Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zum Bürgergeld

Der heiß laufende Streit über das Bürgergeld ist ein Paradebeispiel dafür, wie reflexhaft und populistisch die Politik teils unterwegs ist.

Bundestag und Bundesrat haben die Erhöhung längst gesetzlich verabschiedet - sie kann praktisch nicht mehr gebremst werden. Schon technisch lässt sich die Auszahlung nicht mehr aufhalten, wie die Bundesagentur für Arbeit feststellt. Und eine Korrektur im Nachhinein wäre mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Für Verwirrung ist also gesorgt. Selbst die Ampel ist sich - wieder einmal - völlig uneins, weil die FDP querschießt. Politisch wäre es ein fatales Signal, wenn die Bundesregierung kurzfristig eine Rolle rückwärts machen und auf die Sozialleistung verzichten wollte - das Vertrauen in den Staat würde massiv demoliert. Die Rechtspopulisten würden noch mehr Zulauf gewinnen.


«Handelsblatt» - zu KI-Regulierung und Urheberrecht

Als Unternehmen wie Aleph Alpha und OpenAI ihre Modelle trainiert haben, bewegten sie sich in einer rechtlichen Grauzone.

Sie nahmen in Kauf, dass Rechteinhaber Ansprüche geltend machen, die sogar ihr Geschäftsmodell bedrohen könnten. Mögliche Klagen können die Folge sein, die wiederum auch KI-Unternehmen vor existenzielle Fragen stellen. Deswegen müssen gerade sie ein Interesse an rechtlicher Klarheit haben, die Regulierung schaffen kann. Nur so können sie ihr Geschäft absichern. Sich gegen die Regulierung von Urheberrecht in der KI-Verordnung zu stellen greift also zu kurz und wäre naiv. Das Urheberrecht muss über kurz oder lang auch in ihrem Sinne an die neue Zeit angepasst werden. Außerdem: Schon jetzt gerät das Training von KI-Modellen an seine Grenzen. Es fehlt schlicht an Daten. Wenn Rechteinhaber künftig keinen Zugriff mehr auf ihre Werke erteilen wollen, schneiden sie KI-Unternehmen von qualitativ hochwertigen Daten ab - einem extrem wertvollen Rohstoff für noch bessere Modelle.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Antisemitismus / Angriffe auf uns alle

(...) Der Angriff der Hamas-Folterknechte auf israelische Bürger und Besucher des Landes hat, schon bevor Israel überhaupt reagieren konnte, zu einer Parteinahme geführt, die man oft nur als Israelfeindschaft und Judenhass deuten konnte.

(...) Was tun? Jedem muss klar sein, dass es hier um Angriffe auf uns alle geht. Das war im Grunde schon vor achtzig Jahren so. Die eigenen Landsleute und Nachbarn wurden geächtet, misshandelt, verschleppt und umgebracht. Ein falsches Wort konnte das Leben kosten. Wer das Existenzrecht Israels bestreitet, könnte es auch der Ukraine oder Deutschland absprechen. Wer Andersgläubige ausgrenzt, könnte bald selbst an der Reihe sein. Nötig sind weniger Sonderregeln, ist mehr Miteinander. Ohne Menschlichkeit ist kein Staat zu machen.


Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

«Frankfurter Rundschau» zur Debatte über ein angebliches Revival der Atomkraft

Immer noch, nach 70 Jahren Erfahrung mit der Atomenergie, setzen viele in Politik und Wirtschaft international (und neuerdings auch wieder hierzulande) auf deren Renaissance.

Heute geht es angeblich um die Rettung vor dem Klima-GAU durch viele neue Reaktoren. Der neue «World Nuclear Industry Report» belegt nun, wie fern der Realität diese Visionen 2.0 sind. Der nukleare Anteil an der weltweiten Stromproduktion ist auf den tiefsten Stand seit vier Jahrzehnten gesunken. Und eine Trendwende ist, aller Beschwörungen zum Trotz, nicht Sicht. Die Welt muss auf Öko-Energien und mehr Energieeffizienz setzen. Das ist billiger und geht viel schneller, als die Atomkraft mit ihren Risiken zu pushen.


«Lidove noviny»: Russland international nicht völlig isoliert

PRAG: Der wegen des Ukraine-Krieges international isolierte russische Präsident Wladimir Putin besucht die Ölstaaten Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Dazu schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Mittwoch:

«Es ist klar, dass man in der heutigen Welt niemanden hundertprozentig isolieren kann. (...) Doch nun will der russische Präsident Wladimir Putin in eine höhere Liga aufsteigen. Sein Weg führt auf die arabische Halbinsel, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Saudi-Arabien. Das zeigt, dass selbst Staaten, die geopolitisch als proamerikanisch gelten, Putin nicht ächten. (...)

