«Frankfurter Rundschau» zur Debatte über syrische Flüchtlinge
Was aber wird aus Syrien? Das muss die entscheidende Frage sein, wenn es um die Zukunft der Menschen von dort geht.
Deswegen müssen Deutschland und Europa versuchen, mäßigend auf die Beteiligten einzuwirken - etwa auf die Türkei, die eine potenzielle Gefahr für Kurdinnen und Kurden in Syrien darstellt. Es ist nicht ausgemacht, ob die Lage neuerlich militärisch eskaliert. Trotz dieser Unsicherheit scheinen nicht nur AfD-Akteur:innen, sondern auch das Bündnis Sahra Wagenknecht und Politiker:innen von FDP und Union den flüchtlingsfeindlichen Affekt bedienen zu wollen. Als ob es nichts Dringenderes gäbe, als Syrerinnen und Syrer loszuwerden. Manchen fällt immerhin ein, dass zumindest die "gut integrierten" Menschen bleiben sollten. Wie so oft wird auseinanderdividiert, dass die einen "uns" nützen und bitte bleiben sollen, die anderen "uns" aber zur Last fallen und bitte gehen mögen. Doch so einfach, wie Populistinnen und Populisten es uns weismachen wollen, geht die Rechnung nicht auf.
«Handelsblatt» zu Söder als Wahlkampfrisiko der Union
Mit den aktuellen Avancen der Union in Richtung Grüne ist der CSU-Chef gar nicht "fein" und ließ auch das alle wissen, in dem er den mit Grünen anbandelnden Merz fein in die Parade fuhr: Mit der CSU werde es kein Schwarz-Grün und keinen Robert Habeck als Wirtschaftsminister geben.
Basta. Der bayerische Ministerpräsident mag freiwillig auf den Kampf um die Kanzlerkandidatur verzichtet haben. Dafür scheint der CSU-Chef im Wahlkampf umso mehr seine Beinfreiheit zu genießen. Der größte Gegner von Merz im Wahlkampf könnte daher nicht Olaf Scholz heißen - sondern Markus Söder.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu israelischen Schlägen in Syrien
Dass nun gerade wieder ein UN-Gesandter Kritik an Israels Operationen in Syrien übt, überrascht einen nicht, aber es zeugt von wenig Weitsicht.
. Syrien befindet sich in einem Zustand der Kontroll- und Rechtlosigkeit, da ist schnelles Handeln erforderlich. Zumindest die israelischen Luftschläge gegen syrische Militäreinrichtungen sind sinnvoll. . Aber ein Vormarsch auf Damaskus wäre keine gute Idee, weder politisch noch militärisch. Israel hat immer noch genug zu tun an seinen anderen Fronten. . Nach dem 7. Oktober ist Netanjahu dafür kritisiert worden, dass er militärisch einen neuen Nahen Osten herbeiführen wollte. Im Rückblick hat er recht behalten: Der harte Schlag gegen die Hizbullah war ein entscheidender Schritt hin zum Neuanfang in Syrien und vor allem zur Schwächung der iranischen "Achse des Widerstands.
«Münchner Merkur» zu FDP
Für die FDP will der D-Day kein Ende nehmen.
Immer schwerere Geschütze fahren ihre Gegner auf. "Der Täuscher" überschreibt der "Spiegel" seine neue Titelstory, ein "Monitor"-Moderator der ARD vergleicht die angeblich "rechtspopulistischen" Liberalen allen Ernstes mit AfD und Trump. Geht's noch? Die FDP hat im Bemühen, sich aus einer schon lange gescheiterten Koalition zu befreien, eine unglückliche Figur abgegeben. Dafür soll sie nun büßen, am besten mit ihrem Untergang. Aber manchmal leben Totgesagte länger. Bei manchen Wählern könnte der maßlose Feldzug gegen die FDP das Gegenteil des Gewünschten bewirken. Die Bürger haben einen feinen Sinn für Fairness. Und vielen stößt sauer auf, wie ungeniert sie bei der Union schon jetzt mit den Grünen flirten. Eine Entfesselung der marktwirtschaftlichen Kräfte ist von Schwarz-Grün ebenso wenig zu erhoffen wie von einer Wiederbelebung der Groko. Darauf setzt die FDP.
