Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«De Telegraaf»: Peking kann Aufstände leicht niederschlagen

AMSTERDAM: Zu den Demonstrationen in China gegen die Null-Covid-Politik der Regierung heißt es am Samstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«Von den 1,4 Milliarden Menschen in China sind in den letzten Tagen mehrere Tausend auf die Straße gegangen, um zu protestieren. Manche sagen, die demokratische Revolution stehe dort kurz vor dem Ausbruch. Ein Blick in die jüngere Geschichte kann Enttäuschungen ersparen. Der Arabische Frühling und der Aufstand in Venezuela sind Beispiele für eine ganze Reihe der enttäuschten Hoffnungen.

China ist wie kein anderes Land vorbereitet, um einen Aufstand gegen die allmächtige Kommunistische Partei niederzuschlagen. Sie hat ihre Lektion aus den Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989 gelernt. Dank moderner Technik ist die Kontrolle innerhalb Chinas größer als je zuvor und - vielleicht abgesehen von Kuba und Nordkorea - die effektivste der Welt. Die allgegenwärtigen Kameras zur Gesichtserkennung, die Mobiltelefone, die zu Spionagegeräten umfunktioniert wurden und dennoch von der Bevölkerung massenhaft genutzt werden, die fast vollständige Kontrolle des Internets und die Überwachung der sozialen Medien sind mächtige Waffen in den Händen des Staates.»


«El País»: Demokratie in Ungarn oder Bußgeld

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Samstag die Empfehlung der EU-Kommission, für Ungarn vorgesehene EU-Gelder einzufrieren:

«Die EU-Kommission hat eine historische Entscheidung getroffen, indem sie vorschlug, EU-Gelder für Ungarn wegen wiederholter Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, Zweifeln an der Unabhängigkeit der Justiz und systembedingter Korruption einzufrieren. Indem klargestellt wird, dass Wirtschaft und Demokratie nicht in verschiedenen Universen existieren, stellt dies eine wesentliche Neuerung im Gemeinschaftsrecht dar. Damit wird dem - wirklichen oder vermeintlichen - rein wirtschaftlichen Charakter des europäischen Clubs endgültig ein Ende gesetzt. Die Maßnahme ist auch beispielhaft und abschreckend, indem sie zeigt, dass die Nichteinhaltung gemeinsamer Standards nicht mehr kostenlos ist.»


«The Times»: Sunak muss Großbritanniens dringendste Probleme angehen

LONDON: Zur Stimmungslage bei den in Großbritannien regierenden Tories meint die Londoner «Times» am Samstag:

«Die Tatsache, dass eine wachsende Zahl von Tory-Abgeordneten bei der nächsten Wahl nicht wieder antreten will - darunter auch Sajid Javid, der ehemalige Finanzminister - deutet auf eine fatalistische Stimmung hin, was die Fähigkeit von Premierminister Rishi Sunak angeht, die Chancen der Konservativen Partei zu erhöhen. Wenn Sunak es gelingen soll, das Vertrauen wiederherzustellen, muss er zeigen, dass seine Regierung in der Lage ist, die dringendsten Herausforderungen des Landes anzugehen. Und im Moment gibt es keine dringendere, als die Streikwelle abzuwenden, die in den kommenden Monaten große Teile des öffentlichen und privaten Sektors lahmzulegen droht.

Allein im Dezember wird Großbritannien in der Vorweihnachtszeit täglich von Streiks heimgesucht werden, wenn Eisenbahner, Krankenschwestern, Krankenwagenpersonal, Lehrer, Fahrprüfer und Mitarbeiter der Royal Mail die Arbeit niederlegen. Die wirtschaftlichen und sozialen Kosten werden enorm sein. In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung von Sunak ermutigend, die Gesetzgebung voranzutreiben, die von den Gewerkschaften verlangt, während der Streiks ein Mindestmaß an Dienstleistungen zu garantieren.»


«NZZ»: Eines Tages wird wieder ein Dialog mit Moskau möglich sein

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Samstag den Ausschluss des russischen Außenministers Sergej Lawrow vom OSZE-Treffen in Polen:

«Vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine - eines fundamentalen Verstoßes gegen die Idee dieser Sicherheitsorganisation - ist der Ausschluss Lawrows eine angemessene Sanktion. Natürlich braucht es die OSZE nicht als Schönwetterklub von tadellosen Demokratien, sondern als Forum, in dem Interessengegensätze aufeinanderprallen dürfen. Das bedeutet, sich auch mit Gegnern an einen Tisch zu setzen. Doch zu einem konstruktiven Dialog wäre es in der polnischen Stadt Lodz ohnehin nicht gekommen. Lawrow ist ein Routinier, der Propaganda-Lügen ohne Wimpernzucken verbreitet und jede Ermahnung an sich abprallen lässt. (...)

Theoretisch wäre es möglich, ein Mitglied auszuschließen, so wie dies 1992 mit Jugoslawien geschah. Doch als Forum, das Russland sicherheitspolitisch einzubinden versucht, hat die OSZE nicht ausgedient. Zwar ist gegenwärtig ein echter Dialog unmöglich. Aber eines ferneren Tages werden sich Chancen bieten, mit Moskau über eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa zu sprechen. Ein blutiger Irrsinn, wie ihn Russland in der Ukraine verschuldet hat, lässt sich mit einer solchen Friedensordnung künftig hoffentlich verhindern.»

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