«Stuttgarter Zeitung» zu Abstimmung in Thüringen
Taktische Schachzüge bringen eine Demokratie nicht zu Fall.
Es hilft auch nichts, in der Manier eines verschreckten Kaninchens auf jene zu starren, die ihr übel wollen. Demokratische Politik bemisst sich am Respekt vor abweichenden Meinungen und Minderheiten, an Toleranz und Verantwortungsethik, die unvereinbar sind mit der Hetze, den Geschichtslügen und diskriminierenden Phrasen der AfD. Das ist die Alternative, vor der wir stehen. Darüber darf weder das Feixen von Rechtsaußen nach einem vermeintlichen Abstimmungscoup noch die Hysterie der Scheinheiligen hinwegtäuschen.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Streit um Umgang mit der AfD
(.) wollen und sollen CDU und FDP nur noch Initiativen ergreifen, von denen gewiss wäre, dass die AfD ihnen nicht zustimmte? Damit gäben die bürgerlichen Parteien der AfD ein Vetorecht zur eigenen Politik und der rot-rot-grünen Minderheitsregierung eine Bestandsgarantie.
Ramelow hätte den "Pakt mit dem Teufel" verhindern können, wenn er sich mit der CDU, die ihn toleriert, geeinigt hätte. Verantwortung für den "Donnerknall", den er ihr vorwirft, trägt er nicht minder. Nun wird von allen Seiten Druck auf die CDU-Spitze ausgeübt, jegliches Zusammenwirken mit der AfD zu unterbinden. (.) Auch die linken Parteien haben jedoch kein wirksames Rezept zur Einhegung der AfD. Die ersatzweise betriebene Schwächung der CDU durch politische Kastration taugt dafür nicht.
«Politiken»: Gift-Cocktail aus gescheiterten Staaten und Klimawandel
KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Freitag die verheerenden Überschwemmungen in Libyen:
«Auf einer Ebene ist die Tragödie in der libyschen Stadt Darna eine Naturkatastrophe. Auf einer anderen Ebene ist es aber auch eine vom Menschen verursachte Katastrophe. Denn wenn sich die Himmelsschleusen so extrem öffnen wie jetzt in Libyen, dann geht es auch um den Klimawandel. Wie immer ist es unmöglich, zu sagen, ob der Klimawandel schuld an einem konkreten Unwetter ist. Aber sicher ist, dass die Häufigkeit und die Schwere solcher Extremwetterphänomene aufgrund der globalen Erwärmung stark zunehmen.
Das Problem wird verstärkt, wenn es auf einen gescheiterten Staat wie Libyen trifft. Ein Land, das seit mehr als einem Jahrzehnt vom Bürgerkrieg erschüttert wird und in dem es zwei rivalisierende Regierungen gibt, hat es natürlich schwer, solche Herausforderungen zu bewältigen. Der giftige Cocktail aus Klimawandel und gescheiterten Staaten kostet Leben und kann sich leicht selbst verstärken.»
«The Irish Times»: Zinserhöhung für einige schwer zu verkraften
DUBLIN: Die «Irish Times» macht am Freitag auf Folgen der Leitzinserhöhung für sogenannte Tracker-Hypotheken aufmerksam, deren Zinsen an den jeweiligen Satz der EZB gekoppelt sind:
«Der starke Anstieg der Zinssätze seit dem Sommer 2022 hat viele Haushalte hart getroffen. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Leitzins erneut zu erhöhen, wird für sie nicht gerade hilfreich gewesen sein. Der Schritt der EZB zu einer Zeit, in der sich die Wirtschaft der Eurozone rasch abschwächt, ist fragwürdig.
Bei vielen Tracker-Hypotheken, die am stärksten von den Erhöhungen betroffen sind, ist die Laufzeit zwar bereits weit fortgeschritten. Das bedeutet aber keineswegs, dass höhere Rückzahlungsraten willkommen oder gar leicht zu verkraften wären. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die meisten der betroffenen Kreditnehmer nun in Zahlungsrückstand geraten. Einigen wird das aber so gehen.
Untersuchungen der Zentralbank haben gezeigt, dass es eine Gruppe von Inhabern von Tracker-Hypotheken mit höheren ausstehenden Beträgen gibt, die besonders gefährdet ist. Betroffen ist auch eine Gruppe, deren Kredite von irischen Banken an internationale Fonds verkauft wurden und nun von darauf spezialisierten Unternehmen verwaltet werden. In einigen Fällen sind diese Kreditnehmer bereits mit Zinssätzen von acht Prozent und mehr konfrontiert.»