«Dagbladet»: Syriens fragile Freiheit
OSLO: Die norwegische sozialliberale Boulevardzeitung «Dagbladet» (Oslo) kommentiert den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad:
«Überall auf der Welt feiern Syrer den Sturz des Schreckensregimes von Diktator Baschar al-Assad. Vorläufig scheint die überraschende Machtübernahme vom Wochenende ruhig zu verlaufen, aber es gibt Grund, den Atem anzuhalten. Der Jubel kann von kurzer Dauer sein.
Die Geschichte zeigt, dass es keinen Grund gibt, allzu optimistisch zu sein. Ein großer Teil der Lehre aus dem Arabischen Frühling des Jahres 2011 ist, dass freie Demokratien und Rechtsstaatlichkeit nicht automatisch das Ergebnis sind, wenn autoritäre Führer Platz machen müssen. Selbst in Ländern, die eine Volksherrschaft versprachen, entstanden schnell neue, diktaturähnliche Zustände.
Syrien muss nun sowohl infrastrukturell als auch politisch neu aufgebaut werden. Hoffentlich lernt es aus historischen Fehlern sowohl im eigenen Land als auch in den Nachbarstaaten. Und hoffentlich erhält es jede erdenkliche Unterstützung bei dem wichtigen Wiederaufbau.»
«Le Monde»: Westen muss beim Wiederaufbau Syriens helfen
PARIS: Zum Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad und der weiteren Entwicklung schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Dienstag:
«Niemand kann sein Volk abschlachten, ohne eines Tages den Preis dafür zu zahlen. (...) Der Sturz von Assad hinterlässt ein blutleeres Land, das durch vier Jahrzehnte der Nachlässigkeit verarmt und dann durch einen 15-jährigen Bürgerkrieg geschwächt wurde (...). Alles muss wieder aufgebaut werden, angefangen bei einer politischen und sozialen Ordnung, die den Überresten seines konfessionellen und ethnischen Mosaiks Rechnung trägt.
Die Verantwortlichkeiten müssen festgestellt und Rechenschaft muss abgelegt werden, denn keine Gesellschaft kann sich von einer solchen Prüfung durch Amnesie und Vergessen erholen. Es muss alles getan werden, um sicherzustellen, dass Baschar al-Assad sich nicht der Justiz entziehen kann, wo auch immer er dauerhaft Zuflucht findet. (...)
Es bleibt also zu hoffen, dass die selbstbefreiten Syrer der vor ihnen liegenden Herkulesaufgabe gewachsen sind. Ihre unmittelbaren Nachbarn werden ebenfalls eine Rolle zu spielen haben, auch wenn sie in den letzten Jahren nicht gerade durch Weitsicht in Bezug auf sie geglänzt haben. Die westlichen Länder, die das Leiden Syriens hätten verkürzen können, deren Sanktionen jedoch zum Sturz Baschar al-Assads beigetragen haben, müssen ebenfalls darauf achten, dass der Wiederaufbau gelingt und Hunderttausende derzeit im Exil lebende Syrer freiwillig zurückkehren können, die ihren Teil dazu beitragen wollen. (...)»
«El País»: Mileis Erfolge verdecken Schattenseiten
MADRID: Zum argentinischen Präsidenten Javier Milei, der auf den heutigen Tag genau ein Jahr im Amt ist, und seiner bisherigen Bilanz schreibt die spanische Zeitung «El País»:
«Am 10. Dezember 2023 kam der ultrarechte Politiker - bis dahin ein extravaganter Wirtschaftswissenschaftler, der im Fernsehen Beleidigungen von sich gab - in die Casa Rosada (Regierungssitz) mit dem Versprechen, die Inflation zu beenden und den Staat abzubauen. Er versprach auch, die "Kaste" zu bekämpfen, ein Begriff, der praktischerweise Politiker, Journalisten, Geschäftsleute, Gewerkschafter und kritische Künstler umfasst. Zwei Monate reichten ihm, um das Haushaltsdefizit, das Argentinien seit Mitte der 2000er Jahre mit sich herumschleppte, in einen Überschuss zu verwandeln. Und ein Halbjahr, um die Inflation zu zähmen, die von 25 % pro Monat im Dezember letzten Jahres auf weniger als 3 % im Oktober sank. (...)
