«Handelsblatt» zu Inflationszahlen
Insgesamt jedoch gilt, der Inflationsschock der vergangenen Jahre sitzt tief und hat Vertrauen zerstört - das verhindert eine nachhaltige Erleichterung bei den so wichtigen Inflationserwartungen. Denn der Konsument besitzt einen sensiblen Seismografen, was die Preisentwicklung angeht. Er weiß, dass die Preise selbst bei einer Rückführung der Preissteigerung auf das EZB-Inflationsziel von zwei Prozent mitnichten dort sein werden, wo sie sich vor dem Inflationsschock befanden. Im Gegenteil: Sie steigen weiter, wenn auch in moderateren Raten.
Das heißt: Will die EZB ihre Glaubwürdigkeit, die sie bei der fatalen Fehleinschätzung der Inflationsdynamik eingebüßt hat, wiedergewinnen, sollte sie sich im Zweifel für einen restriktiveren Weg entscheiden. Auch wenn das nicht jedem in Europas größter Volkswirtschaft gefallen sollte.
«Münchner Merkur» zu Israel/Hanija
Hamas-Chef Ismail Hanija, einer der Chefarchitekten des Massakers vom 7.
Oktober mit 1200 ermordeten Juden, hat den Tod verdient. Mit seiner Liquidation und der eines Hisbollah-Kommandanten gab Israel zugleich eine überzeugende Antwort auf das Blutbad, das vom Iran dirigierte Milizen zuletzt in einem drusischen Dorf verübten. Die wutbebenden Reaktionen aus Peking zeigen, wie sehr sich auch die Schutzmächte des iranischen Regimes getroffen fühlen. Der Iran hat mit Hanija nicht nur einen wichtigen Verbündeten verloren, sondern durch das Attentat mitten in seiner Hauptstadt eine Schande erlitten, die aus Sicht der Mullahs nach einer Antwort verlangt. Zugleich weiß man aber auch in Teheran, dass man sich auf die Kriegsschwüre des Kumpanen Erdogan besser nicht verlassen sollte. Ein Angriff auf die Atommacht Israel, gefolgt von einem Kriegseintritt der USA, wäre für den islamischen Gottesstaat hoch riskant.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Israel tötet Hamas-Führer
Die iranische Führung wird kaum umhinkommen, mit einem harten Gegenschlag auf die Tötung (.) Ismail Haniyeh[s] (.) zu reagieren.
Zu groß ist die Demütigung, die mutmaßlich Israel dem Regime zugefügt hat. (.) Eine schwache Reaktion könnte aus iranischer Sicht als Einladung an Israel verstanden werden, die Führung selbst ins Visier zu nehmen. (.) Nach wie vor gilt, dass Irans Oberster Führer Ali Khamenei kaum ein Interesse an einer unkontrollierten Eskalation haben kann. Sein Land ist Israel, zumal wenn es im Verbund mit den Vereinigten Staaten agiert, militärisch weit unterlegen. (.) Khamenei steht vor dem Balanceakt, Stärke zu demonstrieren, ohne die Kontrolle zu verlieren. Dabei dürfte es einmal mehr auf die Vereinigten Staaten ankommen, die schon in der Vergangenheit hinter den Kulissen Iran im Zaum gehalten haben.
«Gazeta Wyborcza»: Vance, der Mann der Technikgiganten
WARSCHAU: Hinter dem republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance sieht die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» die einflussreichen Chefs großer US-Technikkonzerne. Das Warschauer Blatt schreibt am Mittwoch:
«Vance gehört zur Blase der techno-autoritären Verrückten. Der Multimilliardäre, die überzeugt sind, dass ihr Reichtum ihnen nicht nur erlaubt, sondern sie geradezu verpflichtet, nach politischer Macht zu streben. In den vergangenen Jahren war eindeutig, dass ihre kollektive Selbstgewissheit gewachsen ist. Sie wollen ohne Grenzen regieren, das ist klar zu sehen, und was schlimmer ist, für einen Teil der Gesellschaft ist das normal geworden. (...) Wenn nur ein Teil dieser Ideen verwirklicht wird (und einige scheinen direkt aus «Mein Kampf» entnommen), ist das eine große Bedrohung. Einiges wurde schon in Trumps erster Amtszeit umgesetzt; dieses Mal könnte es sich in noch gefährlicher Form wiederholen.»
