Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
Foto: Adobe Stock/©elis Lasop

«Handelsblatt» zu den transatlantischen Beziehungen

Neben den vielen Konfliktfeldern wie der unseligen Nord-Stream-2-Pipeline, den unzureichenden Verteidigungsausgaben oder den gigantischen deutschen Exportüberschüssen geht es vor allem um ein Thema: die Haltung gegenüber China.

(.) Die zaghaften Versuche Berlins, eine Position der Äquidistanz zwischen Washington und Peking einzunehmen, können erstens kaum gelingen, zweitens liegen sie nicht einmal im langfristigen ökonomischen Interesse des Landes. Berlin steht hier mit dem Rücken zur Wand, und es ist höchste Zeit für ein transatlantisches Signal aus Deutschland. Das beste Symbol für das ersehnte Comeback des Westens wäre eine neue, glaubwürdige Initiative für ein umfassendes transatlantisches Handelsabkommen.


«Süddeutsche Zeitung» zur Verteilung der Corona-Impfstoffe

"Wenn Länder nur an sich denken und nationale, scheinbar einfache Antworten in einer globalen Pandemie geben wollen, ist das verheerend.

Auf das Versprechen der G-7-Staaten vom Freitag - das diesmal hoffentlich eingehalten wird - müssen weitere Schritte folgen. In Deutschland und Europa hat man versäumt, früh Produktionskapazitäten für Impfstoffe auszubauen; das muss unverzüglich geschehen. Die Bundesregierung hat dafür - zu spät - gerade einen Sonderbeauftragten eingesetzt.".


«Frankfurter Rundschau» zur erneuten Verurteilung Nawalnys

Nach der erneuten Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny ist die Frage "Wie mit Putin?" wieder aktuell.

Neue Sanktionen sollen her, aber welche? Moskau lässt sich bisher noch nicht einmal von den Strafen nach der Krim-Annexion beeindrucken. Im Gegenteil: Die diplomatischen Beziehungen verhärten sich. Mit jeder Sanktion wird es schwieriger, aus der negativen Spirale herauszukommen, und Moskau handelt aus Trotz nach dem Motto: jetzt erst recht. Seit seinem Amtsantritt vor über 20 Jahren war Putins Politik auch darauf ausgerichtet, die Geburtenrate zu steigern und die Bildung im Land zu verbessern. Die Abwanderung von jungen, gut qualifizierten Menschen ist eine der Hauptsorgen des Regimes. Und in der EU fehlen Fachkräfte. Mit einer klugen Visapolitik für Russland könnte die EU Putin viel wirksamer unter Druck setzen als mit Sanktionen. Und es würde zugleich denjenigen helfen, die ein Leben in einer Demokratie führen wollen.


«Münchner Merkur» zu Corona/Biontech/Brüssel

Die wieder leicht anziehenden Virus-Inzidenzen erinnern daran, dass die Suche nach der richtigen Balance zwischen Lockdown und Lockerung weiter einem Tanz mit dem Tiger gleicht.

Dennoch gibt es Grund zum Optimismus. Die ermutigenden Nachrichten von Biontech zeigen, dass es einen Weg zurück in die Normalität gibt. Das Vakzin ist hoch wirksam, und Geimpfte geben das Virus offenbar nicht weiter. Israel fährt das Leben in schnellem Tempo schon wieder hoch. Umso ärgerlicher, dass das Versagen der EU und der national Verantwortlichen bei der Impfstoffbeschaffung uns Europäer noch länger als nötig im Lockdown gefangen halten wird. Der Gipfel aber ist es, wenn man in Brüssel nun so tut, als seien angebliche Wucherpreise von Biontech schuld daran, dass in Europa noch viele alte Menschen an Covid sterben müssen.


«La Repubblica»: Joe Biden will Agenda des 21. Jahrhundert angehen

ROM: Mit Blick auf die ersten politischen Entscheidungen von US-Präsident Joe Biden schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Sonntag:

«Mit seinen Reden auf dem G7-Gipfel und der Münchner Sicherheitskonferenz schlug der US-amerikanische Präsident Joe Biden den Demokratien eine neue Agenda vor: die Pandemie besiegen, die Wirtschaft wieder aufbauen und das Klima schützen, um die Herausforderung der vierten industriellen Revolution zu meistern und den Angriff von Autokratien, beginnend mit Russland und China, abzuwehren.

Es handelt sich um einen strategischen Ansatz, der bei der internen Agenda der einzelnen Länder beginnt, da er das entscheidende Terrain ist, um den Bürgern Sicherheit und Wohlstand zu garantieren. Wenn Bidens erstes Memorandum zur nationalen Sicherheit die Maßnahmen gegen Covid-19 betraf und seine erste außenpolitische Entscheidung die Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen war, dann deshalb, weil sich der neue Mieter im Weißen Haus nicht darauf beschränkt, die Fehler seines Vorgängers Donald Trump zu korrigieren, (...) sondern die neue Agenda des 21. Jahrhunderts anzugehen.»