Tatsächlich verfügt Russland im Nahen Osten sogar über das größere Partner-Potenzial als die USA. Washington betrachtet Israel, Ägypten, die Türkei, Saudi-Arabien und die Emirate als seine Partner, nicht aber den Iran, Syrien oder radikale Palästinensergruppen. Für Moskau sind indes alle genannten Staaten und Gruppen mögliche Partner.»


«Libération»: USA sollten Israel Grenzen setzen

PARIS: Zum Gaza-Krieg schreibt die französische Tageszeitung «Libération» am Mittwoch:

«Die «Kollateralschäden», wie das Militär die getöteten Zivilisten nennt, sind nicht wichtig. Hauptsache, die Bedrohung ist beseitigt. (...) Die traurige Wahrheit ist: Die internationale Gemeinschaft ist machtlos, diese Tragödie zu stoppen, die auf eine andere Tragödie antwortet, nämlich die von der Hamas am 7. Oktober verübten Massaker. (...) Der Präsident der Vereinigten Staaten, der als einziger über echte finanzielle und militärische Druckmittel gegen Israel verfügt, sollte dringend Grenzen setzen, die in diesem Konflikt, der bereits zu viele unschuldige Opfer gefordert hat, nicht überschritten werden dürfen.»


«La Vanguardia»: Klimagipfel und Höhlenmenschen

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Mittwoch die Weltklimakonferenz COP28:

«Auf der COP28 kam es zu vielen hitzigen Kontroversen. Wie eine Bombe schlug jedoch die Aussage des Konferenzpräsidenten Sultan al-Dschaber ein, der erklärte, dass «es keine Wissenschaft» gäbe, die die Notwendigkeit einer Abkehr von fossilen Brennstoffen als Voraussetzung für eine globale Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad belege. Er sagte sogar, dass der Verzicht auf Öl «uns in die Höhlen zurückbringen würde». Manche fragen sich immer noch, warum der Klimagipfel an einem Ort wie Dubai stattfindet: Den Leugnern eine Stimme zu geben ist, als würde man den Wolf hereinholen, um den Hühnerstall zu bewachen.

Aber es ist keine ganz schlechte Nachricht für den Kampf gegen den Klimawandel, dass Al-Dschaber mitten auf dem Gipfel einen Rückzieher machen musste und betonte, er respektiere die Wissenschaft. Und weil seine Äußerungen den Staats- und Regierungschefs der Welt einen weiteren Grund gegeben haben, auf dem Gipfel Druck auszuüben und so einen konkreteren und ehrgeizigeren Zeitplan für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen durchzusetzen. Jede Wolke hat einen Silberstreifen. Die Zukunft des Planeten steht auf dem Spiel.»


«Corriere della Sera»: Putin will auf internationale Bühne zurück

ROM: Die italienische Tageszeitung «Corriere della Sera» meint am Mittwoch zur Reise von Russlands Präsident Wladimir Putin nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate:

«Putin ist nicht zufrieden damit, an den Tisch der G20 zurückzukehren, wenn auch nur virtuell. Nun reist er durch die Welt, um zwischen Petrodollars und Scheichs an Orten zu verhandeln, wo über das Klima und den Gazastreifen diskutiert wird. (...) Wladimir von Arabien werde «bilaterale Beziehungen und den israelisch-palästinensischen Konflikt» besprechen, so sein Sprecher Dmitri Peskow, sowie die «Koordination bezüglich des Ölmarkts». Doch über die praktischen Auswirkungen hinaus dient diese Wirbelwind-Tour auch dazu, Russlands Rolle als Schlüsselmacht im Nahen Osten zu behaupten und die Isolation zu leugnen.

Angesichts des Scheiterns der hochgepriesenen Sommeroffensive der Ukraine, die Risse zwischen Wolodymyr Selenskyj und seinen Militärs erzeugt und die «Müdigkeit» des Westens bei der Unterstützung Kiews verstärkt, angesichts der Fähigkeit der russischen Wirtschaft, die Sanktionen zu verkraften und angesichts der internationalen Aufmerksamkeit, die auf Gaza und Israel gerichtet ist, scheint der russische Präsident entschlossen, auf die internationale Bühne zurückzukehren.»