«Correio da Manha»: Gesetz der Rache in Nahost
LISSABON: Die portugiesische Zeitung «Correio da Manha» kommentiert am Mittwoch den israelischen Angriff auf den hochrangigen Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr in Beirut:
«(...) In dem seit langem andauernden Konflikt zwischen der jüdischen Armee und der Hisbollah haben diese erbitterten Feinde eine Art stillschweigende Übereinkunft getroffen, Tote zu rächen, ohne dass die Konfrontation zu einem offenen Krieg eskaliert. Aber die Tage dieses brudermörderischen Katz-und-Maus-Spiels könnten gezählt sein. (...) Die der Hisbollah nahestehende Tageszeitung «Al Akhbar» schrieb, dass diese Eskalation zwar eingedämmt sei, dies «aber nicht bedeutet, dass der Krieg nicht näher kommt». Immer mehr Menschen glauben, dass dies unvermeidlich ist.»
«Pravda»: Russisch-ukrainischer Krieg erreicht Mali
BRATISLAVA: Die slowakische Tageszeitung «Pravda» schreibt Mittwoch zur Tötung russischer Wagner-Söldner in Mali:
«Wie viele der ärmsten Länder der Welt ist auch das westafrikanische Mali eigentlich eines der reichsten. Diamanten, Gold, Öl und Gas lockten ab Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem Franzosen. (...) Nach deren Abzug 2022 war vor allem der Norden Malis Ziel von Angriffen der Tuareg und islamistischer Gruppen. Die katastrophale Sicherheitslage beeinflusst die Stabilität der ganzen Sahel-Region, was sich unmittelbar auf Europa auswirkt: Gerade aus von Kriegen erschöpften Gebieten wie Sahel kommen massive Flüchtlingsströme. (...) Fast zeitgleich mit dem russischen Angriff auf die Ukraine vervielfachte die private russische Wagner-Truppe ihre Präsenz in Mali.
Mit dem Versprechen, sie vor dem Dschihadisten-Terror zu schützen, verband sich Wagner noch vor dem Tod Jewgeni Prigoschins mit der malischen Militärjunta und soll sich dafür großzügig bezahlen lassen. Vom Zugang zu Bodenschätzen ganz zu schweigen. Nun scheint Mali eine vorgeschobene Front des Kriegs in Osteuropa zu werden. Aufständische Tuareg und Islamisten hissten über rund 80 getöteten Wagner-Söldnern die ukrainische Flagge. Auch wenn das eher symbolisch sein mag, ist verständlich, dass sich Kiew über jede Schwächung des russischen Potenzials freut. Den Feinden Russlands in Afrika aktiv beizustehen, kann sich für die Ukraine aber unangenehm rächen. Denn kaum ein Vertreter westlicher Werte wird offen die Unterstützung von Dschihadisten befürworten.»
«Politiken»: Naher Osten balanciert am Rande des Abgrunds
KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert die Lage im Nahen Osten:
«Wer hinter dem Raketenangriff steckt, bei dem in der drusischen Ortschaft Madschdal Schams auf den Golanhöhen zwölf Kinder und Jugendliche getötet wurden, ist noch nicht abschließend geklärt. Aber die meisten Anzeichen deuten darauf hin, dass es die libanesische Hisbollah-Miliz war, und jetzt balanciert die gesamte Region am Rande einer noch größeren Katastrophe als der Gaza-Krieg. Israel hat bereits angekündigt, dass es hart zurückschlagen wird. Wenn die Hisbollah dann noch härter zurückschlägt, wird es schnell zu dem Krieg kommen, den sowohl die Hisbollah als auch Israel versucht haben, zu vermeiden.
