«Stuttgarter Zeitung» zu Verhandlungsangebot Putins
Man müsse Putin zwingen, Frieden zu suchen, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Ramstein - und forderte weitere Waffen.
Dabei will der russische Präsident doch Frieden - das beteuerte er eben erst während eines Wirtschaftsforums im russischen Wladiwostok. Er versteht darunter keinen Frieden, wie ihn jeder versteht: kein Sterben mehr, keine Bomben, Gespräche darüber, wie man auf Augenhöhe miteinander umgehen und sich respektieren will. Nein, Putin will bestimmen, was im Detail geschieht und es dann Frieden nennen. Für die Ukraine sähe das so aus: Sie verlöre etwa ein Sechstel ihres Gebiets - vor allem die Region Donbass, in der Geologen eines der weltweit reichsten Vorkommen seltener Erden vermuten. Über die besetzte Krim soll bis zu 15 Jahre lang verhandelt werden. Fällt sie an Russland, verlöre die Ukraine fast 20 Prozent ihres Landes.
«Münchner Merkur» zu Asyl
77% der Deutschen wollen eine fundamentale Asylwende.
Erst recht nach Bad Oeynhausen, Mannheim, Solingen und München sollte sich niemand wundern, dass die Stimmung auch bei Menschen gekippt ist, die Migration grundsätzlich offen gegenüberstehen. Merz hat Recht, wenn er auf Zurückweisungen an den Grenzen pocht. Nur mit Abschiebungen ist die Asylwende nicht zu schaffen, solange jeden Monat ebenso viele Illegale neu ankommen, wie im Jahr abgeschoben werden. Doch muss auch die Union über ihren Schatten springen. Mitschuld am Migrations-Klimasturz und am Aufstieg der Demagogen ist ja der Fehler, dass unsere großzügige Asyl- und Sozialpolitik viele Migranten einlud, nur um sie danach mit allen Finessen deutscher Regulierungskunst vom Arbeitsmarkt fernzuhalten und sie dafür in die Sozialsysteme zu schleusen. Wir müssen die, die nun schon mal hier und guten Willens sind, schnell arbeiten lassen.
«Sme»: Biden verliert die Geduld mit Netanjahu
BRATISLAVA: Die slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Freitag zum Gaza-Krieg:
«Ob es einen Waffenstillstand in Gaza gibt, kann darüber mitentscheiden, wer im Weißen Haus residieren wird. Die Frage belastet den Wahlkampf von (Vizepräsidentin Kamala) Harris und die amtierende Regierung (Joe) Bidens. Mit Ankündigungen, dass eine Einigung «unmittelbar bevorstehend» sei, umwarb Biden die propalästinensischen Wählersegmente der US-Demokraten - und litt darunter, dass «unmittelbar bevorstehend» dann doch nur das nächste Scheitern war. (...) Mit seiner Geduld am Ende bereitet die Biden-Administration daher anscheinend einen Dreistufenplan vor, der ohne langes Verhandeln auf den Tisch kommen soll - nach dem Motto «Take it ore leave it». (...)
Wenn der Gaza-Krieg weitergeht, profitiert nämlich (Ex-Präsident und Gegenkandidat Donald) Trump, weil manch potenzielle Harris-Wähler den Urnen fernbleiben könnten, wenn es keinen Waffenstillstand gibt. Auf einen Sieg Trumps zu warten, könnte das Kalkül Netanjahus sein. Noch naheliegender als Motiv für sein Taktieren ist wohl, dass er nur an der Macht bleibt, solange der Krieg weitergeht. (...) Bidens Ultimatum hat zugleich das Potenzial für einen doppelten Konflikt, nämlich zwischen den beiden eng verbündeten Staaten und innerhalb Israels, wo Netanjahu unter dem Druck von Massendemonstrationen in die Defensive gerät.»