«Aftonbladet»: Israels Feldzug könnte neue Terroristen schaffen

STOCKHOLM: Die sozialdemokratische schwedische Tageszeitung «Aftonbladet» (Stockholm) kommentiert am Mittwoch das israelische Vorgehen im Gazastreifen:

«Zwei Monate sind seit den Terroranschlägen der Hamas auf israelische Ziele vergangen, bei denen mehr als 1200 Israelis getötet und 240 Menschen als Geiseln genommen wurden. Israels Reaktion war knallhart. Bislang sind etwas mehr als 15.900 Palästinenser bei den Kämpfen getötet worden. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen und Kinder. Der Krieg gegen die Hamas trifft vor allem palästinensische Zivilisten. Nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms sind mehr als eine Million Palästinenser von einer Hungersnot bedroht.

Jetzt geht sogar die Geduld der Freunde Israels zur Neige. Der französische Präsident (Emmanuel Macron) hat gesagt, Israel müsse seine Ambitionen im Gazastreifen klarer definieren. Noch schärfere Worte kamen aus Washington. «Das Ausmaß des Leidens der Zivilbevölkerung und die Bilder und Videos, die aus dem Gazastreifen kommen, sind verheerend», sagte (Vizepräsidentin Kamala) Harris. Washington werde weder eine Zwangsumsiedlung von Palästinensern noch eine Neuziehung der gegenwärtigen Grenze zum Gazastreifen zulassen. (Israels Ministerpräsident) Benjamin Netanjahu sollte auf seinen engsten Partner hören. Mit seiner derzeitigen brutalen Strategie riskiert Israel, mehr Terroristen zu schaffen, als es getötet hat.»


«The Independent»: Deal mit Ruanda wird nicht funktionieren

LONDON: Mit einem neuen Vertrag will die britische Regierung ein Urteil des Obersten Gerichts umgehen und Asylsuchende nach Ruanda abschieben. Dazu meint der Londoner «Independent» am Mittwoch:

«Die erste Wahrheit über den neuen Plan ist, dass er nicht funktionieren wird. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Oberste Gerichtshof, der dieses Vorhaben im vergangenen Monat zurückgewiesen hat, davon überzeugt werden kann, dass die beanstandeten rechtlichen Mängel behoben wurden.

Die zweite Wahrheit über die Regelung ist ebenfalls, dass sie nicht funktionieren wird: Selbst wenn der Oberste Gerichtshof überzeugt werden könnte und dann einige Flugzeuge mit Asylsuchenden auf dem internationalen Flughafen von Kigali ankämen, würde die Politik nach vielen weiteren Monaten, wenn nicht Jahren von Gerichtsverfahren, die sich mit den besonderen Umständen jedes Einzelnen befassen, nicht abschreckend genug wirken, um «die Flüchtlingsboote zu stoppen». (...)

Die beste Aussicht auf eine praktikable Lösung des Problems mit den «kleinen Booten» besteht weiter in Verhandlungen mit europäischen Nachbarn, insbesondere mit den Franzosen, aber auch mit der EU als Ganzes, von der die meisten Mitglieder mit ähnlichen Problemen in größerem Umfang zu kämpfen haben.»


«NZZ»: Maduros Vorgehen ist beunruhigend

ZÜRICH: Venezuelas autoritärer Präsident Nicolás Maduro hat den Anspruch seines Landes auf die rohstoffreiche Region Essequibo im Nachbarstaat Guyana bekräftigt. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Vorerst scheint die Drohung mit der Annexion Essequibos tatsächlich in erster Linie Propaganda zu sein. Selbst die Regierung von Guyana glaubt zurzeit nicht, dass eine unmittelbare Invasion durch Venezuela bevorsteht. Trotzdem ist das Vorgehen des unberechenbaren Maduro beunruhigend. Ein Grenzkonflikt könnte ihm nächstes Jahr auch dazu dienen, die Präsidentschaftswahl auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Südamerika hat eine lange Geschichte von militärischen Konflikten, bei denen autoritäre Regierungen Territorialstreitigkeiten für innenpolitische Ziele missbrauchten - auch in neuerer Zeit. (...)

Sollte Maduro den Beispielen folgen und wirklich einen Krieg mit Guyana beginnen, würde eine gefährliche internationale Verwicklung drohen. Die USA und Großbritannien, die ehemalige Kolonialmacht von Guyana, dürften einem solchen Angriff kaum tatenlos zuschauen. Wie sich dann Maduros Verbündete Russland und China - der größte Geldgeber von Venezuela - verhalten würden, ist eine offene Frage.»

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