Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

«Corriere della Sera»: Trump forciert Aufsplitterung des Internets

ROM: Zum Vorgehen von US-Präsident Donald Trump gegen die chinesischen Apps Tiktok und WeChat schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Samstag:

«Es ist wahr, dass WeChat durchleuchtet und zensiert wird von der (Kommunistischen) Partei. Aber die amerikanischen Maßnahmen verschärfen die Trennung der digitalen Welt zwischen den USA und China. Die Analysten sprechen von einer «Balkanisierung», um die Aufsplitterung des Internets zu beschreiben. Das Internet in China ist umschlossen von der Great Firewall, einer hochgezogenen Mauer, wegen der die Chinesen nichts von den freien Ideen aus dem Ausland erfahren: In der Volksrepublik kann man weder Google noch Facebook oder Twitter erreichen. In Russland bekommt man aus dem Netz Falschinformationen. Aber mit den Angriffen auf Tiktok und WeChat liefert die Regierung Trump weitere Ziegelsteine zur neuen Berliner Bauer in diesem neuen - noch virtuellen - Kalten Krieg.»


«Berliner Morgenpost» zu Hasskriminalität

Hass auf andere Menschen wegen ihrer politischen Meinungen, ihres Aussehens, ihrer sexuellen Vorlieben oder ihrer Herkunft wird immer häufiger zum Anlass von Straftaten.

Was Berlins Polizei feststellt, kann niemanden überraschen. Der Umgang miteinander ist generell rauer geworden. Das Internet bietet eine Plattform für anonyme oder auch offene Drohungen, Beschimpfungen und Verunglimpfungen. Es ließe sich leicht sagen, dass für dieses Problem nur radikalisierte Rowdys verantwortlich sind. Dennoch sollten wir uns alle fragen, was wir selber tun können, um wieder mehr Respekt in öffentliche oder private Diskussionen zu bekommen. Das gilt in jeder Lebenslage, am Kneipentisch, im Internet-Chat oder im Straßenverkehr. Alle sollten sich zusammenzureißen, um das gesellschaftliche Klima zu entspannen.


«Neatkariga Rita Avize»: Der unerschütterliche Koloss wankt

RIGA: Zum Wahlkampf und zur Lage vor der Präsidentenwahl im Nachbarland Belarus (Weißrussland) meint die national-konservative lettische Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Samstag:

«Alle drei sind junge, sympathische und sehr energische Frauen, gegen die (Präsident Alexander) Lukaschenko wie die Suppe von vorgestern aussieht. Seine Rede vor dem «aktivsten Teil der Gesellschaft» am 4. August erinnerte an die Reden von (dem ehemaligen sowjetischen Staatschef Leonid) Breschnew auf KPdSU-Kongressen. Genauso schläfrig und inhaltsleer. (...)

Es ist klar, dass Lukaschenkos Thron zu schwanken begonnen hat. Im Gegensatz zu anderen Zeiten, als Lukaschenko dieses Wackeln mit scharfen Repressionen schnell unterdrückte, sind sich Analysten mit unterschiedlichem politischem Hintergrund diesmal nicht so sicher, ob er damit Erfolg haben wird. Es besteht die reale Möglichkeit (was nicht bedeutet, dass dies auch der Fall sein wird), dass die Lage außer Lukaschenkos Kontrolle gerät und er sich nicht an der Macht halten kann.(...) Doch selbst wenn Lukaschenko bleibt, ist die Stärke und Festigkeit der von ihm geschaffenen Strukturen zweifelhaft geworden. Beruhte Lukaschenkos Macht in der Vergangenheit auf dem Glauben, dass sie wie ein riesiger Koloss unerschütterlich sei, ist die Unterstützung für ihn in der Gesellschaft jetzt so gering, dass er die Aura des unerschütterlichen Kolosses verloren hat. Dies schafft Nervosität innerhalb der Elite.»


«de Volkskrant»: Staat und Bürger müssen Corona gemeinsam bekämpfen

AMSTERDAM: Zum Kampf gegen das Coronavirus in den Niederlanden und Deutschland meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Samstag:

«Ministerpräsident Mark Rutte hat bei seiner Pressekonferenz an die Eigenverantwortlichkeit der Bürger appelliert. «Wir geben unser Bestes, aber wir haben keine Diktatur, in der ich Polizisten vor die Haustür stelle», sagte er. «Wir sind erwachsene Bürger in einer erwachsenen Demokratie.» Rutte darf verlangen, dass die Bürger Verantwortung übernehmen. Aber die Bürger dürfen ihrerseits auch fordern, dass der Staat alles daran setzt, das Virus unter Kontrolle zu halten. (...)

