Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu EU-Gipfel

Selbst unter dem Eindruck der Corona-Pandemie ist es nicht weniger legitim geworden zu fragen, wer das in Rede stehende Aufbauprogramm finanzieren, wer es kontrollieren, wer die Mittel bekommen soll und für welchen Zweck.

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich dabei Interessengegensätze auftun, die zum Teil im Prinzipiellen gründen. (...) Dennoch müsste allen EU-Mitgliedern klar sein, was die weltpolitische Uhr geschlagen hat; dass es angesichts der machtpolitischen und technologischen Umbrüche mehr denn je darauf ankommt, dass ihre Union wirtschaftlich leistungsfähig ist oder wieder wird. Es ist nicht das unwichtigste Ziel, in dieser ungemütlichen Welt politisch nicht unter die Räder zu kommen. Daran wird der Ertrag des langen Brüsseler Wochenendes auch zu messen sein.


«Handelsblatt» zu Corona-Krisenmanagement der Politik

Im Zweifel die Priorität auf den Schutz des Lebens zu setzen, wie die Politik es derzeit konsequent macht, ist nicht die schlechteste, weil die menschlichste Maxime.

Das befreit die Politik allerdings nicht davon, eine Strategie zu liefern, die den Schutz der Gesundheit der Menschen garantiert, ohne die ökonomischen Grundlagen unseres Wohlstands langfristig zu gefährden.


«NZZ am Sonntag»: Europäer müssen Unabhängigkeit bewahren

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert die Haltung Europas bei den sich verschärfenden Spannungen zwischen den USA und China:

«Die Welt ist vernetzter geworden, und auch die neuen Rivalen - China und USA - sind so verflochten wie nie zuvor. Das ist eigentlich gut, denn die wirtschaftliche Integration ist Garant für Frieden und letztlich auch die Grundidee der Europäischen Union. Doch die beiden grossen Rivalen versuchen, die Welt wieder auseinanderzudividieren und die Europäer in ihren Bann zu ziehen. Die Europäer müssen sich im neuen Machtgefüge zurechtfinden und wissen, wo sie stehen. Nur so können sie unabhängig bleiben. Gerade in Bezug auf China wissen das die Europäer aber nicht. Das zeigen allein die unterschiedlichen Konzepte beim Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes. Darf das der chinesische Anbieter Huawei bauen oder nicht? Zu lange hat man sich bei China bloß auf den Verkauf von Autos und Maschinen konzentriert und nicht sehen wollen, dass China ein mächtiger Rivale geworden ist. Die Europäer sollten sich dringend auf eine Strategie einigen. Sonst wird es bald zu spät.»


«Corriere della Sera»: Mutloses Italien in Libyen

ROM: Zum Libyenkonflikt und der Rolle der ehemaligen Kolonialmacht Italien schreibt die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera» am Sonntag:

«Das gerade genesende Italien schaut sich um. Das Mare Nostrum gehört nun den anderen. Die Türkei ist der wahre Player im Mittelmeer: Territorialgewässer, Erdöl, vormals osmanische Gebiete, Migranten. Sie hat eine Beziehung zu Russland als «Freunde, nicht Verbündete», und auch als Konkurrenten. Die Freundschaft zeigte sich im Schweigen Putins zur Hagia Sophia, obwohl dieser doch ein Verteidiger der Christen ist. Und Italien? Trotz der Erdölinteressen des Eni-Konzerns und der Sympathien der Libyer riskiert es, in einer Statistenrolle zu bleiben. Nicht erst seit heute, sondern seit es sich - in einem Tick ohne politischen Verstand den Franzosen folgend - am Sturz Gaddafis beteiligt hatte und dabei nichts aus dem Irak gelernt hatte. Mit den Türken muss jetzt gesprochen werden. (...)

Für die Migranten, die in den libyschen Lagern festgehalten werden, bedarf es einer europäischen Operation. Aber Italien muss beginnen.»


«The Sunday Times»: Bei Biden müsste sich London hinten anstellen

LONDON: Zur Handelspolitik der britischen Regierung meint die Londoner «Sunday Times»:

«Ein Freihandelsabkommen mit den USA galt den globalen Visionären der Tories als der große Preis. Mit Donald Trump im Weißen Haus hatte Großbritannien einen bereitwilligen Handelspartner und es gab Hoffnungen, dass ein Deal rasch vereinbart werden könnte. Das könnte zwar immer noch geschehen, jedoch hat der US-Präsident angesichts einer schlimmen Corona-Krise andere Dinge im Kopf - darunter den Kampf um sein politisches Überleben. Sollte er scheitern, würde Großbritannien es - mal ganz abgesehen von Themen wie dem Streit um Chlorhühner - mit einem weit weniger entgegenkommenden Nachfolger zu tun bekommen. Joe Biden war Vize-Präsident von Barack Obama, der seinerzeit sagte, Großbritannien werde sich nach dem Brexit hinten anstellen müssen. (...) Für die Regierung ist die Frage, ob sie ernst genommen wird, von grundlegender Bedeutung. Bislang gibt es kaum Anzeichen dafür, dass sie größeres globales Durchsetzungsvermögen besitzt.»

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