«Stuttgarter Zeitung» zu den Sparplänen bei Volkswagen
Global sinkt in unsicheren Zeiten die Nachfrage, zuhause wird die Produktion gedrosselt, während die Kosten für Energie und Personal steigen.
Gleichzeitig kommt die Elektromobilität nicht schnell genug in Fahrt. Die Autoindustrie ist daran nicht unschuldig. Sie propagiert bisher auffällig verhalten die Vorteile der Elektroautos in Sachen Abgas, Lärm, Energieeffizienz und Klimawirkung. Denn die Verkäufe der nach wie vor margenstärkeren Verbrenner sollten nicht unnötig gebremst werden. Aber auch die Politik trägt unrühmlich dazu bei, den Zuspruch zur neuen Technik zu bremsen: Die Ampel kippte über Nacht die Förderung, die Opposition geriert sich als Retter des Verbrenners und des freien Marktes - ganz so, als stünden für den Klimaschutz bessere Alternativen bereit und als hätte einst der souveräne Kunde die Abgaskatalysatoren durchgesetzt und nicht der Gesetzgeber.
Zeitungen zum Geschehen am Dienstag
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu VW schließt Werksschließungen nicht mehr aus
Die Ankündigung von Volkswagen, Entlassungen und sogar die Schließung ganzer Werke in Deutschland zu prüfen, sollte als Alarmzeichen verstanden werden, wie schlecht es um den Industriestandort mittlerweile bestellt ist.
Das Wolfsburger Management wird seine Botschaft zwar nicht ohne Hintergedanken (.) platziert haben. Das ändert aber nichts daran, dass die Lage für Europas größten Automobilhersteller immer prekärer wird: Die Rendite der Volumenmarke aus Wolfsburg reicht einfach nicht, um die Transformation zu digitalen und elektrischen Fahrzeugen erfolgreich bewältigen zu können. Die generelle Schwäche des hochpreisigen Standorts Deutschland, der zeitlich schwer zu kalkulierende Pfad zur Elektromobilität und die zunehmenden Risiken in China ergeben ein toxisches Dreieck für den Konzern. (.).
«Münchner Merkur» zu K-Frage
Nicht immer freut sich der Dritte, wenn zwei sich streiten.
Söders Fingerhakeln mit Merz um die Kanzlerkandidatur bezweckt genau das Gegenteil: Einer von uns beiden wird's, sagt der Bayer - und positioniert sich damit klar als Reserve-Kanzlerkandidat der Union. Sollte doch der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass CDU-Chef Merz, aus welchen Gründen auch immer, zurückziehen muss, soll ja keiner auf die verrückte Idee kommen, zuerst an Hendrik Wüst statt an Markus Söder zu denken. Söder ist ein Machtmensch, aber kein Phantast: Er weiß, dass weder seine hohen Beliebtheitswerte noch das adrette neue Bärtchen die Gesetze der politischen Schwerkraft in der Union außer Kraft setzen. Doch wird sich kein CSU-Chef unter Wert verkaufen, schon gar nicht in einem bayerischen Bierzelt. Was hat der Bayernregent auch zu verlieren? Im schlimmsten Fall lässt er sich das Zugeständnis, dass Merz unter ihm Kanzler werden darf, teuer abkaufen.
«Nesawissimaja Gaseta»: Was kann Wagenknecht durchsetzen?
MOSKAU: Die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» schreibt am Dienstag zur möglichen Rolle der Partei von Sahra Wagenknecht bei der Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen:
«Wagenknecht selbst ist am Vorabend der Wahlen mit einer kategorischen Erklärung aufgetreten. Die Beteiligung ihrer Partei in Koalitionen mit anderen sei nur möglich, wenn im Koalitionsvertrag schriftlich festgehalten werde, dass die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland und die Lieferung deutscher Waffen nach Kiew abgelehnt werden.