«Neatkariga Rita Avize»: Weiter kein Umdenken trotz Kursk
RIGA: Die nationalkonservative lettische Zeitung «Neatkariga Rita Avize» analysiert am Freitag die ukrainische Offensive im russischen Gebiet Kursk:
«Überraschend waren sowohl die Fähigkeit der Ukrainer, die nicht vorhandenen Ressourcen zu sammeln und sie heimlich für den Angriff zu konzentrieren, als auch der ordnungsgemäß erzeugte «Nebel des Krieges», so dass weder der Gegner noch die Verbündeten oder einer der wenigen neutrale Beobachter der russischen Invasion in der Ukraine, von denen es in der heutigen Welt noch welche gibt, den Plan erahnen konnten.
Zur traurigen Wahrheit gehört auch, dass der Plan stärker noch vor den westlichen Verbündeten geschützt werden musste - hätten die Unterstützer von der Idee erfahren haben, irgendeinen Teil des Territoriums Russland zu besetzen, würden einige davon sicherlich den Einsatz der von ihnen übergebenen Waffen, gepanzerten Fahrzeuge, Kommunikationsmittel oder Ausrüstung für eine Invasion in Russland verbieten.
Ein Monat ist nun vergangen, seitdem die Verbündeten vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Und was gibt es dagegen einzuwenden, dass deutsche Panzer und britische Gefechtsfahrzeuge durch die Region Kursk fahren? Doch das Problem bleibt bestehen: Die Briten, Amerikaner und Deutsche erlauben immer noch nicht, mit ihren Storm Shadow-, ATACMS- und Taurus-Raketen auf Ziele auf russischem Territorium zu schießen. Was viel mehr Sinn machen würde.»
«De Tijd»: Frankreich steht vor einer ungewissen Zukunft
BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kommentiert am Freitag die Ernennung von Michel Barnier zum Regierungschef Frankreichs:
«Barnier steht vor der höllisch schwierigen Aufgabe, mit einem gespaltenen Parlament umzugehen, in dem beide Extreme de facto ein Vetorecht über die Politik haben. Es bleibt also abzuwarten, ob er die für die Umsetzung von Reformen dringend benötigte Stabilität herbeiführen wird. Mit seinem Haushaltsdefizit von mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts lebt Frankreich weit über seine Verhältnisse, und schmerzhafte Eingriffe sind unvermeidlich.
Dass Frankreich derzeit in der Sackgasse steckt, ist die direkte Folge von Macrons überstürzter Entscheidung, nach den Europawahlen vom 9. Juni - die mit einem Sieg des Rassemblement National endeten - rasch vorgezogene Neuwahlen auszurufen. Das Ergebnis dieses Urnengangs machte Macrons Unbeliebtheit und die wachsende Spaltung des Landes deutlich. (...)
Frankreich steht vor einer ungewissen politischen Zukunft, und das ist - zusammen mit der deutschen Konjunkturflaute - eine schlechte Nachricht für seine europäischen Partner. Es droht ein Jahr des Durchwurstelns: Nach der französischen Verfassung könnten die nächsten Wahlen erst Anfang Juli 2025 stattfinden. Und die Deutschen gehen erst im September nächsten Jahres an die Urnen, mit ungewissem Ausgang. »
«Nepszava»: Ein guter Freund erhält ein hohes Amt
BUDAPEST: Zur Regierungsumbildung in der Ukraine schreibt die links-liberale Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Freitag:
«Über die wahren Gründe für die Entlassung von (Außenminister Dmytro) Kuleba kursieren verschiedene Spekulationen, doch nichts davon erklärt wirklich, warum der Präsident (Wolodymyr Selenskyj) einen der bekanntesten und anerkanntesten Regierungspolitiker gegen einen Unbekannten (Andrij Sybiha) austauschte. (...) Eine der in ukrainischen Medien geäußerten Überlegungen läuft darauf hinaus, dass Kuleba gehen musste, weil er mit Selenskyjs mächtigem Kabinettschef Andrij Jermak aneinandergeriet. Nachdem sein Nachfolger Sybiha noch bis vor Kurzem Jermaks Stellvertreter war und dies nicht der erste Fall in der Ära Selenskyj wäre, bei dem ein guter alter Freund ein hohes Amt erhält, besteht der starke Verdacht, dass es sich auch bei diesem Wechsel so verhält. Mit dem (russischen Angriffs-)Krieg lässt sich vieles rechtfertigen, aber nicht alles. (Der Kiewer Bürgermeister) Vitali Klitschko sagte einmal in einem Interview, dass sich sein Land ab einem gewissen Punkt nicht mehr von Russland unterscheiden werde, wo alles von den Launen einer einzigen Person abhängt.»
