Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Stuttgarter Zeitung» zur maroden Infrastruktur

Ein Vergleich mit den EU-Nachbarn zeigt: Deutschland hat schlicht über Jahrzehnte zu wenig in seine öffentliche Infrastruktur investiert. Insbesondere an den politischen Rändern gibt es Menschen, die ihre Lust an Untergangserzählungen pflegen. Auch um das bröckelnde Vertrauen in den Staat wiederherzustellen, sollte die Politik mehr in die Infrastruktur investieren. Zwar hat die Ampel in diesem Bereich schon deutlich mehr getan als die Vorgängerregierungen - doch genug ist es nicht.

Am einfachsten wäre es wohl, ein Sondervermögen für die Infrastruktur aufzulegen, das über Kredite finanziert wird. Wer entgegnet, man dürfe der nächsten Generation keine Schuldenberge vererben, denkt zu kurz. Natürlich muss jede Ausgabe gut begründet sein, doch die meisten Menschen dürften höhere Staatsschulden in Kauf nehmen, wenn sie wüssten, dass ihre Kinder in Schulen mit funktionierenden Toiletten lernen und sie auf dem Schulweg über stabile Brücken fahren.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Flüchtlingspolitik

(.) Zwar hat sich die Ampel zu Maßnahmen durchgerungen, die sie jahrelang als rechtlich unmöglich dargestellt hatte.

Zu einem radikalen Kurswechsel wie in der Russland- und Verteidigungspolitik nach dem Überfall Putins auf die Ukraine war die Koalition in der Migrationspolitik aber nicht fähig, in großen Teilen auch nicht willens. (.) Vom Eindämmungserfolg an den Grenzen und der schon lange versprochenen Abschiebung "im großen Stil" wird abhängen, ob das Thema Migration seine Sprengkraft behält - und ob AfD und BSW das Wasser der Überforderung weiter so erfolgreich auf ihre Mühlen leiten können wie zuletzt. Wann und wie der Staat die Kontrolle über seine Grenzen und den Zuzug von Ausländern zurückgewinnt, ist zu einer Schicksalsfrage der deutschen Demokratie geworden. (.).


«Handelsblatt» zur Wettbewerbsfähigkeit der EU

Der Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit Europas hat 330 Seiten, aber die deutsche Debatte versteift sich auf ein Wort: Schulden.

(.) Die wichtigsten Passagen von Draghis Bericht befassen sich aber nicht mit der Frage, ob die EU gemeinsame Kredite aufnehmen soll. Sie befassen sich mit dem dichten Netz der Regulierung, das die EU und ihre Mitgliedstaaten gesponnen haben und mit dem sie die eigene Wirtschaft strangulieren. (.) Wenn Europa so weitermacht wie bisher, sagt er dem Kontinent anhaltendes "Siechtum" voraus: Der Binnenmarkt wird international an Bedeutung verlieren, die globale Macht der EU als Regulierer schwinden. Europa muss daher auf andere Machtressourcen setzen als auf Paragrafen. Es muss produktiver werden, fordert Draghi. Wie? Indem es Marktbarrieren einreißt und innovatives Potenzial entfesselt. Das aber kann nur gelingen, wenn Deutschland sich konstruktiv in die Reformdebatte einbringt.


«Kommersant»: Krim-Frage ist für andere Länder noch offen

MOSKAU: Die russische Tageszeitung «Kommersant» kommentiert ein Krim-Forum in Kiew, bei dem es um die 2014 von Russland annektierte ukrainische Halbinsel ging. Das Blatt schreibt am Donnerstag:

«In Kiew fand ein weiteres Gipfeltreffen der Krim-Plattform statt, die 2021 auf Initiative des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gegründet wurde. Aus diesem Anlass, der offiziell für eine Beratung über die Zukunft der Halbinsel ist, kam eine Reihe westlicher Politiker in die ukrainische Hauptstadt; andere waren per Video zugeschaltet. Und obwohl in Russland erklärt wird, dass die Krim-Frage «für immer» geklärt sei und es nichts zu diskutieren gebe, war unter den zum Gipfel eingeladenen Teilnehmern niemand, der in dieser Frage mit Moskau übereinstimmen würde. Sogar der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der der Diskussion dieser Frage online zugeschaltet war, sagte, dass «die Rückgabe der Krim an die Ukraine eine Forderung des Völkerrechts ist».»


