Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Stuttgarter Zeitung» zur WM-Vergabe

Die Allmacht der Fifa als Organisation und von Gianni Infantino an deren Spitze ist derart groß, dass sich kein Verband, der die Ausrichtung eines Turniers erwägt, Widerstand zumuten will.

Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nicht. Der immerhin größte Sportfachverband der Welt hat brav für die Bewerbung Saudi-Arabiens gestimmt. So steht nach der WM in Russland und dem Turnier in Katar 2026 also zunächst das reiseintensive Mammutevent in den USA, in Kanada und Mexiko an. Dann ein Turnier mit Spielen in Spanien, Marokko, Portugal, Uruguay, Argentinien und Paraguay. Danach geht es nach Saudi-Arabien. Weltfremder kann eine solche Liste kaum klingen. Doch wenn sich nicht bald eine starke Allianz mächtiger Verbände findet, die den Weltfußball auch sportpolitisch neu aufstellt, wird sie 2038 fortgesetzt - das ist sicher.


«Frankfurter Rundschau» zur Wahl Woidkes zum Ministerpräsident

Die Wählerinnen und Wähler haben es den politischen Akteurinnen und Akteuren in den drei ostdeutschen Ländern nicht leicht gemacht.

In Thüringen und Sachsen bilden sich Minderheitsregierungen, die sich bei jeder Entscheidung Mehrheiten suchen müssen. Seit Mittwoch steht fest, dass es auch in Brandenburg nicht einfacher wird - trotz einer Zwei-Stimmen-Mehrheit der Regierungsparteien SPD und BSW. Diese Mehrheit steht politisch nicht auf stabilen Füßen. Das haben mehrere Abgeordnete deutlich gemacht, die dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke ihre Stimme im ersten Wahlgang verweigerten. Woidke erhielt zwar im zweiten Wahlgang mehr Stimmen als erforderlich. Aber damit hat sich die Tür geöffnet für Verdächtigungen. Die Frage, ob die AfD das Zünglein an der Waage war, wird nicht nur diesmal gestellt - sie wird in allen drei Ländern häufiger mitschwingen. Die Rechtsextremen können sich die Hände reiben. Die notwendige Ausgrenzung ihrer menschenverachtenden Positionen wird immer schwieriger.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Vertrauensfrage

Die Vertrauensfrage hat mit Vertrauen wenig zu tun.

Vielmehr leitet der Bundeskanzler damit den Weg zu Neuwahlen ein. Auf die Abstimmung des Bundestages am Montag folgt die Entscheidung des Bundespräsidenten, der schon sein Wohlwollen signalisiert hat. Dann wählt der Bürger. Dieser Weg, die Legislaturperiode vorzeitig zu beenden, ist gelebte repräsentative Demokratie und bewährte Staatspraxis. Die Abgeordneten sind frei, ihre Motive, ihr "Vertrauen" ohnehin nicht überprüfbar. Wenn die Volksvertreter nicht mehr weiterwollen, ist das Volk wieder an der Reihe. Noch nahezu jede Wahl galt als Schicksalswahl. Neu war das mit hohem moralischen Ton gestartete und nun zerbrochene Experiment der Ampel im Bund, das mittelbar wieder zur Abstimmung steht: Soll es so weitergehen - oder braucht Deutschland einen klaren Politikwechsel?(.).


«Handelsblatt» zu Steuerdebatte und kalter Progression

Der Finanzminister musste in der Ampelkoalition in den vergangenen drei Jahren ziemlich hartnäckig verhandeln, um den Ausgleich der kalten Progression gegen SPD und Grüne durchzusetzen.

Die Steuerausfälle seien zu groß, die Entlastungen sozial unausgewogen, lauteten die Bedenken, von denen nun im Wahlkampf niemand mehr etwas wissen will. Noch im Oktober blockierten die Grünen die weitere Beratung des Steuerfortentwicklungsgesetzes im Bundestag. Nun beklagen sie, dass das Gesetz wahrscheinlich nicht mehr umgesetzt wird. Angesichts dieser Vorgeschichte ist es verständlich, dass die Bereitschaft der FDP, dem Entwurf nach dem Ampel-Aus zuzustimmen, gering ist. (.) Das Taktieren auf allen Seiten ist ein Argument dafür, dass die Anpassung der Steuertarife an die Inflation vielleicht doch besser automatisch erfolgen sollte.


«Nesawissimaja Gaseta»: Streit bei deutschen Konservativen

MOSKAU: Die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» beschäftigt sich mit dem Unions-Konflikt zwischen Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) wegen der Grünen. Das Blatt schreibt am Mittwoch:

«(Bundeskanzler Olaf) Scholz setzt auf eine Friedensmission im russisch-ukrainischen Konflikt und lehnt die Lieferung deutscher Marschflugkörper Taurus an Kiew strikt ab. Anders wiederum Merz, der dieser Tage aus Kiew zurückkehrte, wo er dem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj genau diese Raketen versprochen hat. Das macht ihn zur Geisel der Grünen, die in ihrer Außenpolitik einen härteren antirussischen Kurs verfolgen und die militärische Unterstützung für Kiew ausbauen wollen.

