Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

«NZZ am Sonntag»: China lässt sich nichts vorschreiben

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert das von China geplante Sicherheitsgesetz für Hongkong:

«Demokratie­Aktivisten und Journalisten könnten künftig von Peking direkt verfolgt werden. China bricht so mit der Vereinbarung «Ein Land, zwei Systeme», die den Hongkongern bis 2047 freiheitliche Grundrechte und eine gewisse Autonomie hätte garantieren sollen.

Der Schritt ist eine Machtdemonstration: Peking will sich weder von aufständischen Hongkongern noch vom Westen etwas vorschreiben lassen und hart durchgreifen. Die Drohung des US-Außenministers Mike Pompeo, die Wirtschaftsmetropole nach der Einführung des Gesetzes künftig nicht mehr mit Vorzugskonditionen zu behandeln, dürfte China wohl ebenfalls nicht beeindrucken. Peking ist auf einer Mission. Die Leidtragenden sind in jedem Fall die Hongkonger.»


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu deutsch-französischem Wiederaufbauplan

Die «sparsamen Vier» (...) zeigen keinen Mangel an Solidarität, wenn sie auf klare Verantwortlichkeiten und Bedingungen dafür dringen, wie das Wiederaufbauprogramm finanziert und wie das Geld ausgegeben wird.

(...) Auf der anderen Seite gilt: Was immer man etwa über Italiens Haushaltspolitik in den vergangenen Jahrzehnte sagen kann - die Notlage, in die das Land durch das Coronavirus geraten ist, ist unverschuldet. Ähnliches gilt für die anderen südeuropäischen Länder. (...) Jetzt ist nicht die Zeit, Versäumnisse der Vergangenheit aufzurechnen, sondern zu helfen. Die Zukunft der EU hängt davon ab, dass sich alle gleichermaßen bewegen. Sollten die Staats- und Regierungschefs dazu nicht in der Lage sein, wäre das kein Versagen der EU, sondern der Nationalstaaten.


«Frankfurter Rundschau» zu EU-Streit über Corona-Hilfen

Auf den ersten Blick ist es ganz einfach: Wer sich für Europa mehr Ausgleich unter den Volkswirtschaften wünscht, wird eher den Plan von Macron und Merkel begrüßen, der auf ein gewisses Maß an Umverteilung von Reichtum hinausläuft.

Wer genau das nicht will, wird sich eher den «Sparsamen Vier» anschließen. Auf den zweiten Blick lässt sich die Sache auch ganz anders betrachten. Nämlich dann, wenn man radikalere Sichtweisen mit einbezieht. Dann zeigt sich: Zu einem anderen, solidarischen Europa wird keiner der beiden Vorschläge beitragen. Zum einen sind 500 Milliarden Euro, verteilt auf insgesamt 27 Länder und fünf Jahre, nicht so viel Geld, wie es scheint. Zum anderen aber hat vor allem Angela Merkel deutlich gemacht, dass sie eine grundlegende Wende in der Finanz- und Haushaltspolitik der EU gerade nicht will.


«Münchner Merkur» zu Merkel/Sparsame Vier

Europa braucht nach den schlimmsten ökonomischen Verheerungen seit dem Krieg einen Rettungsplan, doch wird der diesmal nicht aus Amerika kommen.

Am Ende werden die USA als die unangefochtene digitale Supermacht siegreich aus dieser globalen Krise hervorgehen, ebenso der unterdrückerische Handelsriese China. Will Deutschland in der Welt nicht zum bedeutungslosen Anhängsel werden, muss es sich, gemeinsam mit den Nordländern, um seine leidenden Partner kümmern, darf es als europäischer Hegemon nicht in der Rolle des Chefbuchhalters verharren. Die Kanzlerin weiß das. Gleichwohl dürfte ihr als geübter Verhandlerin der Protestbrief der «sparsamen Vier» im jetzt beginnenden Tauziehen unter deutscher Ratspräsidentschaft zupasskommen, um italienischen Begehrlichkeiten Grenzen zu setzen.


