben werden.
Deshalb sprachen sich nach dem 7. Oktober die meisten führenden Politiker der Welt für eine Zwei-Staaten-Lösung aus. Netanjahu hat jedoch nie daran geglaubt, dass eine Versöhnung mit den Palästinensern möglich ist. Ein Jahr nach dem 7. Oktober ist die Lage also düster. Dennoch muss sich die internationale Gemeinschaft weiterhin für eine politische Lösung einsetzen, so schwierig es auch sein mag, sie zu erreichen.»
«The Guardian»: Militärischer Triumph ist eine Fata Morgana
LONDON: Zum Jahrestag des terroristischen Überfalls der Hamas auf Israel meint der Londoner «Guardian» am Montag:
«Israel hat nach den Anschlägen der Hamas sehr viel Mitgefühl erfahren. Sein Recht, sich zu verteidigen, erlaubt es ihm jedoch nicht, das Kriegsrecht mit Füßen zu treten. Regierungsmitglieder und andere Politiker haben sich - in den Worten prominenter Israelis - «den Diskurs der Vernichtung, der Vertreibung und der Rache» offen zu eigen gemacht. (...)
Aber Israels bisherige taktische Erfolge gegen die Hamas und die Hisbollah sollten nicht mit einem strategischen Triumph verwechselt werden. Ein endgültiger militärischer Sieg ist eine Fata Morgana. Die israelischen Bürger sind unmittelbar durch einen ausgedehnten Krieg bedroht, und die Zerstörung von noch mehr Häusern und Familien durch Israel verschafft ihnen keine langfristige und nachhaltige Sicherheit. (...)
Die Freilassung der Geiseln der Hamas und ein Waffenstillstand im Gazastreifen - und jetzt auch im Libanon - werden von Monat zu Monat dringlicher. Machthungrige und hasserfüllte Männer haben einen Krieg entfesselt, in dem unschuldige Männer, Frauen und Kinder in der ganzen Region gestorben sind. Um ihn zu beenden, ist Diplomatie erforderlich, die sich nicht nur mit der unmittelbaren Krise befasst, sondern auch mit langfristigen Sicherheitsbedürfnissen, einschließlich einer fairen Lösung für die Palästinenser.»
«NZZ»: Völkermord-Vorwurf gegen Israel ist grotesk
ZÜRICH: Auch in der Schweiz gibt es ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf israelische Zivilisten kontroverse Debatten über den Nahostkonflikt. Dazu heißt es am Montag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:
«Neben Differenzierung braucht es vor allem Empathie und Menschlichkeit. Das heißt, dass die Freunde der Palästinenser anerkennen, wie traumatisch die Anschläge vom 7. Oktober für Israel, aber auch für die jüdischen Gemeinschaften in der Diaspora waren. Man kann es nicht oft genug betonen: Es war der schlimmste Pogrom seit dem Holocaust. Empathie heißt aber auch, dass jene, die zu Israel stehen, sehen, wie groß das Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza ist. (.)
Es sind Linksradikale, die immer wieder Öl ins Feuer gießen und, gewollt oder ungewollt, ein Klima schaffen, in dem sich manche muslimische oder nichtmuslimische Extremisten legitimiert fühlen, Juden anzugreifen. Damit entlarven sich diese Aktivisten, die angeblich für eine bessere Gesellschaft, für Frieden und Völkerverständigung kämpfen, als Heuchler.
Es spricht nichts dagegen, sich mit den Palästinensern zu solidarisieren und die Härte der israelischen Kriegsführung in Gaza zu kritisieren. Aber wer Israel vorwirft, in Gaza einen «Genozid» zu begehen, verdreht die Tatsachen auf groteske Weise. Es ist die Hamas, die ganz offen einen Völkermord anstrebt und nicht vor entsprechenden Mordattacken zurückschreckt.»
«Corriere della Sera»: Israel führt Krieg, um Frieden zu schließen
MAILAND: Am ersten Jahrestag des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Montag über die aktuelle Lage in Nahost:
«Wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem die Rede von «zwei Staaten für zwei Völker» eine leere Formel, eine Illusion zu sein scheint. Als ob es nur noch die Lösung der gegenseitigen Zerstörung gäbe. Die Hamas und die Hisbollah haben das Ziel der Zerstörung des Staates Israel niemals aus ihren Statuten gestrichen. Wir müssen uns diesem Vorhaben mit aller Kraft widersetzen und ohne zu zögern das Existenzrecht des jüdischen Staates verteidigen, eines Staates, in dem die Juden nicht mehr gezwungen sind, sich zu fürchten oder zu verstecken, wie es in unserem hochzivilisierten Europa heute wieder der Fall ist.
Aber wenn wir dem Antisemitismus entgegentreten wollen, der sich heute als Antizionismus tarnt, dann haben wir auch die Pflicht zu sagen, dass Israel sich ändern muss. Wenn es wirklich der einzige Ableger westlicher Freiheit und Demokratie im Nahen Osten ist, darf es Selbstverteidigung nicht mit der Vernichtung des Feindes verwechseln. Ist nach einem Jahr Krieg die Gefahr aus dem Gazastreifen wirklich beseitigt? Und wenn Israel auch das iranische Regime angreift, wird dann die Gefahr, die von den Ajatollahs ausgeht, beseitigt sein? Israel hat das Recht, Krieg zu führen. Aber es muss Krieg führen, um damit Frieden zu schließen.»