«Gazeta Wyborcza»: Grenzkontrollen ein Zeichen politischer Ohnmacht

WARSCHAU: Die Bundesregierung will vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Grenzen einführen. Dazu schreibt die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» am Donnerstag:

«Der Schengen-Raum wird erneut in seinen Grundfesten erschüttert. Deutschland führt an allen seinen Grenzen Kontrollen ein, Frankreich wird wahrscheinlich folgen, vielleicht auch Belgien. Österreich kontrolliert bereits Menschen, die aus dem Osten kommen, Dänemark aus dem Süden. Das, was aus Sicht der Bürger der greifbarste Vorteil der europäischen Integration zu sein scheint, das, womit die europäische Wirtschaft gesegnet ist, wird zum Opfer innenpolitischer Kampagnen. Oder der politischen Ohnmacht.

Deutschland wird seit Jahren nicht mit der Migration fertig. Die Last, die Angela Merkel 2015 auf sich genommen hat, indem sie die Grenzen für Flüchtlinge über die Balkanroute öffnete, erwies sich als zu schwer. Die Entsendung von Polizisten an die Grenzübergänge wird die Situation nicht verbessern. Die Regierung von Olaf Scholz wackelt. Die rechtsextreme AfD hat dank ihrer einwanderungsfeindlichen Rhetorik die Landtagswahlen in Thüringen gewonnen und im benachbarten Sachsen den zweiten Platz belegt. Scholz rechnet mit einem psychologischen Effekt. Wenn die Deutschen das Gefühl haben, wegen der Zuwanderung nicht mehr im eigenen Land zu Hause zu sein, sollen sie sich durch die Einführung von Kontrollen umsorgt und sicher fühlen.»


«Star Tribune»: Nach Debatte Trump-Harris viele Fragen offen

MINNESOTA: Zum TV-Duell zwischen der Kandidatin der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahl im November, Kamala Harris, und ihrem republikanischen Konkurrenten, Ex-Präsident Donald Trump, schreibt die «Star Tribune»:

«Haben wir viel darüber erfahren, was jeder Kandidat tun würde, um das Leben der US-Amerikaner in wichtigen Brot-und-Butter-Themen zu verbessern? Nein. Haben wir viel darüber gelernt, wo Harris' sich entwickelnde Positionen zur Steuer-, Gesundheits- und Energiepolitik landen würden? Oder wie Trump seine Fixierung auf Diktatoren abschwächen, den Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessern und Einwanderungsfragen Vorrang einräumen würde (...)? Nein. (...)

Das Amt des Oberbefehlshabers ist die größte Macht des Präsidentenamtes. Daher war es gut, dass der Schwerpunkt mehr auf der Außenpolitik lag als bei der Debatte zwischen Trump und (US-Präsident Joe) Biden. Die Antworten waren jedoch nicht aufschlussreich genug: zu Israel-Gaza, zur Bedrohung des Nahen Ostens (und darüber hinaus) durch die Theokratie im Iran und zum Erbe und den Lehren aus Afghanistan - ganz zu schweigen von den anderen Krisen - bekannten und unbekannten -, denen sich beide gegenübersehen würden.»


«Der Standard»: Mit Harris muss man rechnen

WIEN: Über die Debatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump im Rennen um das US-Präsidentenamt schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard»:

«Mit ihrem Auftritt am Dienstag hat Harris einmal mehr gezeigt, dass man mit ihr rechnen muss. Noch vor dem überraschenden Rückzug Bidens aus dem Rennen um das Weiße Haus galt sie als schwach. Und vor der TV-Debatte galt sie als Kandidatin, die sich lieber an Vorlagen hält und sich erst live gegen Trump profilieren muss. Beide Vorurteile hat Harris entkräftet und bewiesen, dass sie begeistern kann - und ein Konzept gegen Trump gefunden hat.»