«NZZ»: EZB hatte den Inflationsdruck unterschätzt
ZÜRICH: Zur Zinspolitik der Europäischen Zentralbank meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Freitag:
«Gewiss, die Inflation hat sich in der Euro-Zone von einem Höchstwert bei 10,6 Prozent mittlerweile halbiert. Und angesichts der zeitlichen Verzögerung, bis sich ein höherer Leitzins durch die Wirtschaft durchgearbeitet hat, ist ein weiterer Rückgang absehbar. Aber die EZB hat trotzdem gut daran getan, die Zinsschraube noch einmal leicht um 25 Basispunkte anzuziehen. In Frankfurt hatte man anfänglich den Inflationsdruck nämlich total unterschätzt und musste dann verzweifelt nachsteuern.
Ist die EZB willens, die Teuerung so bald wie möglich wieder auf die Zielmarke von 2 Prozent zurückzuführen? Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihr geldpolitischer Rat haben am Donnerstag die Antwort geliefert: Ja, selbst wenn eine neuerliche Erhöhung des Zinses das Wirtschaftswachstum noch einmal etwas schwächt. Und tatsächlich sind die Wachstumsaussichten für die kommenden Jahre wenig erbaulich: 0,7 Prozent in diesem und 1 Prozent im kommenden Jahr. Wenn es aber so kommt und die Teuerung im Verlauf von 2025 wie geplant auf den Zielwert zurückfällt, muss man trotzdem sagen: Chapeau, Christine Lagarde. Man hätte dann Preisstabilität erreicht, ohne dass die europäische Wirtschaft in eine Rezession abgeglitten wäre.»
«De Tijd»: Inflation wird noch lange hoch bleiben
BRÜSSEL: Zur Leitzinserhöhung durch die EZB meint die belgische Zeitung «De Tijd» am Freitag:
«Es ist verlockend, in der Entscheidung der EZB das Ende einer Ära zu sehen. Als ob die EZB-Vorsitzende Christine Lagarde das Inflationsmonster nun mit dem letzten Schwerthieb besiegt hätte und wir fortan glücklich und zufrieden in einem europäischen Paradies der Preisstabilität leben werden. Leider leben wir nicht in diesem Märchen. Vielmehr scheint die unausweichliche Realität zu sein, dass die Inflation auf Jahre hinaus hoch bleiben wird.
Ein Grund dafür ist der Klimawandel, der Naturkatastrophen wahrscheinlicher und Lebensmittel teurer macht. Es liegt auch daran, dass die globale wirtschaftliche Verflechtung entwirrt und durch verschiedene Blöcke ersetzt wird, was dazu führt, dass billige chinesische Produkte auf Grenzen oder Einfuhrzölle stoßen. Zudem führt die Überalterung der Bevölkerung dazu, dass die Gruppe der Erwerbstätigen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung kleiner wird und daher höhere Löhne durchsetzen kann. Das alles macht das Leben teurer, und das kann noch lange so andauern.»
«El Mundo»: EZB kämpft trotz Wirtschaftsflaute weiter gegen Inflation
MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentiert am Freitag die erneute Zinsanhebung durch die Europäische Zentralbank:
«Die EZB hält erneut die Inflation für gefährlicher als eine weitere Abschwächung der Konjunktur. Gestern erhöhte die europäische Regulierungsbehörde den Zinssatz zum zehnten Mal in Folge auf nun 4,5 Prozent (nahe dem historischen Höchstwert der vergangenen zwei Jahrzehnte). Die Fortsetzung der Frankfurter Offensive zur Abkühlung der Wirtschaft erfolgt in einem Umfeld der Stagnation, die in einigen EU-Ländern in eine Rezession zu münden droht, und die die Mittelschicht in Spanien zu ersticken droht, die ohnehin schon unter der Inflation leidet und jetzt mit der x-ten Erhöhung der Kosten ihrer Hypotheken mit variablem Zinssatz zu kämpfen hat.
EZB-Chefin Christine Lagarde begründete die erneute Zinserhöhung um 25 Basispunkte mit der Notwendigkeit, das «Fieber» zu senken. Sie räumte zwar «Fortschritte» in einem Kampf ein, der seit Oktober die Inflation um die Hälfte reduziert habe, warnte jedoch, dass dies nicht ausreiche. In einigen östlichen Ländern ist die Situation ernster, da die Inflationsraten dort im zweistelligen Bereich bleiben. Und in Deutschland, einem der europäischen Wachstumsmotoren, liegt der Preisauftrieb weiterhin bei sechs Prozent.»