Auch Deutschland ist keine Diktatur - es hat einfach nur das Testen und die Kontaktverfolgung besser im Griff. Obwohl bizarre Verschwörungstheorien und widerwärtige Vergleiche von Corona-Schutzmaßnahmen mit der Judenverfolgung eine beunruhigend große Zahl von Menschen ansprechen, unterstützt die übergroße Mehrheit der Bevölkerung die von der Regierung verkündeten Maßnahmen zum Gesundheitsschutz. Staat und Bürger müssen gemeinsam das Virus bekämpfen. Und da können beide noch einen Zahn zulegen.»


«The Times»: Verbot von TikTok wird als Warnung aufgefasst

LONDON: Zum Vorgehen von US-Präsident Donald Trump gegen die in chinesischem Besitz befindlichen Apps TikTok und WeChat meint die Londoner «Times» am Samstag:

«Das ist eine kurzsichtige Entscheidung, denn damit werden die Grundsätze eines auf Regeln basierenden Systems des internationalen Handels unterminiert und stattdessen wird ein System konkurrierender regionaler Blöcke gefördert. Das wird die globale wirtschaftliche Erholung von einer riesigen Rezession erschweren, die durch das Coronavirus verursacht wurde. (...)

Geheimdiensten zufolge gibt es durch Beweise gestützte starke Argumente dafür, das chinesische Telekommunikationsunternehmen Huawei vom Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes fernzuhalten. Aber es gibt keinen ähnlichen Konsens, wonach TikTok ein Risiko für die westliche Sicherheit darstellt. (US-Präsident) Donald Trump behauptet, die Nutzung der App durch etwa 100 Millionen Amerikaner könne dem chinesischen Staat Zugang zu Daten verschaffen. Harte Beweise dafür sind jedoch Mangelware. Ein Verbot von TikTok wird man als Warnung auffassen, dass jedem ausländischen Unternehmen im Prinzip die Tätigkeit in den USA einfach per Anordnung des Präsidenten und ohne Recht auf Berufung untersagt werden könnte.»


«De Standaard»: Handelskrieg wird durch Corona-Pandemie verschärft

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» beschäftigt sich am Samstag mit dem Einfluss der Corona-Pandemie auf das internationale Handelsklima:

«Während der tägliche Überlebenskampf in Corona-Zeiten die ganze Aufmerksamkeit und Energie auf sich konzentriert, tun sich tektonische Verschiebungen auf. Das Tempo des bereits stattfindenden Handelskriegs wird durch Corona weiter verschärft. Von dem Paradigma, dass wir durch gegenseitigen Handel alle besser und reicher werden, scheint nichts übrig zu bleiben. Es entwickelt sich ein brutaler Kampf um die Hegemonie. (...)

Die Corona-Krise hat die Tendenz verstärkt, die Regeln während des Spiels einseitig zu verändern. Der Zynismus, mit dem sich mächtige Länder vielversprechende Medikamente oder mögliche Impfstoffe auf Kosten der schwächeren Nationen und Regionen sichern, wäre bis vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen. Wenn sich der Würgegriff der Pandemie schließlich lockert, werden wir in einer Welt aufwachen, die anders funktioniert. Sie wird bedrohlicher sein und weniger Schutz bieten.»


«NZZ»: Ohne Sicherheit keinen Wohlstand

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» beschäftigt sich am Samstag mit den Meinungsverschiedenheiten in der Nato:

«Die Nato ist der Garant der Sicherheit für alle europäischen Staaten, die nicht im russischen Einflussbereich liegen. Das gilt auch für Länder wie die Schweiz oder Schweden. Sie halten ihre Neutralität hoch, sind aber stille Nutznießer des Schutzschirms, den die USA nach dem Zweiten Weltkrieg konventionell und nuklear über Europa aufgespannt haben. Differenzen in der Nato bedrohen daher die Sicherheit des Kontinents insgesamt. Der geplante Truppenabzug aus Deutschland ist ein Alarmzeichen für alle, nicht nur für Deutschland. Die USA wenden sich von Europa ab. Die europäische Kritik zielt reflexartig auf den Republikaner Trump, dabei sieht der Demokrat Biden viele außenpolitische Fragen wie sein Kontrahent. (...)

Wohlstand gibt es auf Dauer nicht ohne militärische Absicherung, auch wenn diese in langen Friedenszeiten kaum mehr greifbar erscheint. Historisch betrachtet, überlebte keine Nation, wenn sie Angriffe nicht abschrecken oder abwehren konnte. Wie wichtig das sicherheitspolitische Fundament ist, bemerkt die Öffentlichkeit erst, wenn es sich aufgelöst hat. Gegenwärtig löst es sich an vielen Ecken auf.»

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