«Nepszava»: Harris brachte Katzenfreund Trump in Bedrängnis

BUDAPEST: Mit Bezug auf die Unterstellung, dass illegal eingewanderte Migranten Hauskatzen äßen, die US-Präsidentenkandidaten Donald Trump in der TV-Debatte mit seiner Rivalin Kamala Harris wiederholte, kommentiert die linksliberale ungarische Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«Während Trump mit den Katzen beschäftigt war, konnte Harris die Kritik an ihrem noch in Entstehung befindlichen Programm abwehren und Kräfte für einen Gegenangriff sammeln. Minutenlang musste Trump Jahre zurückliegende Entscheidungen rechtfertigen, etwa den falschen Umgang mit der Pandemie, die unverantwortliche Provokation der am 6. Januar 2021 ausgebrochenen Gewalt oder das Gipfeltreffen mit Taliban-Führern in Camp David. Dies war ein geschickter Schachzug (von Harris), insbesondere angesichts der Tatsache, dass der vielleicht größte Misserfolg der Biden-Regierung der unrühmliche Truppenabzug aus Afghanistan war.»


«Neatkariga Rita Avize»: Krankhafte Angst

RIGA: Zum zögerlichen Agieren des Westens im Ukraine-Krieg schreibt die nationalkonservative lettische Zeitung «Neatkariga Rita Avize» am Donnerstag:

«Was wäre, wenn Putin beschließen würde, taktische Atomwaffen in der Ukraine einzusetzen? Was wäre, wenn Putin beschließt, einen Raketenangriff auf Umschlagplätze für Militärproduktion an der polnisch-ukrainischen Grenze zu starten? Was tun, wenn sich im Baltikum verschiedene hybride Kriegsprovokationen verstärken? Ganz zu schweigen von einigen echten Provokationen an der Grenze und möglichen Invasionen, vor deren Hintergrund der Vorfall vom vergangenen Samstag mit einer Drohne, die in den lettischen Luftraum flog, wie ein Kinderspiel erscheinen wird.

All diese Fragen treiben die Führung der USA und der Nato nahezu zur Verzweiflung. In Washington, Brüssel, aber auch in Paris und Berlin fürchten sich die Spitzenpolitiker vor der Lösung dieser Probleme wie der Teufel vor dem Kreuz. Egal, was passiert, solange Sie sich nur nicht entscheiden müssen, was sie tun wollen: kämpfen (Krieg) oder fliehen (nachgeben und erneut versuchen zu verhandeln). Daher auch diese krankhafte Angst vor einer «Eskalation».»


«Le Figaro»: Kamala Harris steht schwieriger Endspurt bevor

PARIS: Zum Präsidentschaftswahlkampf in den USA nach dem TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump schreibt die französische Zeitung «Le Figaro» am Donnerstag:

«(...) Wird diese harte Debatte ausreichen, um den Wahlkampf umzukrempeln, wie es Joe Bidens Niederlage im Juni letzten Jahres getan hat? Das ist zu bezweifeln. Keiner der beiden Kandidaten, die ihre Pfeile aus alternativen Realitäten abfeuerten, konnte den anderen besiegen. Zumindest hat Kamala Harris über ihr eigenes Lager hinaus gepredigt, um die Stimmen der Gemäßigten und Unentschlossenen zu gewinnen. (...)

Doch der schwierigste Teil steht noch bevor. Kamala Harris, die nach ihrer prestigeträchtigen Ablösung des amtierenden Präsidenten von einer Welle der Begeisterung - und der Unterstützung durch die Medien - angetrieben wurde, fällt nun in den Umfragen zurück und hat Mühe, sich in den sieben Schlüsselstaaten der Präsidentschaftswahlen einen Vorsprung zu sichern.

Da das Wahlkollegium die ländlichen Staaten bevorzugt, die zahlreicher, bevölkerungsärmer und konservativer sind, müssen die Demokraten die Volksabstimmung mit einem Vorsprung von mindestens vier Prozent gewinnen, um eine Chance auf das Weiße Haus zu haben. Das ist nicht der Fall. Auch wenn sie den Wahlmarathon gegen einen Sprint eingetauscht hat, werden die letzten Meter für die Vorkämpferin der Demokraten die schwierigsten sein.»


