«Stuttgarter Zeitung» zu Chaos im US-Repräsentantenhaus
Es ist müßig, nach den Gründen der Frondeure unter Führung des halbseidenen Abgeordneten Matt Gaetz zu fragen.
In dem Konflikt geht es nicht um die Sache. Der ultrarechte bis rechtsextreme Flügel der Republikaner ist schlicht politikunfähig. Einige hassen den demokratischen Staat so, dass sie ihm die Mittel abdrehen wollen. Andere sind Verschwörungsideologen, viele schlicht Krawallmacher und Selbstdarsteller, die sich für ihre wütende Basis im Kampf gegen den «Washingtoner Sumpf» inszenieren. Die Ablehnung jeglichen Kompromisses und eine nihilistische Obstruktionspolitik sind ihr kleinster gemeinsamer Nenner. So entpuppt sich der Sturz des Speakers als reine Kamikazeaktion. Mithin dürfte der Kongress auf absehbare Zeit kaum verlässlich handlungsfähig sein. Die Republikaner befinden sich im Krieg mit sich selbst. Sie halten zwar die Mehrheit im Repräsentantenhaus, aber sie haben die Kontrolle verloren.
«Frankfurter Rundschau» zu Kevin McCarthy
Es ist müßig, nach den Gründen der Frondeure unter Führung des halbseidenen Abgeordneten Matt Gaetz zu fragen.
In dem Konflikt geht es nicht um die Sache. Der ultrarechte bis rechtsextreme Flügel der Republikaner ist schlicht politikunfähig. Einige hassen den demokratischen Staat so, dass sie ihm die Mittel abdrehen wollen. Andere sind Verschwörungsideologen, viele schlicht Krawallmacher und Selbstdarsteller, die sich für ihre wütende Basis im Kampf gegen den «Washingtoner Sumpf» inszenieren. Die Ablehnung jeglichen Kompromisses und eine nihilistische Obstruktionspolitik sind ihr kleinster gemeinsamer Nenner. So entpuppt sich der Sturz des Speakers als reine Kamikaze-Aktion. Ein mehrheitsfähiger Nachfolger oder eine Nachfolgerin ist aus naheliegenden Gründen nicht in Sicht: Der Job kommt einem Himmelfahrtskommando gleich. Mithin dürfte der Kongress auf absehbare Zeit kaum verlässlich handlungsfähig sein. Die Republikaner befinden sich im Krieg mit sich selbst.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Forderung/Bezahlkarten/Migranten
Migranten mit Sachleistungen zu versorgen ist verfassungsrechtlich möglich und auch kein Problem der Menschenwürde, die oft genug zu kleiner Münze verkommt.
Nichts steht im Weg. Es ist auch das gute Recht des Staates, dadurch Missbrauch zu verhindern und Anreize zu senken. Der Transfer von Geld in die Herkunftsländer ist ja streng genommen schon ein Beleg für den Missbrauch der konkreten Leistung, jedenfalls dafür, dass der Empfänger sie nicht für sich dringend benötigt. Hiergegen vorzugehen ist Pflicht. Die Wendung von der «Senkung der Sozialleistungen» hört sich hart an, bedeutet aber nur: den Sozialstaat ernst nehmen. Niemand muss hier nach der EU rufen und im Grunde auch nicht nach dem Bund. Die Länder könnten einmal zeigen, dass sie Staaten sind und der Bund überhaupt nur durch sie existiert.
«La Vanguardia»: Noch keine echte Einheit in Deutschland
MADRID: Zum Tag der Deutschen Einheit schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Mittwoch:
«33 Jahre nach der historischen Wiedervereinigung gibt es immer noch keine wirkliche soziale und wirtschaftliche Einheit zwischen den beiden Teilen der deutschen Bevölkerung. Die Behörden selbst räumen ein, dass es weiterhin ein wirtschaftliches Gefälle zwischen dem Westen und dem Osten des Landes gibt. Und Berichte spiegeln auch ein psychologisches Gefälle wider, da sich viele Bewohner der ehemaligen DDR nicht vollständig integriert fühlen. (...)
Dies stellt auch ein politisches Problem dar, das immer größer wird. Die Unzufriedenheit wird von der extremen Rechten ausgenutzt, um Wählerstimmen zu gewinnen. Das erklärt den Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD), deren Führer die hohe Arbeitslosigkeit unter anderem auch auf die zunehmende Einwanderung zurückführen. Die Behörden versuchen, öffentliche und private Investitionen in die Bundesländer des Ostens zu lenken (...) Aber sie müssen ihre Anstrengungen verdoppeln, wenn sie bald eine echte Einheit mit politischer Stabilität erreichen wollen.»
