Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» über pazifische Allianzen

Der amerikanische Präsident Joe Biden verhandelt seine Ideen nicht, er handelt.

Am ehesten erinnert die Pazifik-Politik an die Zeit, als Barack Obama die feindselig-misstrauische Abhöraktion des Kanzlerinnen-Handys eingestehen musste. Nun ist der Schaden aber größer. Frankreichs pazifische Lanze ist gebrochen, die Brüskierung ist groß. Und schlimmer: Biden hat mit dem U-Boot-Pakt die Saat des Unfriedens und der Spaltung nach Europa hineingetragen. Die Beteiligung von Brexit-Britannien an dieser Brechstangen-Politik tut ihr Übriges.


«Handelsblatt» zum Atom-U-Boot-Deal der USA

Frankreich hat einen guten Grund für die Empörung.

Es geht beileibe nicht nur um die Geschäftsinteressen der nationalen Rüstungsindustrie, die einen Milliardenauftrag zum Bau von U-Booten für die Australier an die Amerikaner verliert. Die Geschehnisse deuten darauf hin, dass Washington einen engen Verbündeten bei einer wichtigen strategischen Entscheidung hintergangen hat. (...) Paris muss allerdings aufpassen, sich trotz berechtigter Entrüstung nicht zu verrennen und am Ende auch Partner in der EU vor den Kopf zu stoßen. Der französische Traum einer strategischen Autonomie Europas lässt sich nicht gegen USA und Nato verwirklichen.


«Frankfurter Rundschau» zu U-Boot-Verkauf/USA/Frankreich/Australien

«Frankreich ist die einzige verbliebene Nuklearmacht in der EU, und sie lässt sich das einiges kosten.

Man kann das gut finden oder nicht. Aber ihr jedes Mitspracherecht abzusprechen, wie es die USA, Großbritannien und Australien tun; sie als loyale Bündnispartnerin in Afghanistan, Mali oder Syrien einzusetzen, aber sie dann diplomatisch zu brüskieren, wie es die Biden-Administration vormacht - das geht nicht. Dass Washington dennoch den diplomatischen Rambo gibt, hat nicht einmal so sehr mit dem milliardenschweren Auftrag für die zwölf ominösen U-Boote zu tun, sondern mit einem anderen Umstand: Das kleine Frankreich nickt den Kurs der großen USA nicht einfach ab. Tatsache ist, dass Frankreich als Nato-Mitglied den Respekt der Alliierten erwarten kann. Berlin muss sich sehr genau überlegen, wo es Stellung bezieht.».


«El Periódico»: Der Siegeszug der Corona-Impfstoffe

MADRID: Die spanische Zeitung «El Periódico» kommentiert am Sonntag die Entspannung der Corona-Lage dank einer hohen Impfrate:

«Die fünfte Corona-Welle in Spanien ebbt immer mehr ab. Wenn nicht noch eine neue Virusvariante auftaucht, war diese Infektionswelle vielleicht die letzte und eine Rückkehr zur Normalität wird möglich sein. In ganz Spanien liegt die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen unter der Schwelle von 100 mit weiter sinkender Tendenz. Möglich wurde dies durch den Erfolg der Impfkampagne, bei der bereits 80 Prozent aller Menschen über zwölf Jahren immunisiert wurden. Trotz des Lärms, den die Anti-Impfstoff-Bewegung macht, hat diese in Spanien glücklicherweise weniger Anhänger gefunden als in anderen europäischen Ländern, die sich schließlich zu extremen Maßnahmen entschieden haben, wie etwa Italien, Frankreich oder Deutschland. Aber hier besteht immer noch die Möglichkeit, Menschen, die wissenschaftlichen Beweisen gegenüber zurückhaltend sind, von den Vorteilen der Impfung zu überzeugen. Denn die Argumente für eine Impfung sind einfach offensichtlich und müssen immer wiederholt werden.»


