Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zu energiepolitischen Rettungsplänen von Robert Habeck

Bemerkenswert ist, mit welchem Pragmatismus Robert Habeck die Sache nun angeht.

Als Anhänger der Energiewende und früherer Kritiker der Energiekonzerne setzt er mit großer Selbstverständlichkeit auf eben diese Unternehmen, um der Kohle zeitweise wieder eine wichtige Rolle zu geben. Die Kohlekraftwerke sollen dazu mit günstigen Preisen die Gasmeiler aus dem Markt drängen, erklärt er. Und die Industrie soll Gas einsparen - nicht etwa durch neue Einschränkungen oder die Zuweisung von Mengen oder Quoten. Stattdessen soll eine Auktion die Betriebe zum Verzicht auf Erdgas animieren. Robert Habeck überlässt die Vorsorge also einem Prinzip, das viele Grüne immer noch mit Skepsis sehen: dem Markt.


«Stuttgarter Zeitung» zur AfD

Wie schwach der neue Vorstand und wie wenig geeint die Partei ist, das zeigte sich bei der ersten inhaltlichen Debatte nach der Wahl: Der Parteitag zerlegte sich fast über eine Europaresolution.

Nur mit Mühe konnten sich die Vorsitzenden dagegen durchsetzen. Die Resolution kam aus Höckes Lager. Höckes Einfluss, das wurde überdeutlich, reicht von der Spitze der Partei bis zur Besetzung des Schiedsgerichts. Er reicht aus für eine Satzungsänderung, nach der die Partei künftig von einer Einzelperson geführt werden kann. Was bedeutet das für die Partei? Wer der AfD einen Niedergang durch Radikalisierung prognostiziert, verkennt die Realität. In allen Umfragen hat die Partei ein Stammwählerpotenzial klar über der Fünfprozenthürde. Im Osten erreicht sie Ergebnisse, von denen die SPD träumt. Gelingt es dem neuen Vorstand, die Teuerungsrate und die Versorgungsproblematik zu thematisieren, sind Zuwächse überregional denkbar. Der Preis wird auf jeden Fall in einem ungebremsten Drift nach rechts bestehen.


«Frankfurter Rundschau» zur möglichen Verschiebung des Kohleausstiegs

Zu 56 Prozent sind die deutschen Gasspeicher derzeit gefüllt - das reicht für vier bis sechs eisige Wochen im Winter.

Dann drohen erste Engpässe. Eigentlich hatte die Bundesregierung vor, die Gasdepots bis Oktober auf 80 Prozent zu füllen. Doch dass dafür genug russisches Gas nach Deutschland fließt, ist angesichts gedrosselter Liefermengen des russischen Gazprom-Konzerns mehr als fraglich. Wirtschaftsminister Robert Habeck ruft daher zum Gassparen auf und schlägt zähneknirschend vor, was ein grüner Minister eigentlich niemals vorschlagen würde: Mehr Kohle soll zu Strom verfeuert werden, um kein Gas zur Stromproduktion einsetzen zu müssen. Damit verrät Habeck die Ziele der Grünen, denen der Ausstieg aus der Kohleförderung und der CO2-intensiven Verstromung nicht schnell genug gehen kann. Doch in der Not bleibt kein Platz für Klimaschutz. Habecks verzweifelter Griff zur Kohle ist Deutschlands Quittung für die immer wieder hinausgezögerte Energiewende.


«The Telegraph»: Tories müssen konservativem Kurs folgen

LONDON: Die britische Zeitung «The Telegraph» kommentiert am Sonntag zwei absehbare Wahlniederlagen der Konservativen Partei:

«In dieser Woche finden zwei Nachwahlen statt - eine in Wakefield und die andere in Tiverton and Honiton - und so wie man die Ergebnisse (eine vernichtende Niederlage für die Tories) erahnen kann, kann man die Ausreden schon vorhersagen. «Regierungen stehen in der Hälfte einer Legislaturperiode nie gut da», werden die Konservativen sagen. (...)

Aber die Wähler protestieren auch gegen die Krise bei den Lebenshaltungskosten, die durch die Politik der Regierung noch verschärft wurde, einschließlich einer inakzeptablen, kontraproduktiven und wirtschaftlich unklugen Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge.

Eine linke Parlamentsmehrheit wird sich in Zukunft nur vermeiden lassen, wenn die richtigen Lehren aus diesen lokalen Niederlagen gezogen werden und eine Rückkehr zu Steuersenkungen, Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben, einer umfassenden Reform des öffentlichen Dienstes und einem harten Durchgreifen gegen militante Gewerkschaften vollzogen wird. Die Tories standen schon viele Male vor einer solchen Entscheidung. Sie haben immer nur dann gewonnen, wenn sie den wahrhaft konservativen Weg eingeschlagen haben.»


«El País»: Klimawandel in Echtzeit

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Sonntag die ungewöhnlich hohen Temperaturen in Spanien:

«Die Hitzewelle in Spanien ist zu früh, von beispielloser Dauer und Heftigkeit und es ist klar, dass die Folgen des Klimawandels nicht irgendwo in der Zukunft spürbar werden, sondern jetzt. Für die nähere Zukunft lässt sich annehmen, dass diese Episoden, die Menschen durch die hohen Tages- und Nachttemperaturen überfordern, öfter und schlimmer sein werden.

Spanien hat erneut am eigenen Leib und in Echtzeit erlebt, wie der Klimawandel alles verändert. Eine magische und schnelle Lösung gibt es nicht, aber Wege, um das Schlimmste zu vermeiden: Milderung und Anpassung. Milderung durch Verminderung der Emission von Treibhausgasen. Anpassung durch Maßnahmen, die das Leiden unter den neuen klimatischen Bedingungen mindern. Schüler und Lehrer in den Schulen, Arbeiter im Außenbereich, die Landwirtschaft, gefährdete Bevölkerungsgruppen wären hier zu nennen. In den Städten muss es schattige Bereiche und Abkühlräume geben, in denen die Menschen Entlastung finden. Es sind noch große Anstrengungen notwendig, um zu lernen, mit dem Klimawandel zu leben.»


«NZZ am Sonntag»: Schweiz soll sich nicht von Russland beirren lassen

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert die Haltung der Schweiz in der Ukraine-Krise:

«Die Schweiz zahlt einen Preis dafür, dass sie die Russland-Sanktionen der EU und der USA übernommen hat; ihre Rolle als Friedensvermittlerin wird geschwächt. Das zeigte sich diese Woche in Nur-Sultan. In der Hauptstadt Kasachstans sagte Wladimir Putins Sondergesandter für Syrien, Russland wolle die Syrien-Friedensgespräche nicht mehr in Genf abhalten, denn die Schweiz sei nicht mehr neutral. Die Absicht des Kremls ist klar: Das internationale Genf soll geschwächt werden. Das ist erstaunlich, denn bis jetzt kamen die Russen gern nach Genf - erst vor einem Jahr trafen sich hier Putin und US-Präsident Joe Biden.(...) Beirren lassen sollte man sich aber nicht. Wenn Russlands Abkehr von Genf der Preis ist für die Übernahme von Sanktionen gegen einen Kriegsverbrecher, so gilt es ihn zu bezahlen.»

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Rene Amiguet 20.06.22 15:30
@Hartmut Wirth
Genau so ist es, der Bumerang ist bereits auf dem Rückweg. Die dunkelgrüne, verfehlte Energiepolitik wird der Inbdustrie und den Bürgern noch schwer zu schaffen machen und das Klima wird trotz allem immer wärmer.