«Diena»: Rolle der Vereinten Nationen wird immer symbolischer
RIGA: Die lettische Tageszeitung «Diena» beschäftigt sich am Mittwoch mit der Rolle der Vereinten Nationen in der Welt:
«Dass die 1945 gegründete Organisation nicht mehr der Realität der modernen Welt entspricht, wodurch ihre Handlungsfähigkeit und Funktionalität und damit auch ihr internationaler Einfluss deutlich einschränkt wird, ist schon seit mindestens einem Jahrzehnt in aller Munde. Auch über die Notwendigkeit oder den Wunsch, den UN-Sicherheitsrat zu reformieren, wird bereits seit dem Ende des Kalten Krieges gesprochen.
Die Situation hat sich zugleich nicht wirklich verändert - die bestehenden UN-Statuten können nicht ohne Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats geändert werden. Trotz ihrer offiziell zum Ausdruck gebrachten Unterstützung für die Notwendigkeit von Reformen vertreten sie radikal unterschiedliche Meinungen dazu, wie die Änderungen aussehen sollen. (...)
Das Ergebnis all dieser Widersprüche ist, dass die Rolle der UN in der internationalen Politik immer symbolischer wird. Deshalb wird die Organisation immer häufiger mit ihrem eher traurigen Vorgänger verglichen: dem Völkerbund. Ehrlich gesagt ist das ein erschreckendes Beispiel, vor allem weil auf dessen Zusammenbruch der verheerendste Krieg in der Geschichte der Menschheit folgte.»
«Le Figaro»: Deutschland Hindernis für Atomkraft in Europa
PARIS: Zu Frankreichs Einsatz für Kernenergie schreibt die konservative französische Tageszeitung «Le Figaro» am Mittwoch:
«Man müsste schon verrückt sein, um auf Atomkraft zu verzichten! (...) Dank dieser dekarbonisierten Energie sind wir das große Land auf dem Kontinent, das am wenigsten CO2 ausstößt. Die Energie steht jederzeit zur Verfügung - und daher sind unsere Kraftwerke für den massiven Ausbau von Windkraft und Photovoltaik unabdingbar. Diese haben den Nachteil, unregelmäßig zu produzieren. Außerdem trägt dieser reichlich vorhandene Strom zu unserer Energieunabhängigkeit bei. Ist es nicht an der Zeit, bei der Kernenergie weiter zu gehen? (...)
Die Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, sind nicht gering. (...) Politisch ist Deutschland das größte Hindernis. Seit Monaten kämpft Berlin in Brüssel unermüdlich gegen neue Atomkraft, während es gleichzeitig seine Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nimmt, um die Schließung von Reaktoren auszugleichen und seine Windräder und Photovoltaikanlagen zu ersetzen, wenn der Wind nachlässt oder wenn die Nacht anbricht. In Zeiten der Energiekrise und des Klimawandels fragt man sich, ob da nicht etwas faul ist?»
«Lidove noviny»: Binnenkontrollen nur eine Verzweiflungstat
PRAG: Tschechien, Polen und Österreich haben wegen der irregulären Migration ihre Kontrollen an den Grenzen zur Slowakei verschärft. Dazu schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Mittwoch:
«Das ist nur ein verzweifelter Versuch, die illegale Massenmigration zu begrenzen. Denjenigen, die nun von einem Dominoeffekt warnen, muss man sagen, dass Deutschland bereits in der vergangenen Woche seine Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien verschärft hatte. Doch selbst das ist nicht der Beginn der Dominokette. Der eigentliche Ursprung des Problems liegt darin, dass sich die Befürworter einer gemeinsamen europäischen Lösung darunter eine Umverteilung von Migranten vorstellen. Doch was wir brauchen, sind Bremsen auf allen Zugangstrassen nach Europa, also auch auf dem Meer.»