Milei geht mit einem Beliebtheitsgrad von mehr als 50 % in den Umfragen in sein erstes Amtsjahr. Die Euphorie verdeckt jedoch die Tatsache, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Mehr als die Hälfte der Argentinier ist von Armut betroffen, und die willkürliche Öffnung der Importe gefährdet Tausende von Kleinunternehmen. (...) Es gibt Finanzkreise, die mit Bewunderung auf die argentinischen Zahlen blicken, aber man muss auch auf die autoritären Tendenzen einer Regierung achten, die vor nichts zurückzuschrecken scheint. (...) Nicht jedes Mittel ist im Gegenzug für eine niedrige Inflation recht.»
«La Repubblica»: Wandel in Syrien verändert Region
MAILAND: Die italienische Zeitung «La Repubblica» meint zur Entwicklung in Syrien:
«Auf regionaler Ebene könnte die Niederlage den Iran dazu bringen, sich bald eine Atomwaffe zu beschaffen, da sein imperialer Korridor von Herat nach Beirut über Teheran, Bagdad und Damaskus einen entscheidenden Knotenpunkt verliert. Israel freut sich über die iranische Niederlage, auch wenn der islamistische Druck an seiner Nordostgrenze es nicht beruhigt - ganz zu schweigen von der Aussicht, sein Monopol auf die Bombe im Nahen Osten zu verlieren.
In der Zwischenzeit spürt die Türkei, dass ihr Sieg gegen die Kurden näher rückt, die ihr die Kontrolle über einen immer größer werdenden Teil des ehemaligen Nordsyriens streitig machen, das morgen in ein Nordzypern und dann in eine türkische Provinz umgewandelt werden soll.»
«NG»: Merz will nicht wie «Falke» vor Wählern aussehen
MOSKAU: Die Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» kommentiert die kurz aufeinander folgenden Besuche von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in Kiew.
«Im Anschluss an Bundeskanzler Olaf Scholz war auch sein Hauptkonkurrent, der Chef der Christlich-Demokratischen Union (CDU), Friedrich Merz, in Kiew bei einem Vorwahlbesuch. Seine Anreise nutzte Präsident Wolodymyr Selenskyj, um die Bereitschaft Kiews zu erklären, ausländische Truppen auf ukrainischem Gebiet zu stationieren und die Notwendigkeit der Stärkung seiner Verhandlungsposition durch die Stationierung weitreichender Taurus-Raketen zu betonen. Doch obwohl es Merz wichtig ist, seine im Vergleich zu Scholz größere Entschlossenheit zur Unterstützung Kiews zu betonen, wolle er in den Augen seiner Wähler doch nicht wie ein «Falke» aussehen und ziehe es offenbar vor, das Thema der Lieferung weitreichender deutscher Raketen an die Ukraine nicht zu erörtern, meinten Experten.»
«Nepszava»: In Syrien kann es nur besser werden
BUDAPEST: Zum Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad und den möglichen Folgen schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava»:
«Die Ereignisse in Syrien sind ein eindeutiges Zeichen für die Schwächung Moskaus. Außer ein oder zwei Luftangriffen vermochten die Russen nichts zu tun, um den Vormarsch der Aufständischen aufzuhalten. Die Geschehnisse können auch den Demonstranten in Georgien Hoffnung geben: selbst eine Regierung, hinter der Putins Regime steht, lässt sich stürzen. (...) Es steht außer Zweifel, dass sich der Anführer der syrischen Aufständischen, Abu Mohammed al-Dschulani, gemäßigter und offener zeigt als andere Islamistenführer. Doch es ist unwahrscheinlich, dass sich in Syrien eine liberale Demokratie nach westlichem Vorbild etabliert. Das Land bleibt ein Fleckenteppich örtlicher Einflusszonen, mit vielerlei Nationalitäten. Der Großteil der leidgeprüften Syrer denkt jedoch im Augenblick, dass passieren mag, was wolle: Es kann nur besser werden als unter dem Assad-Regime.»
«de Volkskrant»: Russland muss Verlust von Militärbasen fürchten
AMSTERDAM: Zu den potenziellen Folgen des Umsturzes in Syrien für Russland heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:
«Moskau hat mit dem unerwarteten Sturz von Baschar al-Assad mehr als nur einen treuen Verbündeten verloren. Der Umbruch in Syrien und der wahrscheinliche Verlust der beiden Militärstützpunkte in diesem Land haben erhebliche Auswirkungen auf die russischen Operationen weit über seine Grenzen hinaus, vor allem in Afrika. (.)
