Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Umfrage/Scholz

Diese Ergebnisse sollten dem Kanzler und seinen Beratern zu denken geben: Zwei von drei Bürgern haben den Eindruck, dass Olaf Scholz ihnen nicht zutraut, politische Zusammenhänge und Probleme zu verstehen.

Vier von fünf Bürgern finden, dass der Kanzler sein Handeln und seine Entscheidungen der Öffentlichkeit nicht gut erklärt. Die Ampelkoalition hat inmitten der tiefsten Krise auf dem Kontinent seit Jahrzehnten nicht nur, aber auch gute Entscheidungen getroffen. In der Kommunikation mit der Bevölkerung ist der Kanzler in seinem ersten Jahr im Amt jedoch gescheitert. Scholz sollte die Bevölkerung mehr als Gesprächspartner auf Augenhöhe sehen. Der Kanzler sollte in dieser Krise auch unangenehme Wahrheiten offen aussprechen.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Proteste/China

Die Geschwindigkeit, mit der sich die Protestwelle verbreitet hat, dürfte die Führung in Angst und Schrecken versetzen.

Seit der Demokratiebewegung von 1989 ist auf Chinas Straßen wohl nicht mehr so offen zum Sturz des Führers aufgerufen worden. Dennoch wäre es verfrüht und wohl auch verfehlt, zu glauben, dass die noch immer vereinzelten Aktionen eine ernsthafte Gefahr für das kommunistische Regime darstellen könnten. Die allermeisten Demonstranten verlangen eine Lockerung der Corona-Maßnahmen und nicht das Ende der Kommunistischen Partei. In jedem Fall stellen die Ereignisse Staats- und Parteichef Xi Jinping auf eine neue Probe. Es steht zu befürchten, dass er es nicht dabei belassen wird, die wütende Öffentlichkeit mit Zugeständnissen zu besänftigen. Dem Land steht wohl eine neue Welle der Repression bevor.


«Münchner Merkur» zu China

Als in Europa und den USA die Corona-Infektionszahlen in die Höhe schossen, schwadronierten bei uns einige schon darüber, wie viel erfolgreicher doch so eine Diktatur wie China im Kampf gegen die Epidemie vorgehen könne.

Heute, da das Virus im Westen dank Impfung und Durchseuchung zunehmend an Schrecken verliert, zeigt sich: Eine offene Gesellschaft kommt auch mit solch einer Seuche besser zurecht als eine Diktatur, in der der einmal eingeschlagene Kurs weder von Experten noch von den Bürgern hinterfragt werden darf. Die ideologische Null-Covid-Strategie von Staatspräsident Xi Jinping hat China in eine Sackgasse manövriert. (.) Xi wird seine Lehren daraus gezogen haben und den Protest mit allen Mitteln zu ersticken versuchen. Aber seine Allmacht bröckelt.


«La Repubblica»: Junge Frauen im Iran ausschlaggebend

ROM: Zu den Protesten im Iran schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Sonntag:

«Die offensichtlichste und entscheidendste Neuerung ist, dass wir zum ersten Mal eine nationale Bewegung vorfinden, die vom Aufruhr der Frauen für die Respektierung ihrer Rechte entfesselt wurde - und das nicht nur in der iranischen, sondern in der gesamten Menschheitsgeschichte. Frauen im Iran waren bereits für den Sieg des Reformisten Mohammed Chatami bei den Präsidentschaftswahlen 1997 und bei den Protesten der sogenannten Grünen Bewegung 2009 ausschlaggebend. Aber jetzt passiert gerade etwas ganz anderes.

Es handelt sich um größtenteils junge und sehr junge Frauen. Sprich jene, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden und der Generation Z angehören, die im Iran aufgewachsen sind, ohne eine direkte Erinnerung an die Revolution um Anführer Ruhollah Chomeini von 1979 oder den langen Iran-Irak-Krieg zu haben. Sie haben die Rauheit blutiger Konflikte in ihrem Leben nicht mit angesehen oder erlitten. Sie haben in einer Situation von grundlegender Stabilität gelebt und dabei ein höheres Bildungsniveau als frühere Generationen erreicht.»


«NZZ am Sonntag»: Putins Herrschaft wankt

ZÜRICH: Russlands Präsident Wladimir Putin lebe in einer Scheinwelt, meint die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag»:

«Zwei Monate nach der Mobilisierung von Zivilisten für seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine hat Wladimir Putin 17 Mütter von Soldaten getroffen. Keine gewöhnlichen Mütter, wie sich schnell herausstellte, sondern loyale Staatsbedienstete, kremltreue Propagandistinnen und andere Frauen, die wie Schauspielerinnen regelmäßig bei Fototerminen des russischen Präsidenten in Erscheinung treten - beim Gottesdienst in der Kirche, bei einer Bootsfahrt mit Fischern, bei einem Treffen mit Stewardessen. Alles, so scheint es, ist Fake in Putins Russland: der Krieg gegen die Ukraine, der Spezialoperation genannt wird; die Mobilisierung, die keinerlei militärischen Erfolg bringt, dafür aber Tausende von toten russischen Männern; die Begegnungen des russischen Präsidenten mit «Bürgern», allesamt choreografiert und garantiert coronafrei.

Wladimir Putin lebt in einer Scheinwelt wie so viele Diktatoren im Endstadium ihrer Herrschaft. Das Kreml-Protokoll macht sich auch gar nicht mehr die Mühe, die Manipulationen groß zu verstecken. Jeder in Russland kann sie sehen. Die Lüge hat ja Tradition, vom Zarenreich über die Stalinzeit bis heute zu Putin. Sie wird so lange akzeptiert, wie sie den Russen Vorteile bringt - Reichtum oder auch nur ein ungestörtes Leben. Damit ist nun wohl Schluss. Putins Herrschaft wankt.»


«The Sunday Times»: Westen muss der Ukraine weiter beistehen

LONDON: Die Londoner «Sunday Times» kommentiert Russlands Krieg gegen die Ukraine:

«Der russische Diktator versucht, einen neuen Keil zwischen die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer zu treiben. Er hofft, dass die katastrophalen Lebensbedingungen in der Ukraine eine neue Welle von Flüchtlingen nach Westen treiben und die Nachbarländer unter Druck setzen werden. Meinungsumfragen zeigen Anzeichen von «Ukraine-Müdigkeit» in Deutschland, Frankreich und Italien.

Dies ist nicht die Zeit für den Westen, in seiner Entschlossenheit nachzulassen. Die russische Armee befindet sich in einer schwierigen Lage und ihr geht das Material aus. (...) Ein inszeniertes Treffen Putins mit ausgewählten Müttern russischer Soldaten in der vergangenen Woche, bei dem er sagte, die Regierung teile ihren «Schmerz», ließ die Besorgnis des Kremls über die Art und Weise erahnen, wie der Krieg in der Heimat wahrgenommen wird.

Wir sind nicht so weit gekommen, um unter dem Stiefel eines wankenden Tyrannen einzuknicken. Der Westen muss der Ukraine in den kommenden kalten Monaten beistehen, auch wenn die Kosten weiter steigen. Wenn wir das nicht tun, wäre der Preis für uns alle am Ende viel höher.»

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