«de Volkskrant»: Barnier muss viel politisches Geschick aufbringen
AMSTERDAM: Zur Ernennung des ehemaligen EU-Kommissars Michel Barnier zum neuen Regierungschef Frankreichs heißt es am Freitag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:
«Um Frankreich aus der politischen Sackgasse zu holen, müssen schwere Geschütze aufgefahren werden. Bei den Parlamentswahlen Anfang Juli hat keine der Parteien eine ausreichende Mehrheit erlangt. Die Beziehungen sind belastet, das Verhältnis zwischen der Opposition und Präsident Emmanuel Macron ist extrem angespannt.
Michel Barnier (73) ist ein politischer Tiefschürfer, einer, der vor keinem noch so schwierigen Manöver zurückschreckt. Als "Monsieur Brexit" gelang es Barnier, ein historisches Abkommen auszuhandeln: die Regelung des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union.
In Brüssel wurde er für seine Geduld und Standfestigkeit gelobt. Als Premierminister wird er Geschick beweisen müssen. Er hat nun die Aufgabe, eine neue Regierung zu bilden, die in erster Linie in der Lage sein muss, sich gegenüber einem sehr gespaltenen Parlament zu behaupten. In den letzten Wochen, als zahlreiche Kandidaten für das Amt des Premierministers Revue passierten, wurde schon im Vorfeld einer Entscheidung mit Misstrauensanträgen gegen die neue Regierung gedroht.»
«La Stampa»: Barnier ist eine vergebene Chance
TURIN: Zur Ernennung des früheren EU-Kommissars Michel Barnier zum neuen französischen Premierminister schreibt die italienische Zeitung La Stampa» am Freitag:
«Am Ende einer Regierungskrise von 51 Tagen (...) hat Emmanuel Macron die Karte Michel Barnier gezogen. Eine Notlösung, eine vergebene Chance für die französische Politik und ein Sieg für das Rassemblement National von Marine Le Pen und Jordan Bardella. 63 Jahre, davon zwei Drittel in der Politik, Ex-EU-Kommissar und Chefunterhändler der EU nach dem Brexit, wird Michel Barnier der älteste Premierminister der fünften Republik und ersetzt Gabriel Attal, 35 Jahre, den absolut Jüngsten. Emmanuel Macron aber, nachdem er das Abgeordnetenhaus am Tag der Niederlage seiner Partei bei den Europawahlen aufgelöst hatte, war in Not. (...) Die französische Politik hat auf diese Weise die Chance verspielt, die politische Kultur zu verändern und das zu erproben, was die wichtigsten Demokratien der Europäischen Union kennen: Die Kunst des Kompromisses, um breitere Koalitionen ins Leben zu rufen. (...) Die Parteien, die bereits auf die Präsidentschaftswahlen 2027 schauen und auf einen Emmanuel Macron, der nicht für ein drittes Mandat antreten kann, haben es nicht geschafft, sich abzustimmen. Sie haben mit wechselseitigen Vetos die Bildung einer großen Koalition verhindert.»
«The Guardian»: Auf Vorstoß in Kursk folgt Ernüchterung
LONDON: Die britische Zeitung «The Guardian» kommentiert am Freitag den Verlauf des Ukraine-Krieges:
«Der kühne Vorstoß der Ukraine in russisches Gebiet im August war ein willkommener Auftrieb für die nationale Moral und eine Botschaft an ausländische Unterstützer, dass Kiew nach der enttäuschenden Gegenoffensive von 2023 immer noch die Initiative ergreifen kann. Doch angesichts der Vergeltungsschläge Moskaus für diese Demütigung hat sich eine nüchternere Stimmung eingestellt. (...)