«The Telegraph»: Ausmaß der Wut Macrons ist absurd

LONDON: Die britische Tageszeitung «Telegraph» kommentiert am Sonntag Frankreichs Verärgerung über den Sicherheitspakt zwischen den USA, Australien und Großbritannien:

«Die mutige Entscheidung, Nukleartechnologie mit einer befreundeten Macht zu teilen, führt zu einer Neuausrichtung der britischen Außenpolitik gegenüber der Pazifikregion, wo die Bedrohung durch China bewältigt werden muss. Und sie beweist zudem, dass Global Britain eine konkrete Idee ist. Der Brexit macht endlich einen echten, historischen Unterschied.

Für die Franzosen ist der Pakt jedoch ein Verrat. Ein gewisses Maß an Verärgerung mag verständlich sein, wenn man bedenkt, dass das Land dadurch eine Vereinbarung über den Verkauf von zwölf U-Booten mit Dieselantrieb an Australien verloren hat. Aber das Ausmaß der Wut Emmanuel Macrons ist absurd und zeigt nur den enormen Mangel an Selbsterkenntnis, der kennzeichnend ist für die kurzsichtigen politischen Eliten Europas. (...)

Die Einbeziehung Australiens in diese Partnerschaft - eine aufstrebende Macht mit historischen Verbindungen zum Vereinigten Königreich und Mitglied der elitären Geheimdienst-Kooperation Five Eyes - war kein unbedachter Verrat an den Franzosen. Sie war unter den gegebenen Umständen völlig vernünftig.»


«Sonntagszeitung»: Methode Merkel taugt bei Krisen nicht

ZÜRICH: Die Schweizer «Sonntagszeitung» zieht eine kritische Bilanz der Amtsjahre von Bundeskanzerin Angela Merkel:

«Außenpolitisch hat Merkel wenig erreicht. Donald Trump ignorierte sie, Boris Johnson erzwang den Brexit, Wladimir Putin hat die Kanzlerin im Ukrainekonflikt schlicht ausgesessen. Die mächtigste Frau der Welt war häufig machtlos. Die Fliehkräfte in der EU haben zugenommen.

Merkels Finanzpolitik vollendete den Tabubruch, den viele fürchten. Die Vergemeinschaftung der Schulden wurde vom italienischen Regierungschef Mario Draghi schon als EZB-Präsident angestrebt und ist jetzt Realität. Die Bundesbank, die stets dagegengehalten hatte, wurde kaltgestellt. Merkel überließ Schäuble-Nachfolger Olaf Scholz die Unterschrift. Was sie bedeutet,ist vielen nicht klar: Das 750 Milliarden Euro schwere Corona-Hilfspaket der EU ist erst der Anfang. Riesige Summen werden verschenkt, ohne Auflagen und ohne Kontrolle. (...)

Innenpolitisch hinterlässt Merkel eine entfremdete Partei, eine zerstrittene Nation und geschwächte Institutionen. Man mag ihr die exzessive Vorsicht verzeihen. Erst die Stimmungslage im Land abwarten und «von hinten» führen. Doch zur Bekämpfung großer Krisen wie Pandemie oder Flutkatastrophe taugte die Methode Merkel nicht.»


«NZZ am Sonntag»: Wahlausgang spannend wie nie

ZÜRICH: Zur Bundestagswahl schreibt die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag»:

«In der Union schwankt man zwischen Panik und Verzweiflung. Denn normalerweise ziehen bei einer Bundestagswahl alle in den Wahlkampf, und am Ende gewinnt die CDU das Kanzleramt. So war es in den vergangenen Jahren immer, von einer rot-grünen Episode einmal abgesehen.

Doch an diesem 26. September ist alles offen. Die Deutschen scheinen mit der Aussicht auf die «Tagesschau» ohne Angela Merkel völlig aus dem Tritt geraten zu sein. Die Stimmung für einen Politikwechsel ist da, aber irgendwie soll alles bleiben, wie es ist. Gerne eine Veränderung, aber bitte nur mit einer Vollkaskoversicherung. Wie sich diese Gefühlslage auf den Wahlzettel übertragen lässt, wissen die meisten Wahlberechtigten selbst nicht. Kein Wunder, dass rund 40 Prozent noch immer unentschlossen sind - ein Rekord. Sämtliche Parteienforscher sind ratlos und können auch nur das konstatieren, was offensichtlich ist: Der Wahlausgang ist spannend wie nie.»

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