Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Rettungsdiensten

Die Berliner Grünen spielen ein gefährliches Spiel.

Die Entscheidung der von Senatorin Ulrike Gote (Grüne) geführten Senatsgesundheitsverwaltung, Vorschläge der SPD-Innenverwaltung für Reformen des Berliner Rettungsdienstgesetzes zu blockieren, könnte Menschenleben gefährden. In einer idealen Welt würde nur der Notfallsanitäter zum Unfallort kommen. In der Berliner Realität ist das aber nicht möglich, da es zu wenige von diesen höchstqualifizierten Rettern gibt. Der Vorschlag der Innenverwaltung: In bestimmten Situationen kommt ein weniger qualifizierter Rettungssanitäter. Das würde zulasten der Qualität gehen, heißt es aus Gotes Haus. Die Grünen wollen sich kommende Woche mit eigenen Vorschlägen profilieren. Das Thema rutscht so auf Kosten der Sicherheit aller in den Wahlkampf.


«Dennik N»: Russland begeht in Ukraine Genozid

BRATISLAVA: Die slowakische Tageszeitung «Dennik N» schreibt am Samstag über die russischen Bombardements ziviler Infrastruktur in der Ukraine:

«Bei der Definition von Genozid geht es nicht um die Zahl der Opfer, sondern um die Absicht, einen Teil der Bevölkerung auszumerzen. Und genau das macht jetzt Russland vor dem Winter mit seinen gezielten Angriffen auf das ukrainische Energiesystem und die Infrastruktur. Es terrorisiert die Zivilbevölkerung mit dem Ziel, deren Widerstand zu brechen. Millionen Menschen leiden nach den Raketenangriffen ohne Strom und Wasser. Die Opferzahlen werden steigen. Ist das bereits ein Genozid?

Am Mittwoch dieser Woche haben die EU-Parlamentarier eine Resolution verabschiedet, in der sie Russland als terroristischen Staat einstuften, weil es Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht. Die Geschehnisse verdienen es, beim richtigen Namen genannt zu werden. Auch mit Blick auf historische Parallelen ist es gerechtfertigt, die heutige russische Aggression gegen die Ukraine als Genozid zu bezeichnen. Je früher das geschieht, desto eher hilft es den Ukrainern.»


«Neatkariga Rita Avize»: Klebe-Narzissten statt echte Kämpfer

RIGA: Zu den Protesten von Klimaaktivisten in Zeiten des Ukraine-Kriegs meint die lettische Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» am Samstag:

«Namenlose Aktivisten gießen Flüssigkeiten über die Gemälde großer Künstler und kleben sich an Museumswänden fest. Nicht aus Protest gegen Putins Terror. Sie protestieren gegen «Langeweile». Gegen die «Gleichgültigkeit» der heutigen bürgerlichen Welt. Deshalb müsse eine Revolution abgehalten werden. Mit einem Suppentopf gegen Vincent van Gogh. Nicht gegen Putin, nicht gegen Prigoschins «Wagner»-Gruppe. Nicht gegen sie. Gegen van Gogh, Munch, Klimt und andere Künstler, die sich nicht wehren können, weil sie längst tot sind. So sind sie, diese sich selbst als «Helden» gerierenden Narzissten.

Währenddessen geben in der Ukraine Hunderte und Tausende jeden Tag ihr Leben, damit wohlgenährte junge Menschen, die in ihrem Leben noch nie Mangel oder echte Schwierigkeiten verspürten, weiter Spaß haben, für Gerechtigkeit, Gleichheit, Klimaneutralität und andere gute und richtige Dinge «kämpfen» können. Im Warmen, in Komfort, ohne die geringste Gefahr, egal was passiert. Und ohne überhaupt an diese ukrainischen echten Kämpfer zu denken. Nicht für einen Moment.»


«Nepszava»: Orban hat sich Partnern entfremdet

BUDAPEST: Über das jüngste Treffen der mittel-osteuropäischen Visegrad-Gruppe schreibt die oppositionelle ungarische Tageszeitung «Nepszava» am Samstag:

«Das Format eignet sich nicht mehr dafür, wofür es ursprünglich geschaffen wurde: dass die Staaten der Region ihren Willen im gemeinsamen Europa besser durchsetzen können. Mag sein, dass das früher, vor allem vor den EU-Beitritten (2004) und dann später nach der Flüchtlingskrise (2015) funktioniert hat. Heute tut es das nicht mehr.

Bei dem Treffen versuchten die Ministerpräsidenten aus Polen, Tschechien und der Slowakei gar nicht erst groß, (den ungarischen Regierungschef Viktor) Orban in Sachen (Ukraine-)Krieg zu überzeugen. Sie wussten genau, dass dies überflüssig gewesen wäre. Ihr ungarischer Amtskollege tut ohnehin, was er will. Niemand scheint sich mehr in der Illusion zu wiegen, dass die Visegrad-Gruppe noch zu retten wäre.»


