Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Sme»: Türkei missbraucht Desinformationsverbot für Zensur

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» schreibt am Samstag über bisherige Erfahrungen mit dem Verbot von «Desinformation» in der Türkei:

«Im Oktober 2022 setzte die türkische Regierung ein Gesetz gegen Desinformation durch. Oppositionsparteien und internationale Organe wie die Venedig-Kommission kritisierten es schon damals wegen seiner unklaren Definition von Desinformation. (...) Angesichts dessen, dass die AKP-Regierung mehrere Paragrafen des türkischen Strafgesetzes zur Unterdrückung kritischer Stimmen missbraucht, zeigt sich dieses zusätzliche Gesetz als reines Ausnützen einer günstigen Gelegenheit. Wenn auch in den westlichen Demokratien gerade das Thema Desinformationsverbot läuft, warum sollte man das nicht gleich auch zur Schaffung eines zusätzlichen Instruments nützen, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen? (...)

Desinformation ist eine so große Bedrohung für die westlichen Demokratien, dass einzelne Staaten, die EU-Kommission und auch die Nato aktiv dagegen ankämpfen. Für undemokratische Regime ist das eine ideale Gelegenheit, die sie nicht ungenützt lassen wollen. Niemand zweifelt mehr daran, dass Rechtsvorschriften gegen Desinformation und schädliche Inhalte nötig sind. (...) Die Maßnahmen dürfen aber nicht die freie Meinungsäußerung einschränken. Sie müssen sorgfältig mit dem Schutz der Menschenrechte in Einklang gebracht werden.»


«La Vanguardia»: Deutschland mit angezogener Handbremse

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Samstag den Widerstand Deutschlands gegen die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine:

«Die Lieferung deutscher Leopard-Panzer in die Ukraine stieß auch bei dem Treffen der Nato-Kontaktgruppe in Ramstein auf den Widerstand von Bundeskanzler Olaf Scholz. Dies könnte zu einem Riss zwischen den Verbündeten führen. Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius rechtfertigte die deutsche Position mit Uneinigkeit unter den Partnern, kündigte aber immerhin an, dass Berlin seine Panzer-Bestände sichten werde, um sie bei einem Konsens schnell liefern zu können.

In der Berliner Koalition bremsen die Sozialdemokraten aus Angst vor einer möglichen Eskalation des Krieges. Wie zu erwarten war, hat Russland bereits gewarnt, eine mögliche Entsendung von Leopard 2 in der Ukraine wäre «extrem gefährlich». Tatsächlich aber ist es so, dass der Westen bereits zu viel in seine Unterstützung der Ukraine investiert hat, um jetzt noch einen Rückzieher machen zu können. Deutschland fährt in diesem Spannungsverhältnis wegen der möglichen Folgen einer direkten alliierten Beteiligung am Konflikt mit angezogener Handbremse.»


«Nepszava»: Ein Skandal, der keiner ist

BUDAPEST: Über das Nachleben der Entdeckung geheimer Regierungsdokumente in privaten Räumen von US-Präsident Joe Biden schreibt die links-liberale Budapester Zeitung «Nepszava» am Samstag:

«Die Rechtsanwälte des Präsidenten gaben etwa 20 vertrauliche Dokumente an den Staat zurück. (...) Nachdem sich die Faktenlage als dünn erwiesen hatte, sahen sich die Republikaner gezwungen, ihre schier grenzenlose Fantasie zu mobilisieren, um die Skandalisierung durch unbewiesene Gerüchte auch rund um den mit Alkohol- und Drogenproblemen kämpfenden Präsidentensohn Hunter Biden am Leben zu erhalten. (...) Der Umstand, dass die Debatte ins Stadium der spekulativen Fiktion eintrat, verweist darauf, dass die Geschichte um die Geheimakten im Absterben begriffen ist. (...) In der weiteren Öffentlichkeit wird man Biden damit nicht mehr beschädigen können, außer es tritt noch eine unerwartete Wendung ein.»


«The Times»: Nato muss ein kalkuliertes Risiko eingehen

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Samstag Deutschlands Haltung zu Forderungen nach der Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine:

«Die gute Nachricht ist, dass Deutschland die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 an die Ukraine oder die Genehmigung für Lieferungen durch andere Länder nicht formell ausgeschlossen hat. Die offizielle Position Berlins ist, dass Bundeskanzler Olaf Scholz trotz des wochenlangen Drucks der Verbündeten noch keine Entscheidung getroffen hat. Es lässt sich jedoch nicht verbergen, dass das Ausbleiben einer Einigung über die Leoparden viele andere positive Entwicklungen überschattet hat, die es am Freitag beim Treffen der Verteidigungsminister der 54 Länder der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem Stützpunkt Ramstein in Deutschland gab. (...)

Die Biden-Administration möchte, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Krise übernimmt, während Scholz befürchtet, dass die Entsendung solch hoch entwickelter Offensivwaffen zu einer Eskalation des Krieges bis hin zu einer direkten Konfrontation zwischen Russland und der Nato führen könnte. Das ist natürlich ein Risiko, aber es ist ein kalkuliertes Risiko, das die Verbündeten der Ukraine sicherlich eingehen müssen.»


«NZZ»: Die Leopard-Panzer werden zu spät kommen

ZÜRICH: Deutschland lässt laut Verteidigungsminister Boris Pistorius die Verfügbarkeit von Leopard-Panzern für die Ukraine prüfen. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Samstag:

«Der wahrscheinliche Ausgang dieses quälenden Seilziehens ist ohnehin: Die Ukraine wird am Ende Leopard-Panzer aus deutscher Produktion erhalten. Auf diese Möglichkeit bereitet sich Berlin bereits mit Hochdruck vor, wie Pistorius am Freitag immerhin erklärte. An Deutschland wird dennoch die Schmach haftenbleiben, als großer Zauderer Europas zu gelten, auf den sich seine westlichen Allianzpartner nur bedingt verlassen können. Das hätte Bundeskanzler Scholz vermeiden können. Wann auch immer der politische Durchbruch in Berlin gelingt: Die Leopard-Panzer werden zu spät und in zu geringer Zahl an der Front ankommen, um im Rahmen einer ukrainischen Frühjahrsoffensive den Krieg zu entscheiden.»


«De Standaard»: Wohin führt der Sog des Krieges?

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Samstag die westliche Militärhilfe für die Ukraine und Deutschlands Zögern bei der Lieferung von Leopard-Panzern:

«Eine nur schleppende Entsendung von Ausrüstung - stets weniger als erbeten oder nicht leistungsfähig genug - kostet ukrainische Menschenleben und setzt Kriegserfolge der Ukraine aufs Spiel. Deshalb wurde die europäische Zurückhaltung teilweise aufgehoben, so dass sogar Deutschland jetzt Patriot-Raketen schickt, was vor einigen Wochen noch undenkbar schien. Die Panzer könnten folgen. Vielleicht. (...)

Es bleibt aber die große Frage, wohin das alles führen wird. Der Krieg werde am Verhandlungstisch beendet, bekräftigte US-Verteidigungsminister Austin. Das ist die schöngefärbte Variante. Die großen Unbekannten sind der Zeitpunkt, was bis dahin zerstört sein wird, über welche Grenzen diskutiert werden soll und wer Russland vertreten wird. Je stärker der Sog des Krieges, desto zwingender muss die Debatte in Europa geführt werden, wo wir diese Grenzen für akzeptabel und realistisch halten und welchen Preis, einschließlich der nuklearen Bedrohung, wir zu zahlen bereit sind. Das deutsche Zaudern wäre ein herausragender Ansatz dafür.»

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Leserkommentare

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