Wird diese Forderung umgesetzt, müssen ihre möglichen Partner, das ist vor allem die CDU, sich in diesen Fragen gegen Beschlüsse ihrer Bundesführung stellen. Inwiefern das unter den gegebenen Umständen möglich ist, ist noch schwer zu sagen. Denn Parteien, die die Stationierung amerikanischer Raketen und die Hilfe für Kiew ablehnen, sind nur das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD. Die Frage einer möglichen Zusammenarbeit dieser Parteien im Fall einer Pattsituation bei der Bildung von Landesregierungen wurde in der deutschen Presse noch nicht besprochen.»
«Dziennik»: Harte Nuss für Kanzler Scholz Politik-Ausland
WARSCHAU: Die polnische Zeitung «Dziennik Gazeta Prawna» befasst sich am Dienstag mit dem Ergebnis der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen:
«Die Erfolge der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) und des linksextremen Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sind ein Beleg für den wachsenden Einfluss der systemfeindlichen Wählerschaft in den östlichen Bundesländern. In beiden Bundesländern erhielt die AfD mehr als 30 Prozent der Stimmen, das BSW wurde Dritter. Die Christdemokraten haben eine schwierige Aufgabe vor sich, und ohne das BSW wird es ihnen wahrscheinlich nicht gelingen, neue Regierungen zu bilden. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat ein Jahr vor der Bundestagswahl eine harte Nuss zu knacken. In Thüringen sind beide Koalitionspartner der SPD aus dem Landtag ausgeschieden.
Die Anti-Establishment-Wähler auf der Linken und der Rechten eint die Ablehnung der grünen Wende, der Migration und der Unterstützung für die Ukraine. Obwohl die Opposition, die CDU nicht mitgezählt, eine prorussische Option darstellt, kann sich auch die Koalition nicht rühmen, viele ihrer Versprechen im Zusammenhang mit der außenpolitischen Wende erfüllt zu haben, die der Bundeskanzler 2022 mit dem Schlagwort der Zeitenwende angekündigt hat.»
«Neatkariga Rita Avize»: Bedrohlicher Trend
RIGA: Zum Ausgang der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen schreibt die nationalkonservative lettische Zeitung «Neatkariga Rita Avize» am Dienstag unter der Überschrift «Seien wir ehrlich: In Ostdeutschland siegen die reinen Putinisten» mit:
«In der Regel sind die Hauptthemen bei Landtagswahlen das Schulsystem, die Umwelt, die kommunale Infrastruktur und ähnliche Themen. Wie man in Riga sagt: Schlaglöcher haben keine Nationalität. Allerdings spielten bei diesen Wahlen die «großen» Themen eine ungewöhnlich große Rolle. Zwei erwiesen sich als entscheidend: Einwanderung sowie die Einstellung gegenüber Russland und Hilfe für die Ukraine.
Für uns sind diese Wahlen deshalb wichtig, weil sie zeigen, in welche Richtung sich Deutschland, eines der dominierenden Länder der EU, entwickelt. Der Trend ist zugegebenermaßen bedrohlich. Die beiden größten Gewinner - AfD und BSW - sind stark pro-Kreml-, pro-Putin- und anti-ukrainische Parteien. (...)
Bei den Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen darf nicht vergessen werden, dass es sich bei beiden um ehemalige ostdeutsche Bundesländer handelt. Aus den dort stattfindenden politischen Prozessen lassen sich keine Rückschlüsse auf Deutschland als Ganzes ziehen. Doch können diese Ergebnisse andererseits nicht ignoriert werden. Sie veranlassen die «normalen» Parteien, die «Grundsätze» ihrer Parteien häufiger mit der Realität draußen zu vergleichen. Die Zeiten ändern sich rasant und mit ihnen auch die aktuellen Prioritäten. »
«Jyllands-Posten»: Die Deutschen wirken erschöpft
AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» kommentiert das Ergebnis der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen:
«Mehr als 30 Prozent haben für die Partei (AfD) gestimmt, die laut Gerichtsurteil rechtsextremistisch ist. Und ohne allzu dystopisch klingen zu wollen, ahnt man die düstere Hintergrundmusik aus dem Deutschland der Zwischenkriegszeit, als die Nazis ausnutzten, dass die Nation nach dem zerstörerischen Ersten Weltkrieg unter sozialer und wirtschaftlicher Armut sowie politischer Instabilität litt.