«Corriere della Sera»: Migrationspakt käme Italien entgegen

ROM: Zum Thema Migration schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Samstag:

«Eine Wolke am Horizont betrifft die Migration aus Afrika, die sich nach dem Winter wieder verstärken wird. Es wäre nur kontraproduktiv, den Streit um die Schiffe von Nichtregierungsorganisationen fortzusetzen. Stattdessen ist es unabdingbar, andere Länder dazu zu drängen, dem Migrationspakt beizutreten, den die EU-Kommission vor mehr als zwei Jahren vorschlug. Ein Abkommen, das vielen italienischen Forderungen entgegenkäme: die Aufteilung von Migranten und Asylbewerbern zwischen den Ländern - verpflichtend in Krisen - und eine aktivere europäische Beteiligung an der Steuerung der Zuwanderung durch die Stärkung von Frontex und Vereinbarungen mit den Herkunftsländern.»


«Independent»: Revolutionsgarde wird Führung nicht retten können

LONDON: Der UN-Menschenrechtsrat hat eine Untersuchung des brutalen Vorgehens gegen Demonstranten im Iran beschlossen. Dazu meint die britische Zeitung «Independent» am Samstag:

«Die Welt beobachtet den Iran so aufmerksam wie seit Jahren nicht mehr, aus gutem Grund. Veränderungen scheinen unausweichlich. Dabei wirkt das Echo der Islamischen Revolution von 1979 irgendwie unheimlich. Der Schah wurde gestürzt, weil er arrogant geworden war und den Kontakt zu seinem Volk verloren hatte. Er wirkte stärker als er tatsächlich war. Seine Geheimpolizei und seine riesige Armee konnten ihn nicht vor einem Volksaufstand von Studenten und Intellektuellen schützen, die sich dann unfreiwillig in einer Koalition mit Ajatollah Chomeini wiederfanden.

Ebenso wenig werden heute die Religionspolizei und die Revolutionsgarde eine archaische Gerontokratie retten können, die Krieg gegen das eigene Volk führt, vor allem gegen Kurden, Frauen und Demokraten.»


«de Volkskrant»: Lobeshymnen helfen Ukraine nicht gegen Raketen

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» plädiert am Samstag für eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine:

«Von den europäischen und nordamerikanischen Ländern, die die Ukraine bisher mit Waffen und anderen Mitteln unterstützt haben, wird nun mehr erwartet als Lobeshymnen auf die ukrainische Beharrlichkeit oder symbolische Parlamentsresolutionen. Was nützen diese der Ukraine, wenn sie mit Raketen beschossen wird? Solange diesen Gesten keine Taten folgen, sind sie vor allem Ausdruck von Ohnmacht. Papierflieger statt Kampfflugzeuge.(...)

Das muss sich ändern, und zwar so schnell wie möglich, auch in Anbetracht der Ausbildungszeit, die für einige Waffensysteme erforderlich ist. Der Vorschlag Polens, deutsche Patriot-Flugabwehrsysteme an die Ukraine weiterzuleiten, wurde diplomatisch ungeschickt gehandhabt, aber im Wesentlichen ist er richtig. Auch unter Beibehaltung der Prämisse «keine direkte Konfrontation der Nato mit Russland» können wir viel mehr tun. Der russische Präsident (Wladimir) Putin verlässt sich derweil auf die Zurückhaltung des Westens, um vor unseren Augen zu tun, was er will. Das sollte ihm verwehrt werden. Und das wäre auch durchaus möglich, denn das militärisch geschwächte Russland kann sich eine direkte Konfrontation mit der Nato jetzt nicht wirklich leisten.»


«NZZ»: Warschau sollte an nüchterner Realpolitik festhalten

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Samstag den Vorschlag der polnischen Regierung, von Deutschland angebotene Patriot-Flugabwehrsysteme besser der Ukraine zu überlassen:

«Deutschland hat in seiner Ostpolitik während der letzten zwei Jahrzehnte zweifellos viele Fehler gemacht. Die östlichen Nato-Mitgliedsstaaten haben Berlin für seine zu große Nähe zu Russland und das zögerliche militärische Engagement oft und zu Recht kritisiert. Doch nun, da Berlin mit dem Vorschlag einer Stationierung eigener Patriot-Raketen in Polen eine wichtige Geste der Solidarität gemacht hat, stößt Warschau den Nato-Partner unnötig vor den Kopf. (...)

Am Freitag bemühte sich Präsident Andrzej Duda, der bereits in Konflikten mit den Amerikanern als außenpolitischer Stabilitätsgarant aufgetreten war, um eine Versachlichung der Diskussion: «Diese Raketen sollten polnisches Territorium und polnische Bürger verteidigen», ließ er zu den deutschen Patriots verlauten. (...) Damit bleibt die Hoffnung, dass Warschau den Willen besitzt, in entscheidenden Sicherheitsfragen an seiner nüchternen Realpolitik festzuhalten. Von einer strategisch wichtigen Regionalmacht wie Polen dürfen die Partner zumindest einen fairen Umgang ohne populistische Lautsprecher-Diplomatie erwarten - im Interesse des Kampfs gegen den gemeinsamen Gegner Russland.»

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