Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«The Independent»: Großbritanniens Corona-Maßnahmen oft verspätet

LONDON: Großbritannien hat seine Einreiseregeln verschärft; Reisende müssen nun einen negativen Corona-Test vorweisen. Dazu meint der Londoner «Independent» am Samstag:

«Wenn man die Corona-Maßnahmen der Regierung auf der Abflugtafel eines Airports auflisten würde, stünde hinter vielen von ihnen der Vermerk «verspätet». Es ist kein Wunder, wenn die wissenschaftlichen Berater der Regierung einräumen, dass viele Corona-Fälle auf ein «hohes Maß an Einreisen nach Großbritannien» zurückzuführen sind.

Die Regierung hatte zwar mit lobenswerter Geschwindigkeit reagiert nachdem in Südafrika eine weitere Virusvariante aufgetaucht war, doch das hinderte Reisende nicht daran, Umwege über andere Länder zu nutzen. Während (Premierminister Boris) Johnson zweifellos hofft, dass ein erfolgreiches Impfprogramm sein wiederholtes Versagen, aus Fehlern beim Umgang mit der Pandemie zu lernen, in den Hintergrund drängt, werden Impfungen allein die Krise nicht beenden. Sie müssen von effektiven weiteren Maßnahmen begleitet werden, darunter durchsetzbare Quarantänen.»


«Pravda»: Merkel ist in der CDU kaum zu ersetzen

BRATISLAVA: Die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda» schreibt am Freitag zur bevorstehenden Wahl eines neuen CDU-Vorsitzenden:

«Einen geeigneten Nachfolger für Angela Merkel zu finden, wird außerordentlich schwer, weil keiner der Kandidaten so beliebt ist wie die Kanzlerin. Es stimmt aber auch, dass dieser Frau aus dem Osten bei ihrem Amtsantritt 2005 auch kaum jemand zugetraut hatte, dass sie sich in der hohen Politik durchsetzen könne, wo bis dahin Männer aus dem Westen mit ihren Netzwerken dominiert hatten. (...)

Womit lässt sich ihr Erfolg erklären? Vor allem hat sie zwei große Herausforderungen bewältigt, die anderen Politikern wohl das Genick gebrochen hätten. Sie half Deutschland, die globale Wirtschaftskrise 2008/09 zu bewältigen, und trotz mancher Vorbehalte auch die Migrationskrise 2015/16. Zwar löste sie manche Probleme eher zögerlich durch «Aussitzen», aber sie war gerade damit erfolgreich, dass sie sich eben nicht in Konflikte hineinziehen ließ, sondern diese dämpfte. Zugleich übernahm sie viel von der Agenda der Sozialdemokraten und schwächte diese damit zugunsten ihrer eigenen Partei.»


«De Telegraaf»: Rücktritt der Regierung war der richtige Schritt

AMSTERDAM: Zum Rücktritt der niederländischen Regierung meint die Amsterdamer Zeitung «de Telegraaf» am Samstag:

«Die Regierung ist über die Affäre um Kinderbeihilfen gestürzt. Dieser Schritt warf viele Zweifel auf. Mitten in der Corona-Krise sei er fehl am Platz; er wäre wegen der bevorstehenden Wahl sinnlos; er würde den betrogenen Eltern nicht helfen und er würde einen gefährlichen Präzedenzfall für künftige Angelegenheiten schaffen.(...)

All diese Argumente (...) gehen am Kern der Sache vorbei. Nämlich, dass Verantwortung dafür übernommen werden muss, dass das Leben vieler unschuldiger Bürger von der Regierung vorsätzlich zerstört worden ist. Angesichts der Schwere der Angelegenheit ist daher ein Rücktritt der einzig richtige Schritt.(...)

Das Land wird in einer Krise nicht steuerlos sein. Das Kabinett Rutte III wird die Amtsgeschäfte fortführen, bis ein neues gebildet ist. Das kann dann mit einer reinen Weste beginnen, wenn die Wähler entschieden haben, wie nachsichtig sie mit den beteiligten Spitzenkandidaten und Parteien umgehen werden.»


«Tages-Anzeiger»: CDU-Chef muss nicht Kanzlerkandidat werden

ZÜRICH: Zum CDU-Wahlparteitag schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Samstag:

«Die CDU hat in ihrer Geschichte erst zweimal die Kanzlerkandidatur an die kleinere bayerische Parteischwester CSU abgetreten: 1980 musste Helmut Kohl Franz Josef Strauß den Vortritt lassen, 2002 verzichtete (Angela) Merkel zugunsten von Edmund Stoiber. Beide Versuche, jeweils aus der Opposition gegen amtierende SPD-Kanzler, scheiterten. 2021 könnte es gleichwohl einen dritten Versuch geben, mit deutlich besseren Erfolgschancen.

Jedenfalls ist es keineswegs ausgemacht, dass der neue CDU-Chef auch Kanzlerkandidat der Union werden wird. Vielmehr wird der Neue in den Wochen nach der Wahl seine höhere Tauglichkeit erst beweisen müssen. Mitte März stehen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz Landtagswahlen an, in denen es für die CDU vermutlich nicht viel zu gewinnen gibt. Erst danach, etwa um Ostern, wollen CDU und CSU die Kanzlerfrage klären. Schwergewichte der Partei wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Fraktionschef Ralph Brinkhaus haben bereits erklärt, dass sie diesmal nicht nur die Chefs von CDU und CSU für kanzlertauglich halten, sondern auch weitere Führungskräfte.»


«Corriere della Sera»: Renzi hat Politik mit Virtuosität verwechselt

ROM: Vor dem nächsten Höhepunkt der Regierungskrise in Italien, wenn es zum Vertrauensvotum am Montag und Dienstag im Parlament kommt, schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Samstag:

«Am Ende zählt nur diese eine Frage: Wird die nächste Regierung besser sein? (...) Für denjenigen, der den Freitag ganz nüchtern damit verbracht hat, darauf zu warten, bis er weiß, ob er für sein Restaurant einkaufen kann oder ob die Kinder am Montag zur Schule gehen können, kommt es auf die Qualität der Ideen und des Kabinetts an, das uns durch die kommenden Monate der Notlage führen wird. Es scheint jedoch nicht, dass dies im Mittelpunkt der Krise steht.

(Ex-Ministerpräsident) Matteo Renzi hat die Politik wieder einmal mit Virtuosität verwechselt und die Notwendigkeit einer Regierung für ein Land, das erschöpft und abenteuermüde ist, unterschätzt. Wir können nicht vorhersagen, was am Dienstag im Senat passieren wird. Die laufenden Verhandlungen liegen zu sehr im Verborgenen und Geheimen. Wenn es (Ministerpräsident Giuseppe) Conte jedoch gelingt, eine Stimme mehr als die Opposition zu erhalten, wird dies daran liegen, dass sich der natürliche Hang vieler Parlamentarier zum Transformismus hinter dem nationalen Notfall verbergen können wird.»

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