Die Einwohner der stolzen Industrienation wirken erschöpft: zermürbt vom teureren Alltag, der Migration überdrüssig, die immer größere Probleme schafft - und der etablierten Politiker müde, die keine klaren Antworten auf die Herausforderungen der Durchschnittsdeutschen haben.
«Bundesmutti» Angela Merkel sagte einmal beruhigend: «Wir schaffen das!» Aber es hat sich gezeigt, dass das vor allem leere Worte waren. Denn sie wurden gesagt, als auch Deutschland mit einer Welle von Migranten kämpfte, die sich 2015 zu dem auf dem Papier sicheren Europa durchgekämpft hatten. Bis dahin hatte Deutschland Gastarbeiter und Migranten in eine Nation aufnehmen können, in der sich die Räder drehten - aber sie drehten sich noch immer nicht mit der gleichen Geschwindigkeit im Osten wie im Westen.
Deutschland muss ein ernstes Gespräch mit sich selbst führen darüber, wie es seine internen Probleme lösen will. Momentan ist es leider auf dem Weg, in einer Situation zu enden, die an Großbritannien und Schweden erinnert, wo auch der Deckel vom Schnellkochtopf abgeflogen ist, weil er zu lange zu fest zugeschraubt war.»
«El País»: Extreme Warnung für Ampel-Koalition
MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Dienstag die Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen:
«Es ist in der Tat der erste Wahlsieg einer rechtsextremen Partei seit der Machtübernahme der Nazis vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Cordon sanitaire, den die anderen Parteien gegen die AfD aufrechterhalten, wird dazu führen, dass ihr Sieg in Thüringen nicht zum Regieren reichen wird, aber er wird es ihr ermöglichen, viele parlamentarische Initiativen zu blockieren. Ihr gutes Ergebnis in Sachsen (...) verleiht ihr eine ähnliche Blockademacht. (...)
Die Ergebnisse in Thüringen und Sachsen stellen den Cordon sanitaire um die AfD erneut auf die Probe, vor allem im Hinblick auf die gemäßigte Rechte. Auch wenn der Ultra-Extremismus aus den deutschen Landesregierungen herausgehalten wird, ist das Ergebnis dieser Wahlen eine ernste Warnung für die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, die in beiden Bundesländern an Boden verliert.
Die CDU wird wahrscheinlich die Regierungen in beiden Bundesländern führen, auch wenn sie dafür einige ihrer roten Linien überschreiten muss. Damit hat sie die beste Ausgangsposition für die Bundestagswahl in einem Jahr, die in Deutschland und in ganz Europa ein beispielloser Test sowohl für den Aufstieg der extremen Rechten als auch für das Engagement der anderen Parteien sein wird, sie von der Macht fernzuhalten.»
«The Times»: Deutschland steht vor großen Herausforderungen
LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Dienstag die Wahlerfolge der AfD:
«Nicht alle, die für die AfD gestimmt haben, sind mutmaßlich moderne Nazis - ohnehin ein naiver Vergleich, der allerdings eine große emotionale Resonanz in Deutschland und darüber hinaus erzeugt. Viele haben aus Protest gegen eine Koalitionsregierung votiert, die sich als eine der schwächsten in der Geschichte der Bundesrepublik erwiesen hat. Sie ist unfähig, auf den öffentlichen Zorn über die irreguläre Einwanderung zu reagieren, verantwortlich für das Stagnieren der Wirtschaft und schwankend in der Frage, wie viel Hilfe sie der Ukraine geben soll, die ums Überleben kämpft. Hinzu kam die Gegenreaktion auf eine grüne Maßnahme mit dem Ziel, herkömmliche Heizungen abzuschaffen - eine Politik, die sich als äußerst unpopulär erwies. (...)
Die Anziehungskraft, die von der extremen Rechten ausgeht, ist auch anderswo zu beobachten, insbesondere in Frankreich und Italien. Besorgniserregend ist aber der hohe Zuspruch für die AfD unter jungen Deutschen, die vom Mainstream desillusioniert sind. Sie stellen Berlin vor große Herausforderungen: die Einwanderung in den Griff zu bekommen, den Umwelteifer zu zügeln, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und Deutschland wieder in Schwung zu bringen.»
