Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Montag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zu den Beschlüssen der MPK

Nun besteht die Gefahr, dass Deutschland in eine ähnliche Situation schlittert wie im Herbst/Winter 2020, als es genug Warnungen vor einer Zuspitzung der Pandemielage gab, die Politik am Ende aber viel zu spät mit Gegenmaßnahmen reagierte.

Warum hat die Ampelkoalition einen Expertenrat installiert, wenn sie dessen Ratschlägen dann nicht folgt? Es wäre jetzt wichtig gewesen, klare Regeln zu beschließen, ab wann welche Schritte nötig sind, um eine Überlastung der Kliniken zu verhindern. Auch das Tabuwort Lockdown hätte dabei ruhig fallen dürfen, um der Öffentlichkeit klarzumachen, dass die Pandemie durch Omikron nicht an Gefährlichkeit verloren hat und eventuell eine letzte gemeinsame Kraftanstrengung erforderlich ist. Jetzt aber über Öffnungsschritte zu sprechen, wiegt die Bevölkerung in einer falschen Sicherheit und verleitet zur Nachlässigkeit. Es ist ein fatales Signal.


«Handelsblatt» zur Ukraine-Krise

ES IST SCHON ERSTAUNLICH: Der Westen schaut mehr oder weniger machtlos zu, wie der Kremlherr eine Bedrohung durch die Ukraine herbeifantasiert, wie er ein militärisches Drohpotenzial aufbaut und wie er die mittelosteuropäischen EU-Staaten aus der atlantischen Verankerung brechen will.

Putin will nicht nur zurück ins 20. Jahrhundert mit seinem Blockdenken, er will eine Regellosigkeit im 21. Jahrhunderts, in der nur Nationalismus und militärische Stärke zählen. Am Ende wird sich der Westen die Frage stellen müssen, wie viel Raum er Putin noch geben will.


«Dernières Nouvelles d'Alsace»: In Mali gibt es keine gute Lösung

Straßburg - Zum Terroristen-Angriff auf ein französisches Militärcamp in Mali am Samstag, bei dem ein französischer Soldat gestorben ist, schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» am Montag:

«Alexandre Martin ist der 53. französische Soldat, der seit 2013 in der Sahelzone im Kampf getötet wurde. Genau neun Jahre, nachdem Frankreichs Ex-Präsident François Hollande eine große Militäroperation in Mali eingeleitet hat, mit der das Vordringen von Tuareg-Separatisten und dschihadistischen Gruppierungen (...) gestoppt werden sollte, steckt Frankreich fest. (...) Ein Truppenrückzug würde bedeuten, aufzugeben und terroristischen Gruppierungen freies Feld zu lassen; zu bleiben würde bedeuten, sich noch tiefer ins Schlamassel zu reiten und sich neuen Verlusten auszusetzen. Stand heute gibt es in Mali kein Richtig oder Falsch mehr.»


«Dziennik»: Schwache Kalkulation bei Moskaus Ukraine-Politik?

WARSCHAU: Die Warnung der britischen Regierung, wonach der Kreml versuche, eine pro-russische Führung in Kiew zu etablieren, kommentiert die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Montag:

«Die Namen derjenigen Personen, die dem Bericht zufolge an dem Sturz der legalen Regierung in Kiew beteiligt werden sollen, löst Verwunderung aus. Nach Angaben des britischen Außenministeriums sollen die folgenden Politiker das Team um Präsident Wolodymyr Selenskyj ersetzen: der (frühere ukrainische Abgeordnete) Jewgenij Murajew, der mit der Partei der Regionen des Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch verbunden ist, Ex-Regierungschef Nikolai Asarow und der einstige Zentralbankchef Sergej Arbusow.

Alle erwähnten Politiker bildeten vor 2014 ein Team, das von der Maidan-Revolution von der politischen Bühne gefegt wurde. Sie alle sind auch im separatistischen Donbass verhasst, weil sie die russischsprachige Bevölkerung im Stich gelassen und sich per Flucht gerettet haben. Eine Regel bei der Suche nach einer Alternative für die legale Regierung ist die höchstmögliche Akzeptanz bei der örtlichen Bevölkerung. Dem Team um Murajew fehlt dieser Faktor. Wenn die Information (der Briten) stimmt, dann bedeutet es, dass die Russen ihre Politik gegenüber der Ukraine sehr schwach kalkulieren.»