Söder äußert sich bislang nicht aktiv zur Außenpolitik, aber er sieht mit Misstrauen auf die Position der Grünen und ihres Kanzlerkandidaten, des amtierenden Wirtschaftsministers Robert Habeck, zur deutschen Wirtschaft. Er nennt Habeck gezielt das Gesicht der deutschen Krise. Gleichzeitig spricht Merz öffentlich davon, Habeck zum Wirtschaftsminister in seiner künftigen Regierung zu machen. Wie der «Focus» schreibt, steht es mittlerweile so, dass Söder ein Veto gegen eine Koalition mit den Grünen einlegen könnte.»


«Dagens Nyheter»: Es gibt kaum einen widerlicheren Diktator als Assad

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad:

«Es ist schwierig, einen widerlicheren Diktator als Baschar al-Assad zu finden, der jetzt politisches Asyl in Russland bekommen hat. Seine gesamten Taten lassen sich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zusammenfassen. Dies wurde nicht zuletzt deutlich, als die syrischen Rebellen in einer Stadt nach der anderen die Türen zu den vielen Gefängnissen des Regimes für Oppositionelle öffneten. Ans Licht taumelten Menschen, die seit Jahrzehnten nicht mehr außerhalb der Gefängnismauern gewesen waren, etliche mit Narben von jahrelanger Folter.

Als Baschar al-Assad 2000 die Macht übernahm, hofften viele auf ein neues, demokratischeres Syrien. Und anfangs schien auch er selbst zumindest in diesen Bahnen zu denken. All diese Träume wurden letztlich während des Arabischen Frühlings pulverisiert. Dann stellte sich heraus, dass Assad nicht nur die harte Linie seines Vaters fortführte, sondern sie zu einem Terrormodell ausbaute, das international seinesgleichen sucht. Noch wissen wir nicht, wie gemäßigt der Islamismus eigentlich ist, für den die Gruppe HTS und Abu Mohammed al-Dschulani stehen. Trotzdem versteht man, warum so viele Millionen Syrer vor Freude tanzen.»


«El País»: Militärische Interventionen in Syrien müssen aufhören

MADRID: Zu der Lage in Syrien nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad und den militärischen Interventionen anderer Länder wie der Türkei, Israel und der USA schreibt die spanische Zeitung «El País»:

«Die Realität in Syrien sieht so aus, dass drei Länder, darunter zwei Nachbarländer, weiterhin militärisch intervenieren, um ihren Einfluss auf die bevorstehende Machtteilung zu sichern. (...) Die Unsicherheit ist so groß, dass es zumindest gewagt erscheint, dass Länder wie Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen, die in den letzten Jahren geflohen sind, auf Eis legen. Im Mai hat die EU damit begonnen, Syrien als "sicheres Land" einzustufen, was nachweislich bei weitem nicht der Fall ist.

Die unmittelbare Aufgabe ist die Bildung einer Regierung, die sich - nach mehr als einem halben Jahrhundert Diktatur der Familie Al-Assad - für die Rückkehr zu einem normalen öffentlichen Leben, für Pluralismus, die Achtung von Minderheiten und den Schutz der individuellen Rechte, insbesondere der Frauen, einsetzt. Die Integrität Syriens wird nicht gewonnen, wenn ausländische Streitkräfte weiterhin intervenieren. Im Gegenteil, es wird die Voraussetzung für eine Zersplitterung und weitere Gewaltausbrüche sein. Der Frieden wird nicht automatisch durch den Sturz des Diktators kommen.»


«Pravo»: Politik ist keine Realityshow

PRAG: Zu den jüngsten Äußerungen des gewählten US-Präsidenten Donald Trump zur Nato-Beistandspflicht schreibt die Zeitung «Pravo» aus Tschechien am Mittwoch in ihrer Onlineausgabe:

«Donald Trump ist noch nicht ins Weiße Haus eingezogen, da stellt er bereits die Nato-Verpflichtungen der USA infrage. Er hat gesagt, dass er einen Austritt seines Landes aus dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis auf jeden Fall in Betracht ziehen würde. Und er hat einmal wieder angezweifelt, dass er einem angegriffenen Partnerstaat zu Hilfe eilen würde. Er macht dies davon abhängig, wie viel das betroffene Land für Verteidigung ausgibt. (...)

Trump hat noch immer nicht begriffen, dass die Politik keine Realityshow ist, in der man um jeden Preis Aufmerksamkeit erregen muss. In der Politik wird jede Äußerung sorgfältig analysiert. Und deshalb muss man seine Worte mit Bedacht abwägen. Es ist notwendig, den russischen Präsidenten Wladimir Putin und jeden anderen potenziellen Aggressor frühzeitig abzuschrecken. Die Nato ist mit ihren Atomwaffen das wirksamste Abschreckungsmittel des Westens. Und es ist nicht empfehlenswert, die eigene Sicherheit zu unterminieren.»


