Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zu Freihandelsabkommen

China ist nun gemeinsam mit Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland und den Asean-Staaten Mitglied des größten Freihandelsblocks der Erde.

Eine taktische Meisterleistung Pekings und ein Affront für den Rest der Welt. Acht zähe Jahre war verhandelt worden, acht Jahre lang bremsten vor allem die chinesischen Unterhändler: Handel ja, aber mit so wenig Zugeständnissen wie möglich. Protektionismus zu Hause und offene Märkte überall sonst - so funktioniert die Globalisierung chinesischer Prägung. Auf einmal aber vollzieht Peking eine hastige Kehrtwende, macht Zugeständnisse und tritt einem Freihandelsabkommen ausgerechnet mit Australien bei. Mit kaum einem anderen Land liegt die Volksrepublik derzeit stärker im Clinch. Der neue Pragmatismus ist vor allem dem Machtwechsel in Washington geschuldet. Höchste Zeit für neue Allianzen.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Freihandelszone in Asien

Wie China «Führung» versteht, wissen viele der Staaten, die bei dem neuen Abkommen mitmachen, nur zu genau.

Die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer, wo China internationale Gerichtsurteile souverän ignoriert, sind nur ein Beispiel. Dass der Umgang Pekings mit Schwächeren trotzdem nicht abschreckend genug war, ist zum einen völlig verständlich, andererseits aber eben auch eine indirekte Auswirkung des Trump'schen Kurses der «Abkopplung» der Vereinigten Staaten vom Rest der Welt. Die Südostasiaten und die anderen Mitglieder des neuen Zusammenschlusses hatten ökonomisch kaum eine andere Wahl. (...) Die Scherben, die Donald Trump hinterlassen hat, muss jetzt sein Nachfolger Joe Biden zusammenkehren. Das ist keine Aufgabe, um die man den gewählten Präsidenten beneiden darf.


«Frankfurter Rundschau» zu Beratungen/Corona

Obwohl die Konferenz von Kanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs und -chefinnen zur Routine im Corona-Krisenmanagement geworden ist, geht sie mit einer beinah kindlichen Erwartungshaltung einher.

So als kämen da nicht Politikerinnen und Politiker zu Beratungen über Infektions- und Insolvenzkurven zusammen, sondern ein Orakel mit magischen Fähigkeiten. Bei Betrachtung der Fakten ergibt sich allerdings kein Anlass für Spekulationen über den Ausgang Treffens. Die vor zwei Wochen verschärften Einschränkungen konnten den Anstieg der Infektionszahlen verlangsamen, aber nicht stoppen. Warum also sollte es jetzt an der Zeit für Lockerungen sein? Bis zu einem wirksamen Impfstoff werden noch Monate vergehen. Es wird ein Winter der Einschränkungen. Die Politik muss diese Einschränkungen umsetzbar und erträglich gestalten - mit erweiterten Testkapazitäten, finanziellen Nothilfen, modernisierten Unterrichtskonzepten. Hier muss die Konferenz liefern. Zaubern muss sie nicht.


«Stuttgarter Zeitung» zu Lage der Senioren in der Coronakrise

Niemand kann sich vorstellen, die Heime erneut abzuschotten, da sind sich die Politik und die Träger einig.

Die Isolation im Frühjahr hatte die alten Menschen vor dem tödlichen Virus nicht hinreichend schützen können. Doch die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Bewohner waren oft fatal. Die Verwirrten wurden verwirrter, die Gebrechlichen gebrechlicher, manche haben ganz ihren Lebensmut verloren. Keine Gruppe der Gesellschaft hat die Pandemie so hart getroffen wie die alten Menschen, bei ihnen geht es um Leben oder Tod. Kein gutes Bild gibt Baden-Württembergs Sozialminister Lucha ab. Er habe fünf Millionen Tests geordert, verkündete er vor wenigen Tagen. Eine Reserve, die bei «etwaigen Lieferengpässen» zum Einsatz kommen könne. Dabei ist der «Lieferengpass» längst eingetreten. Wann die Tests zur Verfügung stehen, kann Lucha nicht sagen. Eines ist klar: Sie kommen viel zu spät.