«La Repubblica»: US-Wahl nach TV-Duell noch nicht entschieden

ROM: Zum TV-Duell zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Donnerstag:

«Es war eine gute Debatte, besser als die Erwartungen im Vorfeld, die zwischen Kamala Harris und Donald Trump einen erbitterten und brutalen Schlagabtausch im Ton, aber fade im Inhalt voraussagten. Und Harris hat sie gewonnen. Mit scharfer Sprache, gelassener Haltung und ausdrucksstarker Mimik konnte sie die Schläge landen, die sie im Training geprobt hatte. Ihre Erfahrung als Staatsanwältin half ihr, mit einem Gegner umzugehen, der aufgrund seiner theatralischen Art und seiner Unberechenbarkeit gefährlich für sie sein konnte. (...)

Ein Sieg in der Debatte bedeutet aber noch nicht, dass Harris die Wahl im November gewinnen wird. Hillary Clinton hat 2016 beide Debatten gewonnen und dann die Wahl verloren. Doch die US-amerikanische Wahlgeschichte hat sich seit gestern verändert, weil Harris gezeigt hat, dass sie der Nominierung würdig ist, für die viele sie für ungeeignet hielten. Vielleicht verflucht Trump jetzt die vorige Debatte im Juni, die dazu führte, dass Joe Biden aus dem Rennen ums Weiße Haus ausstieg und Harris an seiner Stelle nominierte.»


«de Volkskrant»: Bei Grenzkontrollen droht ein Dominoeffekt

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Donnerstag die von der Bundesregierung angekündigten Grenzkontrollen:

«Der Schock war groß, als Deutschland die Kontrollen ankündigte, aber bei der Präsentation von Innenministerin Nancy Faeser stellte sich heraus, dass die Suppe doch nicht so heiß gegessen wird. Die meisten Autofahrer werden kaum betroffen sein.

Die Kontrollen zielen auf Fahrzeuge ab, bei denen der Grenzschutz vermutet, dass sie irreguläre Migranten an Bord haben. Und nur jenen Migranten soll die Einreise verweigert werden, die zuvor in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. (...)

Die Kontrollen sind also in Wirkungsweise und Umfang begrenzt und bedeuten nicht das Ende von Schengen. Dennoch bewegt sich Deutschland auf gefährlichem Terrain. Auch die Nachbarländer könnten sich gezwungen sehen, Grenzkontrollen einzuführen, und sei es nur, weil sie befürchten, dass Migranten nun in größerer Zahl bei ihnen auftauchen werden. (...)

Es droht also ein Dominoeffekt. Das Problem ist, dass die Zahl der Asylsuchenden durch die Grenzkontrollen nicht abnimmt. Die Kontrollen führen nur dazu, dass die EU-Mitgliedstaaten versuchen, sich gegenseitig noch mehr Asylsuchende zuzuschieben, als sie es ohnehin schon tun.»


«The Guardian»: Im US-Wahlkampf kann es noch Überraschungen geben

LONDON: Zum Präsidentschaftswahlkampf in den USA meint die britische Zeitung «The Guardian» am Donnerstag:

«Kamala Harris braucht dringend einen Aufschwung, denn Umfragen deuten darauf hin, dass die Kandidaten praktisch in einer Pattsituation verharren, wobei Donald Trump nach Harris' anfänglichem Höhenflug wieder leicht an Boden gewonnen hatte.

Zwar ist die Inflation auf den niedrigsten Stand seit Februar 2021 gesunken, und die US-Notenbank bereitet eine Zinssenkung vor. Doch die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wird sich möglicherweise nicht schnell genug auf das Wählerverhalten auswirken, um den Demokraten noch zugutezukommen. Die kumulierte Verärgerung über hohe Lebenshaltungskosten lässt sich nicht so schnell abbauen, selbst wenn sich der Preisanstieg verlangsamt und durch Lohnzuwächse ausgeglichen wird.

In einem außerordentlich turbulenten Rennen kann es noch viele Überraschungen geben. Doch in einem Wettbewerb, der sich auf einen Bruchteil der Wählerschaft in einer Handvoll umkämpfter Staaten konzentriert, ist alles von Bedeutung, sei es der Erfolg in einem TV-Duell oder auch die Unterstützung durch Taylor Swift. Dem Wahlkampfteam von Harris war bewusst, dass sie am Dienstag in der Debatte einen klaren Sieg brauchte. Auch wenn der nun gefeiert wird, wissen alle, dass dies nur ein Schritt auf ihrem Weg war.»