«El País»: Koalitionspartner Podemos handelt verantwortungslos

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» befasst sich in einem Kommentar am Sonntag mit den zunehmenden Spannungen innerhalb der linken Koalition von Ministerpräsident Pedro Sánchez:

«Das Regierungsbündnis zwischen der (sozialistischen) PSOE und (der links-alternativen) Unidas Podemos hat in zunehmendem Maße schwerwiegende Probleme, die dringend gelöst werden müssen. Erstens beeinträchtigen mangelnde Koordination und interne Hahnenkämpfe immer wieder die Arbeit der Regierung. Zweitens agiert der Juniorpartner Podemos verantwortungslos, wenn er aus dem Zentrum der Macht heraus die Gewalt auf den Straßen (bei den Protesten gegen die Inhaftierung des Rappers Pablo Hasél) nicht verurteilt. Beides schadet Spanien.

Es gibt viele Streitpunkte, angefangen bei der Wohnungspolitik über die Änderung des Strafrechts bei Überschreitungen der Meinungsfreiheit bis hin zur Gleichstellung der Geschlechter. Schlimmer jedoch ist, dass Podemos die Staatsform (parlamentarische Monarchie) in Frage stellt, ohne dass bessere Konsenslösungen in Sicht wären, die Qualität der Demokratie in Spanien anzweifelt oder Gewalt bei Demos kaum kritisiert. Podemos hat viele soziale Fortschritte ermöglicht. Aber die Bürger haben es nicht verdient, dass eine Regierungspartei mehr destabilisiert, als ruhig zu bauen.»


«Sunday Times»: Harry und Meghan machen weiter Schlagzeilen

LONDON: Zum endgültigen Rückzug Prinz Harrys und seiner Frau Meghan von den royalen Pflichten im britischen Königshaus meint die Londoner «Sunday Times»:

«Die Königin hat in ihrer langen Regentschaft schon Schlimmeres erlebt. Und sie genießt weiterhin den Respekt und die Zuneigung der Öffentlichkeit. Sie hat einen Beliebtheitsgrad - sogar bei Republikanern -, nach dem sich Politiker alle zehn Finger lecken würden. Aber Prinz Charles muss Brücken zur Öffentlichkeit bauen, wenn er ihr auf dem Thron folgt. Diese Aufgabe wäre mit den Sussexes als sehr beliebten Mitgliedern der königlichen Familie einfacher gewesen. Es wird zudem eine seltsame Situation sein, wenn der Sohn eines Königs von der Familie entfremdet ist. Harry und Meghan mögen von ihren königlichen Pflichten entbunden worden sein, aber sie werden weiterhin für Schlagzeilen sorgen - und nicht immer nur für positive.»


«Sonntagszeitung»: Freiheitsrechte sind keine Privilegien

ZÜRICH: Zum Streit über die Aufhebung von Corona-Einschränkungen für Geimpfte in der Schweiz schreibt die Schweizer «Sonntagszeitung»:

«Die nationale Ethikkommission hat dazu Empfehlungen präsentiert. Nur unter sehr restriktiven Bedingungen möchte sie zulassen, dass eine Impfbescheinigung verlangt werden darf. Für den Besuch von Theater, Kino, Konzerten oder Sportveranstaltungen hält sie es für nicht zulässig. (...) Das überrascht nicht: Ethikkommissionen sind Regulierungs-Turbos. Aber in der Schweiz gilt die Vertragsfreiheit. Private entscheiden selbst, wem sie Tickets oder Waren verkaufen. Freiheitsrechte sind nicht Privilegien, die der Staat in seiner Gnade den Untertanen von Fall zu Fall gewährt oder verweigert. Es ist gerade umgekehrt: Der Staat muss sehr gut begründen, wenn er die Freiheit seiner Bürger einschränken will. (...)

Sollen wir anderen etwas verwehren, bloß weil wir es selbst nicht tun dürfen oder können? Ist es ein Gebot der Solidarität, Geimpfte nicht zu bevorzugen? Was hat ein Nichtgeimpfter davon, wenn einem Geimpften Freiheitsrechte verweigert werden? Der Philosoph Reinhard K. Sprenger gibt darauf eine klare Antwort: «Wer da Solidarität fordert, bekämpft nicht das Virus, sondern die Bevölkerung.»


«NZZ am Sonntag»: Europäer müssen sich selbst stark machen

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert das Verhältnis zwischen den USA und Europa:

«Amerika ist zurück, verkündete Joe Biden bei der Münchner Sicherheitskonferenz einer zufriedenen Zuhörerschaft. Europa ist nicht zurück. Man könnte auch sagen, Europa war nie da, seit es sich erst in zwei Weltkriegen zerstört hat und seit dem Ende des Kalten Krieges mit seiner gemeinsamen institutionellen Verwaltung beschäftigt ist. (...)

Die Rückkehr der USA zum Multilateralismus und zur atlantischen Allianz ist zu begrüssen, aber gleicht die Schwäche der Europäer nicht aus. Sie ist auch unter Biden nur geborgte Zeit, ein unsicheres Versprechen, das bis zur nächsten Wahl in den USA reichen mag, falls ein neuer Unilateralist (oder gar wieder Donald Trump) an die Macht zurückkommt. Europa braucht klare Prinzipien und Mut zur politischen Konfrontation. Das heißt: Nur ein kleiner Kreis williger Staaten wird Europas Außenpolitik führen. Und nur mit einem Hightech-Militär sind sie auch glaubwürdig.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.