Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Kinderarmut

Es ist ein lange schwelender Skandal, der trotz aller anderslautenden Bekundungen nicht behoben ist: die Kinderarmut.

In Berlin wächst jedes vierte Kind in armutsgefährdenden Verhältnissen auf, deutschlandweit ist es jedes fünfte. Es fehlt nicht an gutmeinenden Absichtserklärungen, Kinderarmut endlich abzubauen - allein alle bisherigen Ankündigungen versandeten oder schlugen fehl. Wer arm aufwächst, bleibt dies in der Regel sein Leben lang. Dass die Regierenden in Land und Bund das seit Jahren zulassen, bleibt unverzeihlich. Immerhin, jetzt soll endlich die Kindergrundsicherung eingeführt werden. Doch wann das geschehen soll und wie hoch sie ausfallen wird, steht in den Sternen. Am Ende steht womöglich ein kläglicher Kompromiss, der nichts an der Situation der Kinder und Jugendlichen ändert. Es ist beschämend.


«Corriere della Sera»: Diplomatie im Ukraine-Krieg zu unentschlossen

ROM: Zur Diplomatie im Krieg in der Ukraine schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» aus Mailand am Samstag:

«Wir haben gut, weit über die Erwartungen hinaus, auf das reagiert, was Angela Merkel nach langem Schweigen als «barbarischen Angriffskrieg» bezeichnete. Wir haben schlagende und noch nie dagewesene Wirtschaftssanktionen verhängt, zuletzt das Embargo auf russisches Öl, die darauf abzielen, Putins Fähigkeit zur Finanzierung seines Krieges zu verringern. (...) Aber eine Sache strahlte in der Reaktion des Westens auf Putins gewaltsamen Expansionismus wegen ihres Ausbleibens hervor: eine starke diplomatische Initiative. Nicht, dass es keine Diplomatie gegeben hätte. (...)

Beispiele sind reichlich vorhanden, ernsthafte und unwahrscheinliche. Zu ihnen gehören die ersten Telefonate mit Putin von Macron, Scholz, Draghi und dem finnischen Präsidenten Niinistö, die Versuche des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und des österreichischen Bundeskanzlers Nehammer, die des deutschen Altkanzlers Gerhard Schröder. (...) Jede Spur fehlte von einer vollen Verantwortungsübernahme an der diplomatischen Front durch einen starken, einflussreichen Akteur mit strategischem Können, sprich: sich ein Ziel zu setzen und entschlossen zu verfolgen.»


«The Times»: Moderne Monarchie beruht auf Kraft des guten Beispiels

LONDON: Zum 70-jährigen Thronjubiläum der britischen Königin Elizabeth schreibt die Londoner «Times» am Samstag:

«Die Königin ist ein Symbol des staatsbürgerlichen Zusammenhalts und sie hat die Monarchie geschickt an den Wandel der Sitten und der Gesellschaft angepasst. Die Popularität und vielleicht auch die Dauerhaftigkeit der Monarchie werden davon abhängen, inwieweit es ihren Nachfolgern gelingt, ihrem Beispiel zu folgen.

Die Aussichten sind ermutigend. Prinz Charles und Prinz William verkörpern die grundlegende Weisheit der Königin, die verstanden hat, dass das Zeitalter der Ehrerbietung längst vorbei ist und dass die Monarchie in der modernen Ära auf der Kraft des guten Beispiels beruht. (...) Das Prinzip der Vererbung des Throns hätte sich in der Nachkriegszeit längst als Anachronismus erwiesen, wenn die Queen nicht die moralische Stärke einer konstitutionellen Führungspersönlichkeit gezeigt hätte.»


«de Volkskrant»: Umstieg auf nachhaltige Energie wichtiger denn je

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Samstag das EU-Ölembargo gegen Russland und den Stopp der russischen Gaslieferungen an einige EU-Länder:

«Es schmerzt, dass Putin kurzfristig kaum unter dem Ölembargo und dem von ihm selbst verhängten Gasboykott zu leiden hat. Infolge des Krieges sind die Energiepreise weiter gestiegen, was die Umsatzeinbußen mehr als ausgleicht. Außerdem kann Putin das Öl und Gas, das nicht mehr nach Europa geht, leicht an andere Länder, wie zum Beispiel Indien, verkaufen. Jeder Regierungschef, der mit einer hohen Inflation aufgrund rapide steigender Energiepreise zu kämpfen hat, wird russisches Öl und Gas, das preisgünstig angeboten wird, mit offenen Armen empfangen. (...)

Solange Europa weiterhin so viel Öl und Gas verbraucht wie heute, werden die Handelsströme lediglich umgelenkt. Der Schmerz für Putin wird sich in Grenzen halten, vor allem wenn die Energiepreise so hoch sind wie jetzt. Sanktionen sind nur wirksam, wenn es Europa gelingt, alternative Energiequellen zu erschließen. Die Notwendigkeit, in den kommenden Jahren auf nachhaltige Energie umzustellen, ist größer denn je.»


«NZZ»: Im Ukraine-Krieg sendet der Westen gemischte Signale

ZÜRICH: Zum Krieg in der Ukraine heißt es am Samstag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Der Aggressor wird die Kampfhandlungen erst einstellen und einen - wie auch immer gearteten - Rückzug in Betracht ziehen, wenn er spürt, dass die Entschlossenheit der Gegner nicht nachlässt. Ein Abnutzungskrieg ist eine Nervenprobe. Ob der Westen den Test besteht? (...) Kanzler Scholz verspricht Kiew zwar laufend neue Waffen, geliefert wird aber wenig.

Während Washington und London an ihren Absichten keinen Zweifel lassen, senden andere gemischte Signale. Mit Putin lange zu telefonieren, wie es Macron und Scholz taten, ist sinnvoll, um den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Es wirkt als Appeasement, sobald die Unterstützung für die Ukraine nachlässt.

Dazu gehört die Weigerung, Kiew für die Zeit nach dem Krieg Sicherheitsgarantien zu geben, etwa durch eine Beitrittsperspektive für die EU. Macron und Scholz agieren, als sei das Schicksal der Ukraine für sie zweitrangig. Der Eindruck mag falsch sein, aber die Wahrnehmung ist auch eine Realität. Das gilt besonders im Krieg, wo die Kampfmoral den Ausschlag geben kann. Auf dieser Ebene machen sich Berlin und Paris zu unfreiwilligen Helfern des Kreml.»

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Jürgen Franke 05.06.22 18:30
Kinderarmut in Deutschland kann es nicht
geben, bei einer Regierung die 100 Milliarden für Waffen ausgeben kann. Beschämend ist die Kinderarmut in Deutschland, beschämender ist jedoch auch, dass das Land Berlin nicht in der Lage war, die Wahlen vor 8 Monaten einwandfrei durchzuführen.
Rene Amiguet 05.06.22 13:20
Gut gemeinte Waffenlieferungen in die Ukraine
Leider verlängern diese Waffenlieferungen den Krieg und somit auch das Leiden der Bevölkerung und den Steuerzahler der betreffenden Ländern. In diesem Sinne sind diese, in Form von Waffen gespendeten Milliarden des Westens auch kontraproduktiv. Die Russen werden diesen Krieg weder verlieren noch aufgeben. Das Risiko eines Atomwaffen Einsatzes wird immer höher wenn der Westen diese Waffenlieferungen nicht bald einstellt.