«Dagens Nyheter»: Olaf Scholz - von der Zeitenwende zum Opportunisten

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kritisiert den Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für stärkere diplomatische Bemühungen um Frieden in der Ukraine:

«Es war eine direkte Frage an Donald Trump bei der Präsidentschaftsdebatte. «Wollen Sie, dass die Ukraine den Krieg gewinnt?» Trump weigerte sich, zu antworten. Stattdessen sagte er, er wolle, dass der Krieg ein Ende nehme (und dass er das Problem innerhalb von 24 Stunden lösen werde). Das sollte so gedeutet werden, dass er auf Putins Seite steht.

Leider ist die Unterstützung für die Ukraine auch auf unserer Seite des Atlantiks derzeit nicht übermäßig stabil. In Deutschland und Frankreich sitzen schwache Regierungen, mit putinfreundlichen Oppositionsparteien sowohl rechts als auch links von ihnen. Die französische Linie unter Macron scheint dennoch festzuliegen, aber in Deutschland forderte Bundeskanzler Olaf Scholz jüngst baldige Friedensverhandlungen zu einer Beendigung des Krieges.

Nur Tage nach Russlands Einmarsch 2022 hatte Scholz von einer «Zeitenwende» gesprochen, einem historischen Wendepunkt für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Jetzt, nach mehreren regionalen Wahlsiegen für russlandfreundliche Parteien weit rechts und links und katastrophalen Ergebnissen der Regierungsparteien, scheint sich der Zeitgeist für den Kanzler erneut gewendet zu haben. Er glaubt, Unterstützung zurückgewinnen zu können, indem er sich nach historischen Vorbildern als «Friedenskanzler» darstellt.

Ein Frieden zu russischen Bedingungen wäre eine Katastrophe für ganz Europa. Wie Kamala Harris in der Debatte mit Trump sagte, ist Kiew nicht Putins Endziel. Wenn die Welt seine Aggressionen akzeptiert, wird er seinen Blick weiter richten, auf das Baltikum, auf Polen, auf ganz Ost- und Mitteleuropa. Dann werden die Sicherheit, Freiheit und Demokratie vieler Millionen Menschen für das geopfert, was gewisse Machtmenschen Frieden nennen.»


«NZZ»: In der Migrationspolitik blockiert sich die Ampel selbst

ZÜRICH: Zum Streit zwischen den Unionsparteien und der Bundesregierung über die Migrationspolitik meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Donnerstag:

«Die Grünen-Chefin Ricarda Lang schrieb auf X, die Union mache «ausschließlich Vorschläge, die nicht umsetzbar sind», und stehe dann «wie ein trotziges Kind vom Verhandlungstisch auf». Dass das eigene, irreführende Angebot dieses Hinwerfen provoziert haben könnte, kommt der «Ampel» wohl nicht in den Sinn. Am Mittwoch griff Olaf Scholz den Oppositionsführer Friedrich Merz in der Bundestagsdebatte abermals an. Dieser habe sich «in die Büsche geschlagen».

Scholz' Angriffslust parierte Merz ruhig, beinahe staatstragend. Den Vorwurf wies er allerdings deutlich zurück. (.) Die Regierung brauche die Union nicht, da es ja nicht um eine Verfassungsänderung gehe, fügte er maliziös hinzu - wissend, dass die «Ampel» sich vor allem selbst blockiert, da sie von ihrem grünen Teil behindert wird.

Friedrich Merz ist nicht Angela Merkel, im Gegenteil. Er bleibt stehen, wo sie umfiel. Allerdings ist Deutschland inzwischen auch ein anderes Land. Der migrationspolitische Sündenfall fand 2015 statt, als Bundeskanzlerin Angela Merkel aus Angst vor hässlichen Bildern die bereits beschlossene Grenzschließung, die auch die Zurückweisung von Asylbegehrenden umfasste, im letzten Moment abblies.»

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