Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Afghanistan

Es sind keine unrealistischen Einschätzungen, die der amerikanische Generalstabschef jetzt über Afghanistan vorgetragen hat.

Dass die Taliban leicht an die Macht gekommen sind, heißt noch lange nicht, dass sie die Kontrolle über das Land halten können. Ein Bürgerkrieg ist eine ernst zu nehmende Möglichkeit; im Pandschirtal gibt es noch immer Kämpfe. Und es ist auch nicht auszuschließen, dass das Land wieder zur Operationsbasis für Dschihadisten wird - sei es als Folge von Instabilität oder von "Gastfreundschaft" der Taliban.(.) Amerika habe keine grundlegenden nationalen Interessen in Afghanistan, sagt der Präsident. Der Kampf gegen den Terrorismus werde überall auf der Welt geführt, und er erfordere nicht den Einsatz von Bodentruppen. In anderen Worten: Biden würde einen Bürgerkrieg hinnehmen. (.).


«La Repubblica»: Die «rote Welle» erfasst Ostdeutschland

ROM: Zur den Umfragewerten der SPD und ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Sonntag:

«Es gibt eine Kettenreaktion durch das Scholz-Comeback: die «rote Welle» steckt gerade auch den ehemaligen Osten Deutschlands an - und das nicht nur weil die SPD zwei charismatische Figuren wie Manuela Schwesig für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern und Franziska Giffey als Bürgermeisterkandidatin für Berlin gewählt hat. In Anbetracht der Parlamentswahl am 26. September scheinen die Sozialdemokraten überall zu wachsen, auch in den traditionellen Hochburgen der rechtspopulistischen AfD. (...) Unterdessen kursiert in Berlin für die Zeit nach Merkel, angeführt von Scholz, schon eine Liste möglicher Minister einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und der liberalen FDP. An einer möglichen Allianz mit den Grünen zweifeln wenige.»


«NZZ am Sonntag»: Kopfgeld wie im Wilden Westen

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert das umstrittene neue Abtreibungsgesetz in Texas:

«Das Sonderbarste an diesem Gesetz ist nicht, dass es so extrem daherkommt. Unfassbar ist, dass der Staat die Umsetzung an Private auslagert. Nicht Behörden, sondern Bürger können Jagd machen auf jene, die bei einer Abtreibung helfen, von Ärzten bis zu Taxifahrern, und sie verklagen. Gewinnen sie den Prozess, muss ihnen der Verurteilte 10.000 Dollar zahlen.

Kopfgeld mag im Wilden Westen sinnvoll gewesen sein, doch in einem Rechtsstaat ist es fehl am Platz. Es hetzt Menschen gegeneinander auf. Schon wurden Denunzianten-Websites eingerichtet. Private können nun verhindern, dass Frauen in der ersten Phase der Schwangerschaft abtreiben dürfen, obwohl ihnen die Verfassung das Recht dazu gibt. Das ist absurd. Dass das Oberste Gericht der USA das Gesetz nicht gestoppt hat, ist schockierend. Es zeigt nicht nur, dass die Tage des Abtreibungsrechts wohl gezählt sind, sondern auch, dass extreme Ansichten sich eher durchsetzen als ein breiter Konsens. 60 Prozent der Amerikaner finden, dass Abtreibung in den ersten drei Monaten möglich sein soll.»


«The Sunday Times»: Merkel vermittelte Gefühl von Sicherheit

LONDON: Zur Ära Merkel in der deutschen Politik schreibt die britische Sonntagszeitung «The Sunday Times»:

«Dies ist ein Land, in dem die CDU früher mit dem Slogan «Keine Experimente» Wahlkampf machte. Deutschland hat im letzten Jahrhundert mehr als genug Melodramen erlebt. Die meiste Zeit ihrer Amtsführung vermittelte Merkel ihren Anhängern ein Gefühl der Sicherheit. Das Gefühl, sich in den Händen eines Systems zu befinden, das so zuverlässig ist wie ein Auto von BMW oder ein Wäschetrockner von Bosch. Sie machen sich keine Gedanken darüber, wie oder warum es funktioniert. Es interessiert sie nur, dass es funktioniert. In der Endphase der Merkel-Jahre scheint diese Art der Geschäftsführung ausgedient zu haben. (...)

Der Wahlkampf für die Bundestagswahl in diesem Monat - ein Dreikampf zwischen CDU/CSU, SPD und Grünen - ist im Grunde ein Kampf um Merkels Nachfolge. Keine der drei Parteien hat eine Politik vorgelegt, die ernsthaft von ihren Leitlinien abweicht. Die Grünen behaupten, sie werde heimlich für ihre Partei stimmen. Und Olaf Scholz, der Finanzminister und SPD-Vorsitzende, hat sich mit zur Merkel-Raute geformten Händen fotografieren lassen. Noch fällt es schwer, sich von Mutti zu lösen. Doch der Wandel wird kommen.»

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Leserkommentare

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