«The Independent»: Syrien könnte ein «gescheiterter Staat» werden

LONDON: Der Londoner «Independent» warnt am Mittwoch davor, dass Syrien in ein Chaos abgleiten könnte:

«Es muss verhindert werden, dass in Syrien geschieht, was sich nach dem Sturz von Saddam Hussein im Irak und von Muammar Gaddafi in Libyen abspielte. Ähnlich wie bei Baschar al-Assad handelte es sich bei diesen beiden um alteingesessene Diktatoren, die sich nicht um die Menschenrechte scherten und von ihrem eigenen Volk gehasst wurden - doch als sie stürzten, gab es nichts mehr, was ihre Länder zusammenhielt.

Diese Präzedenzfälle lassen nicht gerade Hoffnung für Syrien aufkommen. Das Land durchlitt seit den Aufständen des «arabischen Frühlings» im Jahr 2011 einen Bürgerkrieg, der es gespalten, traumatisiert und verarmt zurückgelassen hat. Wobei seine Regierung in erbärmlicher Weise von Patronage, militärischer Macht und Geld Russlands, des Irans und der Hisbollah abhängig war.

Mehr noch als andere Nationen, die einen langen Bürgerkrieg und die Herrschaft eines brutalen Schurken erlebten, droht Syrien ein weiterer chaotischer «gescheiterter Staat» zu werden - ein Land, das sich mehr oder weniger permanent im Krieg mit sich selbst befindet.»


«The Times»: Russland darf in Syrien nichts mehr zu sagen haben

LONDON: Die Londoner «Times» vertritt am Mittwoch die Ansicht, dass Russland bei der künftigen Entwicklung Syriens keine Rolle mehr spielen dürfe:

«Westliche Regierungen haben auf den Umsturz in Syrien mit dem Drängen auf eine politische Lösung reagiert, die die verschiedenen am Bürgerkrieg beteiligten Parteien berücksichtigt. Allerdings sollte man sich über die Grenzen und die Rolle der Diplomatie im Klaren sein. Russlands Präsident Wladimir Putin stellt sich als ehrlichen Makler und zugleich als Bollwerk gegen den islamistischen Extremismus in der Region dar. Weder das eine noch das andere ist wahr. Und man sollte ihn keinesfalls in der Annahme bestärken, dass er so wahrgenommen wird.

Putin betrachtete Russlands Eingreifen in Syrien als Teil eines umfassenderen Ziels in der Region und weltweit. Er sah sich als einen zuverlässigen Partner für seine Verbündeten, dem zivile Opfer egal sind und der somit eine Abschreckung für westliche Interventionen darstellt. Für eine Legitimierung der Regierung in Syrien - oder sonst wo in der Welt - durch das Volk hatte er nichts übrig. Er bezeichnete sie gar als falsch. Westliche Regierungen sollten ihm daher kein Mitspracherecht bei den weiteren Entwicklungen in Syrien und im Nahen Osten insgesamt einräumen.»


«Tages-Anzeiger»: Lage in Syrien noch äußerst volatil

ZÜRICH: Auch in der Schweiz wird über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge debattiert. Dazu meint der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Mittwoch:

«Wer Asyl erhält oder vorläufig aufgenommen wird, das ist - zuweilen geht es vergessen - kein politischer Entscheid: Die Kriterien sind im Gesetz festgeschrieben. Das SEM (Staatssekretariat für Migration) muss prüfen, ob diese Kriterien erfüllt sind. Derzeit ist die Lage in Syrien äußerst unübersichtlich und volatil. Wer Anrecht auf Asyl hat, weil ihm Verfolgung droht, lässt sich schlicht nicht beurteilen. (.) Ebenso unklar ist, ob eine Rückkehr zumutbar ist. Asylsuchende haben das Recht auf faire Verfahren, und diese setzen seriöse Analysen zur Lage in einem Land voraus. Dass solche am Tag eins nach einem Regimesturz nicht vorliegen, liegt auf der Hand.»


«NZZ»: Die meisten Syrer in Europa wollen wohl abwarten

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch die Debatten um die Rückkehr syrischer Flüchtlinge:

«Die Flüchtlingskonvention von 1951 ist eindeutig: Ein Widerruf des Schutzes ist möglich, wenn eine positive Veränderung im Herkunftsland eintritt, «die dauerhaft und nicht bloß vorübergehend ist».

Der Sturz Assads hat die syrischen Gemeinschaften in Europa in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt. Die Hoffnung auf einen Neuanfang mischt sich mit der Sorge, dass eine neue Runde der Gewalt bevorsteht. Gehen oder bleiben? Bei den meisten lautet die Antwort wohl: abwarten. (.)

Sollte sich aber die Chance bieten, das zerstörte Land dank einigermaßen stabilen Bedingungen wieder aufzubauen, sollten die europäischen Staaten tatkräftig mithelfen. Das würde es den «europäischen Syrern» erleichtern, bei dem Neuanfang mitzumachen, wozu sie die neue Führung bereits aufgerufen hat. Aber auch die unfreiwillige Rückkehr ist politisch akzeptabler, wenn Europa gleichzeitig seinen Beitrag für den Wiederaufbau leistet. Allerdings muss sich der Kontinent auch auf ein ganz anderes Szenario vorbereiten: dass die Fluchtbewegung aus dem Land sich wieder verstärkt.»

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