Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Pravda»: Sebastian Kurz zeigt Schwäche des personalisierten Politikstils

BRATISLAVA: Die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda» schreibt am Samstag zum Rückzug des österreichischen Ex-Kanzlers Sebastian Kurz aus der Politik:

«Für einen Politiker, in dem die konservative Rechte Europas ihre Zukunft sah, kam dieses Ende unrühmlich und überraschend schnell. Die Karriere von Sebastian Kurz illustriert aber in manchem die Schwächen eines populistischen, persönlichkeitszentrierten Politikstils. Sein Aufstieg war ebenso steil wie sein Fall. Außenminister wurde er 2013 mit nur 27 Jahren. Mit 30 stand er schon an der Spitze der Volkspartei und nützte seine Position zu einem radikalen Umbau der Partei. Die alte Parteigarde verlor ihre Position, und die Macht konzentrierte sich um den Führer. (...)

Beschwerden über den Verlust der innerparteilichen Demokratie und die Konzentration aller Macht in den Händen des Parteichefs wurden von Wahlerfolgen und hohen Umfragewerten übertönt. (...) Als aber nicht mehr nur die freiheitlichen Koalitionspartner von Korruptionsaffären betroffen waren, sondern der Kanzler selbst, begann die enge Bindung an den Führer für die Partei zur Belastung zu werden und die Umfragewerte stürzten ab. Offizieller Grund für seinen Rückzug ist die Familie. Die wirklichen Gründe hängen aber wohl mehr mit den Anschuldigungen und dem damit verbundenen innerparteilichen Druck zusammen. Die politische Karriere des Wunderknaben der konservativen europäischen Rechten ist nach acht Jahren zu Ende.»


«de Volkskrant»: Westen hat nur mäßiges Interesse an Ukraine

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Samstag die Haltung des Westens im Ukraine-Konflikt:

«Der Westen ist nicht bereit, das Land militärisch zu unterstützen, und auch die wirtschaftliche Hilfe lässt zu wünschen übrig. (...) Deutschlands strategischer Schritt in Richtung Russland - mit der Nord Stream 2 Pipeline, die eine Alternative zur Ukraine als Transitland bietet - verschlechtert die Ausgangsposition Kiews. Selbst das deutsche Schuldgefühl am Leid, das die Nazis den sowjetischen Völkern zugefügt haben, scheint politisch stärker auf Russland projiziert zu werden.

Die «Intensität des Engagements» in der Ukraine ist also, um ehrlich zu sein, sehr verzerrt. Dem nur mäßigen Interesse in Westeuropa steht eine russische Führung gegenüber, die 30 Jahre nach dem, was Putin als «geopolitische Katastrophe» (der Zerfall der Sowjetunion) bezeichnete, immer noch das Existenzrecht der Ukraine in Frage stellt. Und es ist unklar, inwieweit US-Präsident Joe Biden sich durch die Ukraine-Krise von seiner China-Agenda ablenken lässt.»


«Corriere della Sera»: Macron bricht Embargo

ROM: Zum Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf der Arabischen Halbinsel schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Samstag:

«Während Präsident Emmanuel Macron mit Kronprinz Mohammed bin Said al Nahjan auf dem Gelände der Expo in Dubai sprach, unterzeichnete der CEO von Dassault Aviation, Éric Trappier, den wichtigsten militärischen Liefervertrag der französischen Luftfahrtindustrie: 80 Rafale-Jagdflugzeuge werden an die Vereinigten Arabischen Emirate für 17 Milliarden Euro verkauft.

Macron bekommt das Verdienst, die Verhandlungen, die Nicolas Sarkozy vor 13 Jahren begann und von François Hollande durch Höhen und Tiefen fortgeführt wurden, zu einem guten Ende zu bringen. Ein Erfolg, der das neue Gewicht Frankreichs in der Golfregion in Verbindung mit dem fortschreitenden amerikanischen Abkoppeln unterstreicht; der Frankreich teilweise für die Schmach aus dem September entschädigt, als Australien die U-Boot-Vereinbarung zerriss und der die Arbeitsplätze für die Rafale-Fertigung verdreifachen könnte. (...)

Nach dem Rekordvertrag mit Bin Said al Nahjan und einem Zwischenstopp in Katar trifft Macron heute in Saudi-Arabien auf Mohammed bin Salman. Er wird damit der erste amtierende westliche Staatschef sein, der ihm nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 in einem bilateralen Treffen die Hand schüttelt und damit eine Art internationales dreijähriges Embargo brach.»


«NZZ»: Deutscher Weg ist kein Vorbild für die Schweiz

ZÜRICH: Zum unterschiedlichen Umgang mit der Corona-Pandemie in Deutschland und der Schweiz heißt es am Samstag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Deutschland liebt den Lockdown und die Schließung von Schulen und Geschäften. Entsprechend großzügig machten Bund und Länder davon 2020 Gebrauch. Die Schweiz hielt ihre Schulen weitgehend offen und schränkte das öffentliche Leben zurückhaltender ein. Dass jemand seine Rolle als gestrenger Pandemie-Vogt so lustvoll zelebriert wie der bayrische Chefpopulist Markus Söder, wäre unter Eidgenossen undenkbar. (...)

Wenn die Parteien in Berlin jetzt über weitere Restriktionen bis hin zur Impfpflicht diskutieren, sollten sie ausnahmsweise die Kosten-Nutzen-Relation bedenken. Zu oft ist der Staat der Versuchung erlegen, mit Freiheitsbeschränkungen Handlungsfähigkeit zu suggerieren, obwohl die Wirkung überschaubar blieb. Weil dem Kollektiv in Deutschland aber eine solche Bedeutung zukommt, hat selbst der Impfzwang gute Chancen.

Aus Schweizer Perspektive gilt, dass auch in der gegenwärtigen Welle der deutsche Weg kein Vorbild sein kann. Panikmache und Hysterie sind das falsche Rezept. Das magische Dreieck der Seuchenbekämpfung aus Gesundheitsschutz, Wahrung der Freiheitsrechte und Rücksicht auf die Wirtschaft muss auch in Zukunft gelten.»

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