Ein Krieg wäre mit Sicherheit eine Katastrophe für Israel wie auch für den Libanon. Wo ein solcher Krieg endet und ob andere Mächte - nicht zuletzt der Iran - hineingezogen werden, ist unmöglich, vorherzusagen. Der Weg zur Vermeidung des Kriegs führt über Gaza. Nur eine dortige Waffenruhe wird es der Hisbollah politisch ermöglichen, den Raketenbeschuss auf Israel zu stoppen und damit eine Normalisierung in beiden Ländern in Gang zu setzen. Die Tragödie in Palästina ist groß. Stoppt den Krieg dort, bevor er sich ausbreitet.»
«NZZ»: Deutschlands neues Wahlrecht belohnt Konformismus
ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrechtsreform-Gesetz der Ampel-Koalition:
«Das Gesetz, das die Koalition beschloss - ohne maßgebliche Einwände der Oppositionsparteien zu berücksichtigen -, ist aber durchaus kritikwürdig. Zugespitzt kann man sagen: Es verschafft den Parteiapparaten (noch) mehr Macht und zwingt die Abgeordneten zu (noch) mehr Stromlinienförmigkeit. (.)
Nach dem neuen «Zweitstimmendeckungsverfahren» kann es geschehen, dass ein Kandidat zwar in seinem Wahlkreis die Mehrheit der Stimmen bekommt, aber trotzdem nicht in den Bundestag einzieht, wenn er auf der Landesliste seiner Partei nicht weit genug oben platziert ist. Damit werden die Chancen knorriger, widerständiger und unabhängig denkender Abgeordneter geringer. Die Gunst der Parteiführungen gewinnt an Bedeutung - und nach aller Erfahrung fördern diese vor allem Zustimmer, Quoten-Personen oder ehemalige Mitarbeiter. Das neue Wahlrecht belohnt also Konformismus.»
«De Telegraaf»: EU fürchtet Einreise russischer Agenten über Ungarn
AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» kommentiert am Mittwoch die ungarischen Sonderregeln für erleichterte Einreisen von Gastarbeitern aus Russland und Belarus:
«Es wird befürchtet, dass Ungarn russischen Spionen die Tür nach Europa öffnet. Diese Sorge ist nicht unberechtigt. Ungarn ist Teil des Schengen-Raums. Russen, die einmal von Ungarn hineingelassen wurden, können ohne scharfe Kontrollen weiter in andere Schengen-Länder reisen.
Die Sicherheitsdienste warnen vor russischen Sabotageakten als Teil eines Schattenkriegs gegen Europa. Der Kreml steuert damit auf einen Dauerkonflikt mit dem Westen zu. Die Nato hatte bereits zuvor auf die Gefahr von «Sabotage, Gewaltakten, Cyber- und elektronischen Interventionen, Desinformationskampagnen und anderen hybriden Operationen» gewarnt. Es versteht sich von selbst, dass man den Agenten des Kremls keinen freien Spielraum geben darf. Die ungarische Entscheidung, große Gruppen von Russen unkontrolliert einreisen zu lassen, ist daher besonders unheilvoll.»
«The Guardian»: Maduro könnte Repression noch verstärken
LONDON: Zur Lage in Venezuela nach der Präsidentenwahl meint die britische Zeitung «The Guardian» am Mittwoch:
«Schon bevor Venezuelas Wähler am Sonntag zu den Urnen gingen, war absehbar, dass sich Nicolás Maduro zum Sieger erklären und die Opposition die offiziellen Ergebnisse als Fälschung bezeichnen würde. (...)
Fast acht Millionen Venezolaner haben bereits mit den Füßen abgestimmt, seit Maduro 2013 Wahlen knapp gewann. Einer Umfrage zufolge würde bis zu einem Drittel der Venezolaner erwägen, das Land zu verlassen, wenn er an der Macht bleibt. Das beunruhigt andere Länder in der Region und die USA, die derzeit selbst vor Wahlen stehen.
Vor allem aber sollte es um die Interessen und Rechte der Venezolaner gehen. Maduro hatte vor «einem Blutbad ... einem brudermörderischen Bürgerkrieg» gewarnt, sollte seine Partei nicht triumphieren. Bis auf weiteres scheint er die Unterstützung der Sicherheitskräfte zu haben. Seine Menschenrechtsbilanz ist düster. Es ist zu befürchten, dass er seine autoritäre Unterdrückung noch weiter verstärken wird.»