Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag
«Stuttgarter Zeitung» zur Zunahme von rechtsextremen Haltungen in der Bevölkerung
Über einige Ursachen wird oft diskutiert: die Inflation, die Zuwanderung, die Rechtsextremen und -populisten in den Parlamenten.
Daneben gibt es aber einen weiteren Grund, der zuletzt oft unterging: Die Demokratie leidet noch immer an den Nachwirkungen der Coronapandemie. Diese Situation war der ideale Nährboden für Verschwörungsideologien, ein Katalysator für Rechtsextremismus. Auf den Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen trafen sich viele Menschen, die zuvor wenig miteinander gemein hatten. Unter die Protestierenden mischten sich rechtsextreme Gruppen, die den Moment zu nutzen wussten. Eine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung hat bis heute nicht stattgefunden. Sie wäre schmerzhaft, aber wichtig.
«Handelsblatt» zur Asylpolitik
Es muss mehr sichere Herkunftsstaaten geben.
Dann würden Grenzkontrollen mit Zurückweisung illegaler Migranten die Lage in Europa und im Land entspannen. Die Anziehungskraft Deutschlands lässt nach, wenn es Sachleistungen statt Bargeld gibt. Altbundespräsident Gauck hat von einer «Begrenzungsstrategie» gesprochen. Der Kanzler sollte sich nach den Landtagswahlen noch einmal mit Friedrich Merz zusammensetzen und zeigen, dass Politik handlungsfähig ist und die Lage kontrollieren kann. Sonst nutzt das nur den Gegnern der freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie.
«Lidove noviny»: Visaaffäre schadet Glaubwürdigkeit der PiS
PRAG: Zur polnischen Affäre um Korruption bei der Vergabe von Arbeitsvisa für Menschen aus Nicht-EU-Staaten schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Donnerstag:
«Noch ist nicht klar, wie viele Menschen auf diese illegale Weise nach Polen beziehungsweise in den Schengenraum gelangt sind. Die polnische Regierung versucht natürlich, die Angelegenheit kleinzureden. So behauptet PiS-Parteichef und Vizepremier Jaroslaw Kaczynski, es handele sich nicht um eine Affäre, ja nicht einmal um ein Affärchen. Dennoch ist die illegale Migration zu einem entscheidenden Thema im Wahlkampf vor der Parlamentswahl am 15. Oktober geworden - wenngleich in anderer Form, als es sich die derzeitige Regierungsriege gewünscht hätte. Die PiS wird sich kaum in die Rolle desjenigen stilisieren können, der Polen vor Zuwanderung schützt, wenn sie in ihren eigenen Reihen Leute hat, die daran auch noch verdient haben.»
«La Vanguardia»: Die Ayatollahs verschärfen die Frauen-Unterdrückung
MADRID: Zum neuen Kopftuchgesetz im Iran, das drakonische Strafen bei Verstößen gegen die islamischen Kleidungsvorschriften vorsieht, schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Donnerstag:
«Das Regime der Ayatollahs verstärkt die Unterdrückung der Frauen. (...) Bei dieser Verschärfung der Maßnahmen mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren handelt es sich zweifellos um eine Reaktion auf die wachsende Zahl von Frauen, die vor allem in den Großstädten mit unverhülltem Kopf auf die Straße gehen. (...) Die strenge Kleiderordnung für Frauen, eine der ideologischen Säulen des Regimes seit 1979, wird von immer größeren Teilen der iranischen Gesellschaft öffentlich in Frage gestellt. (...)
UN-Sachverständige haben das neue Gesetz als «Geschlechter-Apartheid» bezeichnet, da es die systematische Diskriminierung zur Unterwerfung von Frauen und Mädchen fördert. Der harte, streng konservative Flügel des theokratischen Regimes im Iran benutzt erneut Repressionen, um eine Bewegung zu stoppen, die bereits unaufhaltsam ist und die trotz der harten Strafen dazu führt, dass immer mehr Frauen die Angst verlieren.»