«La Vanguardia»: Boris Johnson lügt sich an den Rand des Abgrunds

MADRID: Zum Skandal um Lockdown-Partys im Regierungssitz in London und anderen Affären um den britischen Premierminister Boris Johnson schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Montag:

«Der britische Premierminister hat viele Lügen erzählt, und nicht erst von Downing Street aus. In den 1980er Jahren wurde er von der «Times» gefeuert, weil er ein Zitat erfunden hatte (...) Jetzt, als Regierungschef, versucht er, sich aus der Partygate-Affäre zu ziehen - dem Skandal um die vielen Partys, die in der offiziellen Residenz gefeiert wurden, während das Land im Pandemie-Lockdown war oder um den Tod des Herzogs von Edinburgh trauerte -, indem er ebenfalls lügt. Er habe die Restriktionen nicht genau gekannt, sagte der Mann sogar, der die Einschränkungsmaßnahmen selber angeordnet hatte, wie «The Independent» ironisch auf der Titelseite hervorhob. Die Zukunft von Johnson ist ungewiss. Seine jüngsten Lügen haben ihn an den Rand des Abgrunds gebracht. Er wird stürzen, wenn seine Parteikollegen es entscheiden. Aber er wird dann weiter lügen, so wie (der frühere US-Präsident Donald) Trump es auch tut.»


«The Guardian»: Johnson ist als Premierminister ungeeignet

LONDON: Der Londoner «Guardian» kritisiert am Montag die Amtsführung des britischen Premierministers Boris Johnson:

«Der unredliche und betrügerische Boris Johnson ist für das Spitzenamt denkbar ungeeignet. Der Fisch stinkt vom Kopf, sagt man. (...)

Der «Partygate»-Skandal macht deutlich, dass Johnson nicht anerkennen will, dass die Exekutive dem Gesetz unterworfen und vor ihm den Bürgern gleichgestellt ist. Der Premierminister hat wenig Respekt vor dem öffentlichen Dienst, den lokalen Behörden oder dem Parlament. Er könnte sich in dieser Woche auf schamlose Art zerknirscht geben und sich entschuldigen, nachdem die ranghohe Beamte Sue Gray ihren Bericht über illegale Partys in der Downing Street vorgelegt hat. Als Schiedsrichter des Ministerialkodexes entscheidet der Premierminister über sein eigenes Schicksal. Man kann darauf wetten, dass er sich nicht selbst entlassen wird. Es gibt nur wenige Möglichkeiten - außer einem Misstrauensvotum -, einen schlechten Premierminister loszuwerden. Es gibt kein Gesetz gegen Gaunereien in der Regierung. Vielleicht sollte es eines geben.»


«Nepszava»: Kirche muss sich Prozess der inneren Reinigung stellen

BUDAPEST: Zur lauter werdenden Kritik am ehemaligen Papst Benedikt XVI. nach dem Münchner Missbrauchsgutachten schreibt die oppositionelle Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Montag:

«Man wundert sich immer wieder, wenn (in Ungarn) zu hören ist, dass diese oder jene - meist der (rechtsnationalen) Regierung nahestehende, aber sonst nicht unbedingt an den Glaubensgrundsätzen festhaltende - Persönlichkeit nicht Franziskus, sondern den emeritierten Benedikt XVI. als das Oberhaupt der (katholischen) Kirche betrachtet. (...) Nachdem nun in der letzten Woche ein deutsches Gutachten über die dortige priesterliche Pädophilie (und Benedikts diesbezügliche Rolle) bekannt wurde, ist die von Konservativen vertretene Meinung, wonach Benedikt die wahre moralische Größe gegenüber Franziskus darstelle, fragwürdig geworden. (...) Es ist überflüssig, darüber zu klagen, wie sehr Europa den christlichen Werten untreu geworden sei. Zuerst muss sich die Kirche selbst dem Prozess der inneren Reinigung stellen. Die Ausnahmepersönlichkeit von Papst Franziskus allein reicht dafür nicht aus.»


«Der Standard»: Putin militarisiert Europa

WIEN: Die Haltung des Westens in der Ukraine-Krise kommentiert die Wiener Zeitung «Der Standard»:

«Sein (Anm: Putins) Vorgehen führt nun dazu, dass es in Europa zu einer Remilitarisierung kommt. Wenn die Nato einige Tausend Soldaten ins Baltikum, nach Polen oder Bulgarien schickt, ist das eine Reaktion auf den militärischen Aufmarsch russischer Truppen an den Grenzen der Ukraine. Nicht umgekehrt. Je aggressiver Russland vorgeht, desto wahrscheinlicher wird es auch, dass die EU-Staaten in diesem Jahr tatsächlich Ernst machen beim Aufbau einer eigenen Militärpolitik, einer EU-Säule in der Nato. Frankreich wünscht sich das nach dem Brexit. (...) Ihm (Anm.: Putin) kommt zugute, dass Großbritanniens EU-Austritt die sicherheitspolitische Verwirrung seit 2020 vergrößert statt verkleinert hat. Und dass Deutschland unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch mehr auf Appeasement und Erdgas setzt als unter Angela Merkel. Nichts deutet darauf hin, dass der russische Präsident von seinen Spaltungsversuchen bald abrücken könnte.»