«La Repubblica»: Was in Deutschland auf dem Spiel steht
ROM: Zu den Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Dienstag:
«Die Ampel ist ausgeschaltet. Auch wenn sie nur lokal sind, erschüttern die Wahlen in Thüringen und Sachsen Berlin, (...). Die Drei-Parteien-Regierung, unentschlossen und zerstritten, erreicht nie dagewesene Niveaus der Unzufriedenheit. In den Regionen, wo am Sonntag gewählt wurde, wird sie von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung nicht unterstützt, und auf nationaler Ebene ist die Zustimmung auf einem Tiefpunkt (...) Man redet über eine «Demokratiemüdigkeit» in der Ex-DDR, aber die Wahlbeteiligung ist hoch und der Wunsch auf Teilhabe offensichtlich. (...) Nun denken Olaf Scholz und seine Koalitionspartner darüber nach, wie es weitergehen soll. In einem Jahr müssten die Deutschen ein neues Parlament wählen, und die Koalition im freien Fall hilft weder Deutschland noch Europa, dem der Wind ins Gesicht bläst. Eine verlängerte Agonie würde noch schwerere Folgen haben, nicht nur für die Bundesregierung, sondern für die Stabilität des Landes. Alles drängt den Kanzler (...) zu einem mutigen Versuch, das Boot neu auszurichten oder es einem kraftvolleren Steuermann zu überlassen.»
«Lidove noviny»: Politiker sollten auf die Wähler hören
PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt in ihrer Onlineausgabe zum Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen:
«Die Wähler in Thüringen und Sachsen haben nicht für Extremismus oder gar Neonazismus gestimmt. (...) Ihre Entscheidung, die Regierungsparteien abzustrafen, wurde von allgemeinen Problemen beeinflusst. Zu nennen sind etwa die zerfallende Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Gesundheitswesen und Schulen, die unkontrollierte Zuwanderung, die Probleme bei der Integration von Flüchtlingen und die - aus Sicht dieser Wähler - übertriebene militärische Hilfe für die Ukraine. (...) Daran ist nichts spezifisch Deutsches, Thüringisches oder Sächsisches. (...) Im Kern ist es die gleiche Situation, die Donald Trumps Vizepräsidentenkandidat J.D. Vance, beschreibt, wenn er sagt: «Die wahre Gefahr für die amerikanische Demokratie ist, dass die amerikanischen Wähler immer wieder für weniger Zuwanderung stimmen, und unsere Politiker uns dafür mit mehr Zuwanderung belohnen.»»
«de Volkskrant»: Deutschland kein Bollwerk politischer Stabilität mehr
AMSTERDAM: Zu den Wahlerfolgen der AfD heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:
«Was bedeutet das für Deutschland, wo kommendes Jahr am 28. September eine neue Bundesregierung gewählt wird? Noch sind die Rechtsextremen weit von einer Regierungsbeteiligung in Berlin und sogar in den Bundesländern entfernt. Aber der Cordon sanitaire, den andere Parteien um die AfD herum errichtet haben, erfordert immer mehr Akrobatik. So entsteht eine zunehmend wackelige politische Mitte. Derweil verschiebt sich der politische Diskurs in Deutschland unter dem Einfluss der immer stärker werdenden extremen Flanken.
Die CDU liegt zwar in den bundesweiten Umfragen mit einem Drittel der Stimmen weit vorn - so viel wie die drei Parteien der gegenwärtigen Regierungskoalition zusammen bekommen würden. Aber die extreme Rechte ist auf dem Vormarsch, wenngleich im Westen langsamer als im Osten. Und Sahra Wagenknecht rüttelt mit ihrem Widerstand gegen die Ukraine-Hilfe und die Migrationspolitik an den Toren des Bundestages. (...)
Die strukturellen Verschiebungen in der deutschen Politik machen künftige Koalitionen bunter und zugleich instabiler. Deutschland schließt sich damit der neuen politischen Realität an, die viele kleinere europäische Länder bereits erleben. Es entfernt sich so immer weiter von der alten Realität, als es noch ein unerschütterliches Bollwerk politischer Stabilität war.»