«Tages-Anzeiger»: Zweifel an Europas «Wachstumslokomotive»
ZÜRICH: Der «Tages-Anzeiger» kommentiert am Mittwoch die wirtschaftliche Lage Deutschlands:
«Wirtschaftsfachleute sind sich einig, dass Deutschland unter Russlands Krieg gegen die Ukraine, den gestörten Lieferketten nach China und dessen lahmem Wachstum mehr gelitten hat als die anderen großen Industrieländer. Deutschland musste innert Monaten auf billiges russisches Erdgas verzichten und erlitt dadurch einen Energiepreisschock, der eine Inflation auslöste, wie es sie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr gab. (...)
Als Deutschlands Wirtschaft Anfang der 2000er-Jahre tatsächlich «krank» war und Millionen von Menschen ohne Arbeit, griff die Regierung zu einschneidenden Reformen: Die Agenda 2010 lief darauf hinaus, dass Deutschland durch Sozialabbau seine Arbeitskosten senkte, dadurch wettbewerbsfähiger wurde und sich schließlich aus der Krise «herausexportierte». Ähnliches wird diesmal angesichts der veränderten geo- und sozialpolitischen Lage kaum gelingen - zumal die Arbeitslosigkeit weiter tief liegt und das Krisenbewusstsein in Bevölkerung und Politik nur wenig Fuß gefasst hat.
Fachleute erwarten, dass die Inflation, die im August noch bei 6,1 Prozent lag, bald deutlich sinkt. Laut Währungsfonds soll die Wirtschaft 2024 wieder wachsen, um 1,3 Prozent, das wäre mehr als in Großbritannien oder den USA. Dass Deutschland danach aber umstandslos wieder zur gewohnten Wachstumslokomotive für Europa wird, darauf sollte man in den nächsten Jahren eher nicht wetten.»
«The Guardian»: Ficos Wahlsieg ist ein unheilvolles Signal
LONDON: Der Londoner «Guardian» kommentiert am Mittwoch den Wahlsieg von Robert Fico in der Slowakei:
«Angesichts von Befürchtungen über wachsende Risse in der westlichen Allianz hinsichtlich des russischen Krieges in der Ukraine hat der Sieg eines Putin-freundlichen Populisten, der sich für die Einstellung der Militärhilfe für Kiew einsetzt, ein unheilvolles Signal gesendet. «Die Slowakei hat größere Probleme als die Ukraine», sagte Robert Fico nach seinem Sieg, der im Kreml für Zufriedenheit gesorgt haben dürfte. (...)
Für die EU bedeutet Ficos Triumph, dass die Kerngruppe der Dissidenten in Mitteleuropa größer geworden ist, was sich noch verstärken wird, wenn die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Ende des Monats in Polen die dritte Wahl in Folge gewinnt.
In Budapest und Warschau und anscheinend nun auch in Bratislava ist die routinemäßige Verunglimpfung und Ablehnung von EU-Normen und -Werten - in Bezug auf Minderheitenrechte, Flüchtlinge und Rechtsstaatlichkeit - zu einer erfolgreichen Vorlage für sozialkonservative, nationalistische Parteien geworden, die ihre Stärke aus einem als Waffe benutzten kulturellen Christentum beziehen.»
«Wall Street Journal»: Demokraten könnten McCarthy noch vermissen
NEW YORK: Radikale Republikaner haben den Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, in einem historischen Schritt aus dem Amt getrieben und das Parlament so ins Chaos gestürzt. Dazu schreibt das «Wall Street Journal»:
«Einer Gruppe von acht Republikanern ist es am Dienstag gelungen, Kevin McCarthy als Sprecher des Repräsentantenhauses abzusetzen, und wir hoffen, dass sie glücklich sind. Sie haben jetzt das Chaos, das sie wollten, obwohl nicht klar ist, was sie sonst noch erreichen wollen. Ihr cleverer Plan scheint darin zu bestehen, sich selbst die Köpfe abzuschlagen. McCarthy hat seinen Job verloren, aber er hat in den letzten Tagen durch die Art und Weise, wie er mit diesem drohenden Putsch umgegangen ist, für uns an Ansehen gewonnen.(...)
Die Demokraten haben beschlossen, McCarthy nicht zu unterstützen, und zweifellos genießen sie die Unruhen unter den Republikanern. (...) Aber die Demokraten könnten den ehemaligen Vorsitzenden noch vermissen, wenn das Chaos längere Zeit anhält und zu einem Shutdown oder der Nichtbewilligung von Hilfsgeldern an die Ukraine führt. Der nächste Sprecher könnte schwächer sein als McCarthy und noch weniger bereit, Nein zu den Verweigerern zu sagen.»