Der bisher amtierende Ministerpräsident Mohammed al-Dschalali hat bereits erklärt, dass Syriens neue Machthaber entscheiden müssen, was mit diesen Stützpunkten geschehen soll. Das russische Militär ist nach Angaben des Außenministeriums in Moskau in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. (.)
Als Putin 2015 seine Truppen nach Syrien schickte, wollte er den Westen damit vor vollendete Tatsachen stellen und zugleich die zunehmende Isolation Russlands nach der Annexion der Krim durchbrechen. Russland konnte damit demonstrieren, dass es international weiterhin eine wichtige Rolle spielt und nicht ignoriert werden kann.
In Syrien militärisch Fuß zu fassen, erlaubte Russland zudem, dort neue Waffensysteme zu testen. Davon machte es reichlich Gebrauch und setzte in Syrien neue Kampfjets, Hubschrauber, Drohnen und Raketen ein.»
«The Times»: HTS muss vernünftige Politik verfolgen
LONDON: Die britische Zeitung «The Times» kommentiert am Dienstag die Erwartungen im Westen und der Bevölkerung in Syrien an die neuen Machthaber in Damaskus:
«Die Islamisten-Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), wie auch die Türkei als ihr vorsichtiger Sponsor, wollten, dass Assad nicht länger als Werkzeug für den russischen und iranischen Einfluss dienen kann. Der HTS-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani zeigt sich dementsprechend nun von seiner besten Seite. Bislang ist die HTS sowohl in den USA als auch in Großbritannien geächtet. Um von der schwarzen Liste der Terrororganisationen gestrichen zu werden, muss sie zeigen, dass sie auf eine integrative Übergangsregierung hinarbeitet, die einem Land mit einer langen Geschichte religiöser Vielfalt keine starre sunnitisch-islamistische Ideologie aufzwingt. Und sie darf Israel nicht bedrohen.
Die größte Gefahr für die Region ist der Export eines aggressivem Dschihadismus, der die Unzufriedenheit der Bevölkerung in einigen Ländern als Waffe zum Sturz von Regierungen instrumentalisiert, die ihren Aufgaben nicht nachkommen. Wenn Leute wie Al-Dschulani und die HTS Teil der konstruktiven Neuerfindung des Nahen Ostens sein wollen, müssen sie ihre Mitmenschen als Individuen respektieren und ihnen vernünftige Argumente für eine vernünftige Politik präsentieren. Die Menschen in der Region haben genug von sich selbst bereichernden Diktatoren und religiösen Fanatikern.»
«NZZ»: In Syrien hat Putin auf das falsche Pferd gesetzt
ZÜRICH: Der Umsturz in Syrien sei eine Niederlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:
«Fast 14 Jahre lang, seit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings, hatte Moskau das Assad-Regime mit großem Aufwand gestützt, zunächst diplomatisch, finanziell und mit Waffen, ab 2015 auch mit eigenen Truppen. Diese Militärpräsenz half das Blatt im syrischen Bürgerkrieg zu wenden und erschien lange als Erfolgsgeschichte für Russland. Doch nun erweist sich all dies als gigantische Fehlinvestition. Wie einst schon in der Ukraine und in anderen früheren Sowjetrepubliken hat der Kremlherr auch in Syrien auf das falsche Pferd gesetzt. (.)
Assads Schicksal illustriert zudem, wie rasch Diktaturen kollabieren können. Gewaltherrscher wirken immer allmächtig - bis zu jenem Tag, an dem ihnen alles entgleitet. Diese Urangst ist auch bei Putin spürbar. Vor anderthalb Jahren, während der Prigoschin-Meuterei, zeigte das Kreml-Regime einige Stunden lang Auflösungserscheinungen wie jetzt die Assad-Clique. Zwar scheint Putin derzeit fest im Sattel zu sitzen. Aber der Westen sollte seine Verwundbarkeit nicht übersehen.
An der Spitze der Moskauer Machtpyramide steht ein Mann, der mit seinem skrupellosen Feldzug gegen die Ukraine die Kräfte Russlands überstrapaziert hat und der dafür nun im Nahen Osten die Zeche bezahlt. Im westlichen Interesse liegt es, dass dies nicht seine letzte Schlappe bleibt. Ein langer Atem bei der Unterstützung der Ukraine ist die beste Voraussetzung dafür.»