«Sydsvenskan»: Selenskyjs Appell an die Schwankenden
MALMÖ: Die liberale schwedische Tageszeitung «Sydsvenskan» (Malmö) kommentiert am Donnerstag die Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj bei der UN-Generaldebatte in New York:
«Es ist zu einer vertrauten Szene geworden: Ein in Khaki gekleideter Wolodymyr Selenskyj spricht am Rednerpult über den Krieg und bittet um Unterstützung. Aber als der ukrainische Präsident vor der UN-Generaldebatte sprach, war sein wichtiges Publikum nicht das, das er bereits bekehrt hat. Er weiß, dass es mindestens genauso wichtig ist, sich denen anzunähern, die schwanken, wenn sie aufgefordert werden, sich für eine Seite zu entscheiden. Zu ihnen sprach Selenskyj. Zu den Vertretern, die nicht applaudieren, vor Ländern, die nicht einmal im Raum sitzen - Chinas Delegation verließ den Saal, als er sprechen sollte. Selenskyjs Appelle sind ein Aufruf an die Weltgemeinschaft, bei ihrer Unterstützung der kriegsbetroffenen Ukraine nicht nachzulassen.»
«de Volkskrant»: Bevölkerung in Berg-Karabach braucht Schutz
AMSTERDAM: Zum Konflikt um die Kaukasus-Region Berg-Karabach meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Donnerstag:
«Russland konzentriert sich auf die Ukraine und ist nicht mehr bereit, die armenischen Interessen in Berg-Karabach zu verteidigen. Also suchte Armenien die Nähe zur EU, was die russische Unterstützung weiter reduzierte. Doch die EU steht nur an der Seitenlinie und kann nicht viel ausrichten. Der Krieg in der Ukraine hat den geopolitischen Status Aserbaidschans gestärkt: Auch die EU ist daran interessiert, den Erdölstaat als Freund zu behalten, jetzt, wo billige Energie aus Russland weggefallen ist.
Mit seinen Ansprüchen auf Berg-Karabach ist Aserbaidschan im Recht. Die Regierung der armenischen Separatisten in der Enklave wird von niemandem anerkannt, nicht einmal von Armenien selbst. Doch der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev, der seit 2003 an der Macht ist, ist ein Vertreter einer Welt, in der Diktatoren Gewalt anwenden, um ihren Willen durchzusetzen. (...)
Dennoch müssen die internationalen Parteien - die EU, die USA, vor allem aber Aliyevs Verbündeter, die Türkei - so viel Druck wie möglich auf Aserbaidschan ausüben, um eine Explosion des ethnischen Pulverfasses Berg-Karabach zu verhindern. Ethnische Säuberungen oder gar ein Völkermord in der Enklave müssen verhindert werden. Die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Berg-Karabach muss jetzt Priorität haben.»
«NZZ»: Indien gleitet in Autoritarismus ab
ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag den Vorwurf, der indische Geheimdienst habe in Kanada einen kanadischen Staatsbürger ermorden lassen:
«Sollte sich bestätigen, dass Indien im Westen indischstämmige Staatsbürger ermordet, greift es zu den gleichen Mitteln, die Paria-Regime wie Iran oder Russland einsetzen. (...) Der Ermordete war ein kanadischer Sikh, ein Separatist, der für einen unabhängigen Staat seiner Volksgruppe innerhalb Indiens kämpfte. In Indiens Augen: ein Terrorist. (...) Modi nannte Indien im Rahmen des G-20-Gipfels die «Mutter der Demokratie», die Worte prangten im ganzen Land von Plakaten. Dabei gleitet das Land unter dem Hindu-Nationalisten Modi immer mehr in den Autoritarismus ab: Demokratische Pfeiler werden ausgehöhlt, die Pressefreiheit wird beschnitten, Oppositionelle werden in fadenscheinigen Gerichtsverfahren verurteilt, die Spannungen zwischen den Religionsgruppen nehmen zu. All dies wird von westlichen Diplomaten gerne ignoriert. Sie sehen Indien lieber als Versprechen. Tatsächlich: Zumindest oberflächlich scheint Indien zu boomen. Unter Modi wächst die Wirtschaft und verbessert sich die Infrastruktur. Außerdem sucht der Westen Verbündete gegen China in Asien. Da scheint Indien, Nachbar und ewiger Rivale Chinas, der natürliche Partner zu sein»