«La Repubblica»: Corona sorgt für kollektiven Groll

ROM: Angesichts der weiteren Verschärfung der Corona-Regeln in Italien schreibt die Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Sonntag:

«Zum Zeitpunkt des totalen Lockdowns waren wir eine Gemeinschaft, ein Volk, das von einem einzigen Schicksal geprägt war; jetzt sind wir eine formlose Masse von Individuen, überwiegend von Groll dominiert. Kein Feingefühl, sondern ein kollektiver Groll, der sich wie ein Schatten über die Institutionen erstreckt, über die Beziehung von Mehrheit und Opposition, auf Städte und Regionen, die gegeneinander bewaffnet sind, und auf alle zusammen gegen den Staat.

Die Fakten sind überaus vielsagend. UN-Generalsekretär António Guterres hat sie bekanntgegeben: Covid vergrößert die Kluft zwischen reichen und armen Ländern. Und in ihnen zwischen Menschen und Unternehmen, insbesondere die schwächsten werden getroffen. Die Frauen zum Beispiel: Diejenigen, die arbeiten (63 Prozent, dagegen 94 Prozent der Männer) in Europa, verdienen 15 Prozent weniger, und die Epidemie hat sie anfälliger für Entlassungen gemacht. Unterdessen wächst der Abstand zwischen den Generationen, die inzwischen getrennte Schicksale tangieren. (...) Inzwischen hat die Gesellschaft der Anästhesisten die Todesregeln überarbeitet, das Kriterium für die Entscheidung, wer behandelt wird, wenn die Ressourcen nicht ausreichen; und das fortgeschrittene Alter bleibt ein Nachteil.»


«Observer»: Der Linken ist Biden nicht radikal genug

LONDON: Im linken Flügel der US-Demokraten sind Zweifel an den Erfolgschancen der Präsidentschaft von Joe Biden laut geworden. Dazu meint die britische Sonntagszeitung «The Observer»:

«Er hat zwar mehr als 78 Millionen Stimmen erhalten, aber Trump bekam immerhin noch mehr als 72 Millionen. Dies wird als düsterer Beweis dafür gewertet, dass Amerika irreparabel geteilt ist, dass Bidens Mission zur Wiedervereinigung des Landes nicht gelingen kann und dass 2024 eine Art Trump-Plus-Kandidat - böse wie er, aber schlauer - an die Macht kommen wird. Diese Analyse beruht auf dem grundsätzlichen Einwand, Biden sei nicht radikal genug - ein lebenslanger Zentrist, der den für die Neuordnung der Gesellschaft als notwendig erachteten ideologischen und politischen Systemwandel nicht herbeiführen könne.

Doch zu behaupten, dass Biden nicht in der Lage ist, die Spaltung zu überbrücken, und dass seine Lösungsvorschläge - ein Konjunkturpaket, höhere Steuern für Unternehmen und Reiche, umfangreiche öffentliche Investitionen und eine monumentale Umstellung auf saubere Energie - fehlschlagen werden, weil sie nicht weit genug gehen, ist übermäßig pessimistisch. Es ist, als würde man sagen, Amerika sei unfähig zu Veränderungen. Das ist nicht so, wie die Geschichte zeigt.»


«NZZ am Sonntag»: Ohne Druck bei Impfungen wird es nicht gehen

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» beschäftigt sich mit Fragen zur Corona-Impfung:

«Kommt der obligatorische Piks für alle? Auch für diejenigen, die ihn gar nicht wollen oder sich davor fürchten? Kann die Pandemie nur durch Zwang beendet werden? Wo bleibt die Freiheit des Einzelnen? Für Hektik besteht kein Anlass. Erstens werden die verfügbaren Mengen zunächst ohnehin nicht ausreichen, um die ganze Bevölkerung durchzuimpfen. Zweitens braucht es nach Ansicht von Experten gar keine Massenimmunisierung. Und drittens werden die Prüfung der Impfstoffe und der Nebenwirkungen sowie die weitere Aufklärung und Information zur Beruhigung beitragen und die Akzeptanz der Impfung erhöhen.

Doch ganz ohne Druck wird es wohl nicht gehen. Bestimmte Berufsgruppen - etwa im Gesundheitswesen - werden geimpft werden müssen, denn sie tragen eine besondere Verantwortung. Ihnen (auch allen Skeptikern) sei gesagt, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten, damit wir alle unsere Freiheit zurückerlangen können.»

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.