«Rzeczpospolita»: Ein Krieg in der Ukraine könnte Polen betreffen

WARSCHAU: Die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» schreibt am Montag zu den wachsenden Spannungen im Ukraine-Konflikt:

«Die Gefahr eines Krieges hängt in der Luft. Obwohl die Russen auf diversen Foren versichern, dass sie keine aggressiven Pläne gegen die Ukraine hegen, weiß der Westen doch genau, dass 100.000 Soldaten an der Grenze der unabhängigen Ukraine etwas zu bedeuten haben. Wenn der Ukraine-Konflikt ausbricht, dann wird Polen der Nachbarstaat eines Landes im Kriegszustand. Ohne Zweifel wird es dann humanitäre und wirtschaftliche Probleme geben - und solche, die mit der Grenze zusammenhängen.

Sind wir bereit für die Aufnahme von potenziell Hunderttausenden von Flüchtlingen? Können wir die mehr als 500 Kilometer lange Grenze zur Ukraine bewachen? Wie sind wir auf eine Rohstoffkrise vorbereitet, denn der Krieg könnte eine Unterbrechung der Lieferungen von russischem Erdöl, Gas und Kohle bedeuten? Und ist unsere Armee bereit? Denn regionale Konflikte können sich leicht auf die ganze Region ausweiten. Dies alles sind Fragen an die polnische Regierung. Denn fast 70 Prozent der Polen haben Angst, dass wir im Falle eines Konfliktes im Osten daran beteiligt sein werden. Und drei Viertel sind überzeugt, dass wir darauf nicht vorbereitet sind.»


«NZZ»: Deutschland hat mehr Verständnis für Russland als andere

ZÜRICH: Zu umstrittenen Äußerungen des (inzwischen zurückgetretenen) Marineinspekteurs Kay-Achim Schönbach zum Ukraine-Konflikt schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Montag:

«Das deutsch-ukrainische Verhältnis ist schon seit einiger Zeit belastet: Im Konflikt mit Russland, so sieht es die Regierung in Kiew, verweigere Berlin der Ukraine die notwendige Unterstützung. Von der Hand zu weisen ist der Vorwurf nicht: Anders als die USA oder Großbritannien liefert die Bundesrepublik keine Waffen an das osteuropäische Land. (...)

Dass Kiew auf Schönbachs Gerede empfindlich reagiert, ist verständlich, steht doch zu befürchten, dass dieser bei seinem Besuch in Indien offen aussprach, was in Deutschland auch in Regierungs- und Militärkreisen viele denken, sich aber nicht zu sagen trauen. Das Verständnis für Russland ist in Deutschland größer als in den meisten anderen westlichen Ländern, und ohnehin hält man sich aus militärischen Händeln am liebsten so weit wie möglich heraus.»


«Nesawissimaja»: Diplomatischer Skandal zwischen Berlin und Kiew

MOSKAU: Die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» geht am Montag der Frage nach, was die Äußerungen des zurückgetretenen Vize-Admirals Kay-Achim Schönbach für die Verhandlungen im Ukraine-Konflikt bedeuten könnten:

«Nun wird versucht, das Quartett wiederzubeleben. Doch die Vorbereitungen für ein Treffen der Berater der Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs laufen vor dem Hintergrund eines überraschenden diplomatischen Skandals. Deutsche Medien veröffentlichten eine Erklärung des Inspekteurs der Deutschen Marine, Kay-Achim Schönbach, der sagte, dass die (Halbinsel) Krim seiner Meinung nach niemals zur Ukraine zurückkehren wird. Das ukrainische Außenministerium hat deshalb die deutsche Botschafterin Anka Feldhusen einbestellt. (...)

Diese Situation kann die Atmosphäre der Verhandlungen im Normandie-Format beeinträchtigen. Doch vom Treffen der politischen Berater ist ohnehin kein Durchbruch zu erwarten. Ihre Aufgabe ist es, ein Treffen der Außenminister zu organisieren, bei dem die Möglichkeit von Gesprächen zwischen den Staatsoberhäuptern erörtert werden könnte. Es ist ein langer Weg.»


«Lidove noviny»: EU zeigt keine klare Kante gegen Russland

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt am Montag zur Haltung der Europäischen Union im Ukraine-Konflikt:

«Der Westen will Russland von einem Angriff auf die Ukraine abhalten und droht deshalb mit harten Sanktionen. Doch die EU-Mitgliedstaaten sind ihrer Haltung gegenüber Russland gespalten. Deutschland ist gegen eine Blockade russischer Banken und bremst Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Nach Ansicht des österreichischen Außenministers Alexander Schallenberg sollten Erdgas-Lieferungen nicht mit Sanktionen belegt werden. Die Europäische Union zeigt in ihrer Uneinigkeit keine Bereitschaft, Nachbarstaaten oder ihre eigenen Mitgliedstaaten mit mehr als nur Worten gegen den Druck aggressiver Großmächte zu verteidigen. Sowohl der chinesische Präsident Xi Jinping als auch Kremlchef Wladimir Putin können daher tun und lassen, was sie wollen.»

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.