«La Repubblica»: «Sparsame» Vier riskieren die Zukunft der EU

ROM: Zu den Debatten um einen EU-Wiederaufbauplan und zum Gegenentwurf aus Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden zum Konzept von Angela Merkel und Emmanuel Macron schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Sonntag:

«Ungeachtet dessen, wie stark dieser Angriff das Vorgehen der Europäischen Kommission beeinflussen wird - die am Mittwoch ihren Vorschlag für den Wiederaufbaufonds an den Europäischen Rat formulieren muss - allein, dass es diesen Gegenentwurf überhaupt gibt, bestätigt, dass die nationale Selbstsucht im Kampf gegen die Pandemie in zu vielen EU-Ländern weiter überwiegt. Das Vorgehen legt einen Finger in eine alte Wunde und unterstreicht erneut die Bedeutung der Ereignisse Anfang März, als die EU das Ausmaß der Pandemie-Schäden in Italien und Spanien nur langsam erkannte, es unterstreicht aber auch die Bedeutung der Umkehr in Berlin, wo erst Präsident Frank-Walter Steinmeier und dann Bundeskanzlerin Angela Merkel ein wachsendes Verständnis für das Leiden der anderen ausdrückten und dann sogar klar sagten, dass das Wohlergehen Deutschlands «eng mit dem der Nachbarländer verbunden ist».

Entscheidend für den Merkel-Macron-Vorschlag ist nicht nur die Höhe der Hilfssumme, sondern auch die Tatsache, dass er, wenn auch mit erheblicher Zeitverzögerung, den europäischen Zusammenhalt als notwendig erachtet beim Versuch, denjenigen mit den größten Schäden schnell und effektiv zu helfen. Alles in dem Bewusstsein, dass sich die Europäische Union gemeinsam von dem Pandemie-Desaster erholen wird oder den Zusammenbruch riskiert. Die sogenannten sparsamen Länder schlagen dagegen die entgegengesetzte Richtung ein.»


«Sonntagszeitung»: Virtuelle Welt braucht qualifizierte Chefs

ZÜRICH: Die Zürcher «Sonntagszeitung» macht auf Nachteile der Arbeit im Homeoffice sowie mit Videokonferenzen aufmerksam::

«Nach Einschätzung von Experten ist eine Mehrheit der Vorgesetzten nicht fähig, in der Arbeitswelt 4.0 kompetent zu führen. Denn dezentrales Arbeiten ist höchst anspruchsvoll. Eine Videokonferenz ist eben mehr als bloß ein technischer Vorgang. Wer sie leitet, muss fünf bis zehn Gesichter gleichzeitig auf dem Schirm lesen können. Dominante Selbstinszenierer müssen abgeklemmt, ruhigere Teilnehmer und Teilnehmerinnen bewusst zu Voten aufgefordert werden. Stimmungen in Teams können nicht mehr einfach auf natürlichem Weg erfasst werden - in der Kaffeeküche oder beim gemeinsamen Joggen über Mittag. (...)

Um diese Nachteile auszubügeln, braucht es doppelt so empathische Chefinnen und Chefs, deren Können über das Verschicken einer Einladung fürs Google-Hangout-Meeting hinausgeht. Seit Jahren spricht man vom Führen in der virtuellen Welt. Jetzt ist der Moment der Wahrheit gekommen. Bevor die Unternehmen Büroflächen reduzieren, sollten sie vielleicht erst mal ihr Kader in die Weiterbildung schicken.»


«The Sunday Times»: Großbritannien sollte seine Interessen wahren

LONDON: Zu dem von China geplanten Sicherheitsgesetz für Hongkong meint die Londoner «Sunday Times»:

«Der Zweck ist klar: Peking will das unterbinden, was es als subversive Handlungen gegen die chinesische Regierung betrachtet, einschließlich der Proteste von Studenten. Lord Patten, Großbritanniens letzter Gouverneur Hongkongs, sagt, dass "eine neue chinesische Diktatur", der man nicht trauen könne, Verrat an der dortigen Bevölkerung begehe. (...)

Doch während China nichts tut, um Freunde zu gewinnen und Menschen zu überzeugen, sollten wir aufpassen, dass wir uns nicht durch die Errichtung zu vieler Barrieren selbst in den Fuß schießen. Viele britische Unternehmen brauchen den chinesischen Markt und unsere Universitäten brauchen chinesische Studenten. China wird tun, was seinen Interessen entspricht. Wir sollten dasselbe tun.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.