Wladimir Putins Bemerkung, der Einmarsch in Kursk habe Russlands Vormarsch im Donbass nicht verlangsamt und die ukrainischen Streitkräfte anderswo geschwächt, sollte nicht nur Moskaus Blamage überspielen, sondern auch Zweifel an den Kosten und der Sinnhaftigkeit der ukrainischen Operation verstärken. Der russische Vormarsch hat zwar schon Anfang des Jahres Fahrt aufgenommen, aber einige Analysten - und Bewohner des Donbass - glauben, dass er noch an Tempo gewinnt infolge des ukrainischen Vorstoßes in Kursk, der eher symbolische als unmittelbare strategische Vorteile zu bringen scheint.»
«NZZ»: Macron setzt auf die Rechte
ZÜRICH: Knapp zwei Monate nach der Parlamentswahl hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron den ehemaligen EU-Kommissar Michel Barnier zum Regierungschef ernannt. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Freitag:
«Mit dem Konservativen Barnier setzt Macron auf die Rechte. Implizit heißt das: Der Präsident muss auf die Unterstützung von Marine Le Pen hoffen. Deren Partei, das Rassemblement National (RN), stellt die größte Fraktion im rechten Teil des Parlaments, während Barniers Républicains allenfalls als Mehrheitsbeschaffer dienen können.
Le Pen hat verlauten lassen, man werde Barniers Regierungserklärung abwarten, bevor man entscheide, ob er das Vertrauen verdiene. Macrons Wahl ist also noch keine Garantie für stabile Verhältnisse. Auch ein signifikanter Teil des Mitte-Lagers müsste sich hinter Barnier stellen, damit dieser mit stabilen Mehrheiten rechnen kann. (.)
Macron dürfte zudem kaum vergessen haben, wer sein gefährlichster Gegner ist. Er rief die Neuwahl wegen des Erfolgs der Rechtsnationalisten aus, die inzwischen Frankreichs wählerstärkste Partei sind. Mit Barnier hofft er zumindest einen Teil der rechtskonservativen Wählerschaft abzuholen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen.»
«Dagens Nyheter»: Deutschland wird seiner 70 Jahre alten Rolle müde
STOCKHOLM: Mit Blick auf die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen kommentiert die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) die deutsche Sicht auf die EU:
«Immer wieder hat Deutschland während der Entwicklung der EU seine Staatskassen geöffnet oder auf andere Weise dazu beigetragen, die vielen Krisen der Union zu lösen. Europas größter und stärkster Staat hat als eine Art loyaler Bürge für die gesamte EU gedient, ohne aber groß damit zu prahlen. Seit Ende der 1950er Jahre ist die europäische Zugehörigkeit ein selbstverständlicher Ausgangspunkt der deutschen Politik, und die Erklärung dafür ist historisch.
Jetzt wirkt es aber so, als ob Deutschland langsam müde wird, eine Art Garant für das Überleben der EU zu sein. Die wachsende Unzufriedenheit mit der EU ist sicherlich auch ein Teil der Erklärung für die Wahlerfolge der rechtsextremen AfD und von Sahra Wagenknechts Linkspopulisten, aber auch einige Politiker, die traditionelle Parteien vertreten, scheinen sich auf eine neue Weise zur EU zu verhalten.
Natürlich war es einfacher für Deutschland, der EU zu Hilfe zu kommen, als die deutsche Wirtschaft stärker war. Aber wer sonst sollte es tun? Frankreich braucht einen Partner und ein Gegengewicht in der EU, die anderen Länder sind entweder kleiner, ärmer oder allzu selbstverliebt. Deutschlands Verantwortung für die europäische Zusammenarbeit hat zudem als eine Art Bremsklotz für das Wiedererstarken von deutschem Nationalismus gedient. Es gibt also viele Gründe, sich vor einer Schwächung der EU-Loyalität des Landes zu fürchten.»